Kirche - eigentlich selbst ein Medium

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Gratiszeitung ,Dialog', ,_thema_kirche' für Mitarbeiter, Kirchenzeitung, Radio Stephansdom: Kommunikationschef Bergmann über die Medienpolitik seiner Diözese.

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Gratiszeitung ,Dialog', ,_thema_kirche' für Mitarbeiter, Kirchenzeitung, Radio Stephansdom: Kommunikationschef Bergmann über die Medienpolitik seiner Diözese.

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dieFurche: Sogenannte Gesinnungsmedien sind in Österreich zurückgegangen, die Erzdiözese Wien investiert aber wieder stark in eigene Medien. Warum?

Wolfgang Bergmann: Die Kirche als solche ist ja eigentlich ein Medium. Sie hat auf die Menschen zuzugehen, und sie hat sich der Mittel zu bedienen, die es dafür gibt. Wenn schon Paulus Briefe geschrieben hat, so ist es selbstverständlich, daß man heute elektronische Medien oder Printmedien benützt, um mit den Menschen in Kontakt zu treten.

dieFurche: Haftet nicht allem, was Kirche in eigenen Medien transportieren will, ein Geruch der Propaganda an?

Bergmann: Welches Medium ist nicht letztlich auch Gesinnungsmedium? Der sogenannte unabhängige Journalismus - wo kommt der vor? Völlig unabhängig ist der Journalist, der aus völlig eigenen, auch finanziellen Kräften sein eigenes Medium macht. So gesehen gibt es in Österreich zwei unabhängige Journalisten ...

dieFurche: Trotzdem sind kirchliche Medien ein ganz bestimmtes Segment in der Medienlandschaft ...

Bergmann: ... die so bereichert wird: Der mediale Diskurs besteht nicht darin, daß es ein ideales Medium für alle gibt, sondern, daß sich das Meinungsspektrum aus einer Fülle von Medien bildet.

dieFurche: Haben Sie keine Angst, bestimmte Segmente des Marktes an Konkurrenten zu verlieren?

Bergmann: Nein.

dieFurche: In den letzten Jahren hat die Erzdiözese Wien unterschiedliche Medienprodukte aufgebaut. Als letztes fand vor einigen Tagen ein Relaunch der Wiener Kirchenzeitung statt.

Bergmann: Die Zielgruppen dieser Medien sind unterschiedlich: mit "_thema_kirche" erreichen wir all jene, die für Kirche aktiv unterwegs sind. Der "Dialog" hat jene im Blick, die sich zur Kirche zählen, aber nur mehr losen Kontakt haben. Zwischen diesen beiden Kreisen gibt es jene, die nicht kirchliche Aktivisten sind, aber die zum Intensivsegment gehören. Für diese, im wesentlichen die Gruppe der regelmäßigen Gottesdienstbesucher, wird die Kirchenzeitung neu positioniert.

dieFurche: Stellen diese Vorhaben nicht ein großes finanzielles Problem dar?

Bergmann: Gerade bei der Kirchenzeitung, die schwarze Zahlen schreibt, geht es darum, neu durchzustarten. Die beiden anderen Medien sind Gratismedien, aber gehören einfach zum Grundauftrag der Kirche, mit den Menschen in Kontakt zu treten. Der "Dialog" ist eine der kostengünstigsten Varianten der breiten Kommunikation. Wir dürfen unsere Mittel nicht nur in jene investieren, die von selber kommen, sondern auch in jene, die aus irgendwelchen Gründen ein distanzierteres Verhältnis haben.

dieFurche: Bei den Kirchenzeitungen gibt es neun mehr oder weniger verschiedene Produkte. Ist es noch zeitgemäß, in Österreich neunmal "verschieden" zu erscheinen?

Bergmann: Die Kirche besteht aus Diözesen, die für sich selbständig sind. Man muß aber auch diagnostizieren, daß die Welt ein Dorf geworden ist und wir als Kirche aufeinander verwiesen sind. Es ist ohnehin illusorisch zu meinen, man könne als eine Diözese unbeschadet von den anderen einen Sonderweg gehen. Es gibt ja bereits Kooperationen, wenn diese in Zukunft intensiver werden, ist das in unserem Interesse.

dieFurche: Ist der Relaunch der Wiener Kirchenzeitung auch ein Angebot in diese Richtung?

Bergmann: Der Relaunch in der jetzigen Phase ist ein Durchstarten der Zeitung, wie wir sie gemeinsam mit der Diözese Eisenstadt haben.

dieFurche: Die kirchliche Medienlandschaft zeichnet sich auch durch starken Partikularismus aus - jede Organisation hat eine eigene Publikation.

Bergmann: In den seltensten Fällen handelt es sich dabei um Zeitungen im eigentlichen Sinn, sondern um Vereinsnachrichten für bestimmte Zielgruppen. Diese Innenkommunikation kann man nicht durch gemeinsame Medien auffangen. Manche Vereine meinen jedoch, sie müßten ihre Vereinsmedien zu vollen Zeitungen ausbauen. Es wäre eine gesunde Entwicklung, wenn sich die Innenkommunikation der Vereine und Gliederungen auf das Essentielle beschränkt und die überregionale Kommunikation über die bestehenden Medien geschieht.

dieFurche: Kirche ist kein monolithischer Block, es gibt Strömungen, die zum Teil weit auseinanderdriften. Wenn Sie das überregional bündeln, so engen Sie die Bandbreite doch stark ein.

Bergmann: Es gibt ja kirchliche Medien, die nicht kirchlicher Trägerschaft sind, und die für bestimmte Strömungen stehen. Kirchliche Institutionen haben einerseits Bedarf nach Innenkommunikation und andererseits ein Interesse daran, daß ihre Aktivität über den eigenen Bereich hinaus bekannt wird. Unsere wichtigsten Multiplikationspunkte sind die Pfarren, und die sind damit konfrontiert, daß sie von 17 verschiedenen Initiativen Informationen bekommen, aus denen sie dann in aller Mühe herausklauben müssen, was für sie relevant ist. Hier kann man einiges an Synergieeffekten erzielen. In der Erzdiözese Wien hat hier "_thema _kirche" mit den Ankündigungen von überregionalen Aktivitäten einen wichtigen Schritt gesetzt.

dieFurche: In der Kirche gibt es Dissens in bestimmten Fragen. Liegt es überhaupt im Interesse eines zentralen Mediums, diesen zu kommunizieren?

Bergmann: Selbstverständlich, ich lade ein, unsere Medien durchzublättern. Beim "Dialog" gibt es den "Runden Tisch", dort sind nicht alle einer Meinung ...

dieFurche: Im "Dialog" ist auch Boulevard zu finden.

Bergmann: Ich stehe dazu, in einer zeitgemäßen Bild- und Textsprache zu versuchen, unsere Anliegen zu kommunizieren. Die jeweils aktuelle Aufgabe der Kirche ist es, die ewigen Wahrheiten in die Sprache der Zeit zu übersetzen.

dieFurche: Einerseits versuchen Sie sich im "Dialog" mit Boulevard, andererseits kommunizieren Sie große Nachrichten, z.B. ein Interview mit Kardinal Schönborn über den Fall Groer, das vorher in dieser Form nirgends zu finden war: Sie agieren also mit kirchenpolitischer Brisanz und begeben sich gleichzeitig aufs Boulevardniveau ...

Bergmann: In dieser Spannung steht jede Massenzeitung. Man tut den Menschen Unrecht, wenn man sagt, in der Sprache der Zeit kann man nur das Kinoprogramm vermitteln oder die Hitparade. Der sogenannte Boulevard hat immer einen negativen Beigeschmack; es ist aber nicht unsere Aufgabe, sich über die Menschen zu erheben, sondern wir sollten mit ihnen in derselben Augenhöhe kommunizieren.

dieFurche: Sie planen ein eigenes Radio.

Bergmann: Wir planen nicht, wir arbeiten schon daran: Wir haben "Radio Stephansdom" für den Raum Wien konzipiert. Es ist interessant, daß alle neuen Radios einander sehr ähneln, was das Programm betrifft -irgendwo zwischen "Radio Wien" und Ö3 angesiedelt. Hier wollen wir einen Kontrast schaffen und eine Oase für die Seele sein. Vom inhaltlichen Anspruch verstehen wir das nicht als Gebets- oder Verkündigungsradio im engen Sinn, sondern als ein Radio für Sinnsucher mit einer erhöhten Lebenshilfekomponente.

dieFurche: Ist das eine Abgrezung zu "Radio Maria", der anderen Radioinitiative innerhalb der Kirche, das stark auf Gebet und Verkündigung setzt?

Bergmann: Dort gibt es ein anderes Konzept. Wir hingegen wollen "Verkündigung" neu buchstabieren und scheuen uns, den Begriff Verkündigung zu verwenden, wenn man darunter versteht, eine Predigt von oben herab aufs Volk zu schmeißen. Andererseits ist jede Form, die den Menschen zur Sinnsuche bringt, Verkündigung, daher muß letztlich auch unser Radio verkündigende Wirkung haben.

dieFurche: Die Kirche ist eigentlich die einzige weltanschaulich positionierte Gruppe, die in den Radiomarkt eingestiegen ist ...

Bergmann: Aufgrund des Privatradiogesetzes haben nicht viele Institutionen die Möglichkeit, Radio zu machen. Insgesamt halte ich es für wesentlich, daß auch nichtkommerzielle Anbieter auf den Markt kommen. Denn wir stellen fest, daß ein Denkmusterwechsel in der Medienarbeit stattgefunden hat: Medien im klassischen Sinn bedeuten, daß ein Mensch oder eine Gruppe ein Anliegen kommunizieren möchte. Seitdem man aber die Medien als Markt und Gewinnquelle entdeckt hat, geht es nicht mehr darum, eine Botschaft in die Gesellschaft hineinzutragen, sondern man fragt und horcht einfach, was diese Gesellschaft eigentlich hören will, damit sie das Produkt konsumiert. Hier hat ein jäher Wechsel stattgefunden, der aber letztlich zur gesellschaftlichen Selbstinfektion führt, die einmal festgestellte Bedürfnisse ununterbrochen verstärkt. Daher ist es wichtig, auch aus einem anderen Blickwinkel Impulse in die Gesellschaft zu tragen.

dieFurche: Warum versuchen Sie nicht, mit dieser Philosophie in die neuen Radiosender hineinzugehen?

Bergmann: Das ist ein anderer Weg, den wir auch gehen: Wir arbeiten mit der evangelischen Kirche gemeinsam im Projekt "Studio Omega", das ein Anbieter für Beiträge an Privatradios ist. Zwei Privatradios haben regelmäßige Plätze, wo die Beiträge übernommen werden.

dieFurche: Welche Radios sind das?

Bergmann: Das sind "88.6" am Sonntagabend und "Rpn" mit mehreren Kurzeinheiten am Sonntagvormittag. Es gibt aber auch Gespräche mit der "Antenne Wien".

dieFurche: Radio Stephansdom wird ein katholisches Radio sein?

Bergmann: Radio Stephansdom ist von seiner Trägerschaft eine Stiftung der katholischen Kirche. Daß wir inhaltlich der Ökumene verpflichtet sind, sollte spätestens seit dem II. Vatikanum eine Selbstverständlichkeit sein.

dieFurche: Liefern Sie mit dieser Art von Radioarbeit dem ORF nicht den Vorwand dafür, sich aus der Kirchenberichterstattung immer mehr zurückzuziehen?

Bergmann: Mit Sicherheit nein. Der ORF würde seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag in Frage stellen, würde er das tun. Der ORF kann ja auch nicht aufhören, internationale Nachrichten zu bringen, weil CNN empfangen werden kann ...

dieFurche: Aber der ORF könnte - etwa bei der Frage der Gottesdienstübertragungen - darauf verweisen, daß die Kirche dazu ihren eigenen Sender habe?

Bergmann: Die Frage stellt sich dann, wenn die Kirche ein österreichweites Programm hätte. Wir senden aber nur in Wien. Außerdem sind religiöse Inhalte in den letzten Jahren im ORF immer mehr unter Druck geraten, werden den Quoten geopfert: Das ist eine bedenkliche Entwicklung gegen die wir ankämpfen müssen - mit oder ohne "Radio Stephansdom".

Das Gespräch führte Otto Friedrich.

(Zum Relaunch der Wiener Kirchenzeitung siehe auch Seite 12 in dieser Furche)

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