Kirche: Krank vor Kulturargwohn?

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Klerus - das ist das ganze christliche Volk! Zumindest im 1. Petrusbrief. Denn die Frohe Botschaft besteht auch darin, daß durch Christus die ganze Wirklichkeit geheiligt ist, nichts mehr "laikos", also nichts mehr vom Gottesdienst ausgeschlossen ist! Das Neue Testament überwindet die Spaltung in heilig und profan: es gibt nur mehr Menschen, die durch Christus erlöst und geheiligt sind - keine Laien und Kleriker.

In seinem rundum gelungenen Buch "Die Stunde der Laien" führt der Pastoraltheologe Leo Karrer (Fribourg/ CH) durch die Geschichte eines Standes in der Kirche. Karrer zeigt, wie mit der stetigen Enteignung der Laien das wiederkehrt, was Jesus überwinden wollte. "Laie" wird zum Ausgrenzungsbegriff, ein Priesterstand entsteht. "Es gibt zwei Arten von Christen. Die eine Art ... muß von allem weltlichen Lärm frei sein, das sind die Kleriker und Könige ... die anderen sind die Laien.", heißt es in einem Dekret Papst Gratians III. (11. Jahrhundert).

Auch heute ist, so Karrers Diagnose, die Lage der Laien prekär: eine Kirche, die Laien nur als Notlösung oder Instrument der Glaubensverkündigung betrachtet, wird Jesu Anliegen untreu. Denn hinter der Trennung von Laien und Klerus verbirgt sich eine unchristliche, dualistische "Zweistockreligiosität". Karrer unterzieht die derzeitige Struktur einer scharfen Kritik und spricht diese ohne Beschönigung aus: als "freiheitsresistent" erweise sich das System, es "kranke an Kulturargwohn" und "nähre mit seinen theologischen Sprachverboten (Frauenordination) stets neu den Verdacht, gegen das Denken zu sein".

Das Christentum brauche eine neue Sozialgestalt - auch für die Laien. Die Zeiten eines geschützten Milieus für Katholiken in Pfarre und Gemeinde sind vorbei. Vielfältige Formen sind gefragt, Professionalisierung ist notwendig. Die Kirche muß hinaus zu den Leuten! Elitekirche, Expertenherrschaft, Ämterkumulation sind die Versuchungen der Stunde. Statt etwa eigene Radioprogramme zu betreiben, könnten sich Christen in den säkularen Medien engagieren und dort Qualitätsarbeit erbringen. - Karrers Buch ist ein engagiertes, sachlich fundiertes Plädoyer für eine zeitgemäße Kirche. "Gelassen und phantasievoll" sollen alle daran mitwirken, daß Gott seinen Weg zu den Menschen finden kann. Ein Pflichtbuch für alle kirchlich Engagierten!

Die Stunde der Laien. Von der Würde eines namenlosen Standes. Von Leo Karrer. Verlag Herder, Freiburg 1999. 352 Seiten, kt., öS 291,-/e 21,15

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