bergmesse - © Stefan Eibensteiner    -    Bergmesse am Schafberg

Keine Messe mehr am Berg

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Die Zahl großer Bergmessen nimmt ab. Während der Alpenverein von Vernetzungsproblemen spricht, verortet der Salzburger Priester Ernst Wageneder das Problem im Konservatismus einiger Amtskollegen.

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Die Zahl großer Bergmessen nimmt ab. Während der Alpenverein von Vernetzungsproblemen spricht, verortet der Salzburger Priester Ernst Wageneder das Problem im Konservatismus einiger Amtskollegen.

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Die Kuppe am Schafberg-Gipfel ist voller Menschen, die in Bergschuhen, kurzen Hosen und Funktions-T-Shirts in der Sonne stehen. Viele halten ihre Hände gefaltet. Manche haben die Fäuste in die Hüften gestemmt, ihr Blick ist abwartend, aber gespannt. Ein paar Meter die Wiese hinunter steht ein Tisch auf dünnen Metallfüßen. Ein weißes, gestärktes Tuch ist darübergebreitet. Klammern hindern den Wind daran, am Stoff zu zerren und ihn fortzuwehen. Blumen und Messgeschirr sind auf der Tischplatte aufgebaut.
Mit drei Ministranten steht Ernst Wageneder vor dem kleinen Altar und sieht abwechselnd zu den Leuten, hinüber auf das beeindruckende Alpenpanorama des Salzkammerguts und hinunter auf die türkis-blauen umliegenden Seen. Er ist auf die 1783 Höhenmeter hinaufgestiegen, um Bergmesse zu feiern – eine Form der Liturgie, die seltener zu werden scheint.

Symptom für die Lage der Seelsorge

Zu Beginn des Sommers waren in der Pressestelle der Erzdiözese Salzburg unüblich-wenige Bergmessen-Termine eingegangen; eine umfangreiche Liste dar­über, welcher Priester auf welchem Gipfel an welchem Tag feiert, war heuer nicht wie gewohnt zu füllen, hieß es von dort. „Der Trend, Bergmessen als Großevent zu feiern, nimmt ab“, stellt Ernst Wageneder fest. Über die Gründe kann der gebürtige Oberösterreicher nur spekulieren. „Ich spüre jedoch klar, dass viele Menschen nicht mehr im Gefühl einer großen Gruppe wandern möchten. Sie scheuen den Lärm des Miteinander-Redens, denn sie suchen viel mehr die Stille in der Natur.“
In dieselbe Kerbe schlägt Alpenverein-Salzburg-Chefin Anita Bitterlich. Sie sagt: „In den vergangenen beiden Jahren gab es wegen der Pandemie weniger großangelegte Bergmessen. Nun finden sie offenbar weiter in kleineren Kreisen statt, in denen weniger Menschen mitwandern und mehr Ruhe herrscht.“ Genau das sei auch die „Kernaufgabe“ von Natur und Bergen: Entspannung zu bieten im hektischen Alltag.

Doch nicht nur die Sehnsucht nach einem guten Maß an Stille dürfte dafür verantwortlich sein, dass Bergmessen rarer zu werden drohen. Ernst Wageneder, der nach seinen Jahren als Pfarrer von Mondsee (Diözese Linz) 2021 in die Erzdiözese Salzburg gewechselt und im Team der Missionarischen Pastoral unterwegs ist, beobachtet, dass immer weniger seiner Amtskollegen Bergmessen anbieten. Die Ursache sieht er in der aktuellen Situation der Seelsorge. Das will heißen: Für die Durchführung einer solchen Wanderung muss zumindest ein ganzer Arbeitstag, üblicherweise ein Sonntag, veranschlagt werden. Zeit, die man gerne investieren muss, damit aus dem Gang ein gutes spirituelles Erlebnis werden kann.
„Da ist es in der Vorstellung mancher Kollegen wahrscheinlich angenehmer, in der eigenen Kirche am Vormittag Messe mit der Gemeinde zu feiern, danach Mittag zu essen und den Nachmittag zur freien Verwendung zu haben. Aber das kann doch kein Grund sein, die Leute auf tiefe Glaubenserfahrungen verzichten zu lassen!“

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