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Schottenabt heinrich ferenczy über die Spiritualität des Ordensgründers Benedikt von Nursia (480-547) und die Bedeutung von Klöstern für die Kirche heute.

Die Furche: "Bete und arbeite - ora et labora" lautet die Kurzformel für die Regel des Hl. Benedikt. Wie lässt sich das in die heutige Zeit übersetzen?

Abt Heinrich Ferenczy: Nun, mit dem einen haben wir ja kein Problem - die Menschen arbeiten, arbeiten, arbeiten. Das Beten kommt heute ganz sicher zu kurz: Morgen-, Abend-, Tischgebet - das ist weitgehend verschwunden, warum auch immer. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Aber ich glaube, dass der Mensch aufhört Mensch zu sein, wenn er aufhört zu beten. Die Verwiesenheit auf größere Zusammenhänge, in denen er steht, ist eine wesentliche Dimension des Menschen - und das hat auch der Hl. Benedikt gewusst. Es geht um die Ausgewogenheit zwischen meiner Arbeit, von der ich lebe, und einer Haltung, die etwas signalisiert, was für den Menschen eigentlich noch wichtiger ist.

Die Furche: Was würde Benedikt uns Heutigen sagen?

Ferenczy: Er würde ganz sicher genauso den Akzent auf das Gebet legen; und er würde unsere unzähligen Verpflichtungen, unseren Terminkalender stark reduzieren. Er würde sagen: Nimm Dir mehr Zeit für Dich selbst, und geh nicht auf in Deiner Geschäftigkeit, die Dich Dir selbst entfremdet.

Die Furche: Die Ordensregel spricht sehr viel von Gehorsam. Damit tun wir uns heute nicht leicht...

Ferenczy: Gehorsam ist die Fähigkeit, auf den anderen hinzuhören. So klingt das schon viel friedlicher. Gehorsam hat nichts mit Befehlsempfängertum zu tun, mit einer Vertikale von oben nach unten. Das sind alles Bilder, die aus der Kaserne kommen, aber nicht zu einem Kloster passen. Wenngleich es natürlich in der Geschichte der Kirche solche Auffassungen gegeben hat: Unterwürfigkeit, Entpersönlichung von Menschen - das hatten wir alles.

Die Furche: Was ist, wenn der eigene Wille sich mit dem der Oberen kreuzt?

Ferenczy: Benedikt geht darauf sehr genau ein: Der Mönch soll seine Bedenken vorbringen, wenn die Differenz jedoch nicht ausgeräumt werden kann, die Entscheidung des Abtes zur Kenntnis nehmen. Das haben wir ja auch im alltäglichen, "weltlichen" Leben: Wie oft stoßen wir an Grenzen unserer Entfaltungsmöglichkeiten! Aber: Ein Gehorsam als Selbstzweck, der nur geleistet wird, weil etwas befohlen wurde, ist sogar unmoralisch. Gehorsam im Kloster hat viel damit zu tun, dass der Abt mit gutem Beispiel vorangeht - im Dienst an der Gemeinschaft. Darin sollen ihm die Mönche folgen; tun sie es nicht, muss er natürlich etwas sagen, wichtig dabei ist die Transparenz seines Handelns.

Die Furche: Ein Merkmal der Benediktiner ist die Bindung an ein bestimmtes Kloster, die stabilitas loci, die Ortsfestigkeit, wenn man so will. Was bedeutet das in einer Zeit rasender Mobilität, höchstmöglicher Flexibilität?

Ferenczy: Zunächst einmal heißt stabilitas, dass ich einen fixen Ort habe, an dem ich lebe, aber nicht, dass ich unbedingt an diesen Ort gebunden bin; so gab es schon in der Frühzeit des Ordens missionierende Mönche. Aber die Idee Benedikts war, in der Zeit der Völkerwanderung, in einer äußerst unruhigen Zeit also, feste Punkte zu schaffen. Und das ist auch heute ein wichtiger Gedanke: dass es inmitten all der Fluktuation Orte gibt, wo Gemeinschaft gelebt, wo regelmäßig gebetet wird, wo man Menschen trifft, mit denen man reden kann.

Die Furche: Nun ist das Schottenstift im Unterschied zu anderen Klöstern inmitten einer pulsierenden Großstadt angesiedelt. Wie wirkt sich das auf das Klosterleben aus?

Ferenczy: Man muss das Positive sehen - die vielen Möglichkeiten und Angebote einer Stadt; aber man kann auch nicht leugnen, dass Stille und Kontemplation hier sicher mehr gefährdet sind als in einem Kloster auf dem Land. Wenn es soweit käme, dass ich es mit mir allein nicht mehr aushalte in meiner Zelle, dann wäre das bedenklich. Insgesamt ist der Konvent hier in der Stadt sicher vor höhere Ansprüche gestellt. Wir haben es mit wichtigen Verantwortungsträgern, Multiplikatoren, opinion leaders zu tun - das verlangt von jedem Einzelnen ein bestimmtes Maß an Bildung, kritischem Denken etc. "Naive Frömmigkeit" lässt sich da nicht leicht "verkaufen".

Die Furche: Johann B. Metz hat vor vielen Jahren einmal von einer "Zeit der Orden" gesprochen. Was ist heute die Aufgabe der Orden in der Kirche?

Ferenczy: Klöster sind Kirche im Kleinen. Die Kirche wird immer mehr eine Kirche kleiner Gemeinschaften sein müssen, die flächendeckende Kirche alter Prägung hört sich langsam auf. Diese kleinen Gemeinschaften setzen sich am Tisch zusammen, ihre Mitglieder kennen einander und pflegen regen Austausch untereinander. So war es ja auch ursprünglich: Die Christen sind in den Wohnungen zusammengekommen, wie man in der Apostelgeschichte nachlesen kann. Damit nähern wir uns einer sehr heiklen Frage, nämlich der nach der Weihe. Wenn Christen gemeinsam das Brot gebrochen haben, war das dann eine Eucharistie? Geweihter Priester war ja keiner dabei. Die Frage stellt sich auch für Klöster: Etliche, die zu uns kommen, wollen gar nicht geweiht werden. Wir werden sehen, was sich aus dem Ganzen entwickelt. Ich habe da überhaupt keine Angst, der Hl. Geist hat die Kirche immer noch geleitet, und was wir im Moment erleben, sind auch Zeichen, die uns nachdenklich machen sollten. Die Methode, den weniger werdenden Priestern immer mehr Pfarren "umzuhängen", ist jedenfalls ein Unding. Und der Pfarrer, der irgendwo in seinem Pfarrhof vereinsamt, ist ja eigentlich ein Zerrbild von Kirche. Demgegenüber glaube ich, dass der monastische Lebensstil Zukunft hat, denn der Mensch braucht Gemeinschaft.

Das Gespräch führte Rudolf Mitlöhner.

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