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Kirche nach der „ Wende“

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Alle drei Jahre treffen sich Priester, die ehemals bei ihrem Romstudium im Kolleg der „Anima“ wohnten. Vor wenigen l agen war dies in Thüringen, nahe bei Gotha. Wir besuchten Weimar, Eisenach mit der Wartburg und vor allem Erfurt. Zwei Begegnungen gaben die Situation der Katholiken in den „neuen Bundesländern“ besonders wieder.

Im Regionalseminar in Erfurt trafen wir den Regens. Seit 1952 besteht hier eine kircheneigene Theologisch-Philosophische Hochschule mit einem Priesterseminar für das gesamte Gebiet der ehemaligen DDR. 1959 bereiteten sich trotz erheblicher Erschwernisse durch das Regime 300 auf das Priesteramt vor, heute nur mehr 65. Nach der „Wende“ kamen nicht, wie erwartet, mehr, einige traten sogar aus dem Seminar aus, „weil die Kirche nun ihre protesthafte Stellung verloren“ habe. Der geistig-religiöse Aufbruch blieb aus.

Derzeit gibt es in dieser Region fünf Prozent Katholiken, 20 Prozent evangelische Christen, von der jüngeren Generation sind 75 Prozent ungetauft. Was hier wohl „Neuevangelisierung“ heißt? Oder ist die Situation gar nicht so anders als bei uns, wo Kinder getauft werden, deren Eltern oft kaum mehr glauben?

Im Erfurter Dom feierten wir mit Bischof Joachim Wanke Eucharistie. In seiner Predigt sprach er von der Kraft des Glaubens, irdische Gegebenheiten zu relativieren: das gelang im Kommunismus; warum nicht auch in den „Versuchungen des freien Marktes“?

Einst war der „Feind“ exakt lokalisiert, der Sturm wehte aus einer Richtung, die Strategie war klar. Heute bläst der Kirche von vielen Seiten kalter Wind ins Gesicht. Früher sagten die „Feinde“: „Wir wollen nicht, daß ihr Christen seid.“ Heute heißt es: „Es ist ganz gleich, was jeder glaubt.“

Die letzten 50 Jahre hatten die Katholiken in ein Ghetto getrieben. Es gehört nun Mut dazu und eine neue Strategie, einen offenen Dialog mit einer „neuen Gesellschaft“ zu führen und als so kleine Minorität doch die Mitgestaltung zu wagen. Man hat sich die Zeit nach einer Wende anders vor gestellt.

Und doch strahlen der Bischof und die „Seinen“ Zuversicht aus. Den neuen Herausforderungen will man sich aus dem Glauben stellen. Erfurt ist kürzlich eigenständige Diözese geworden. Bei aller Offenheit zum „Westen“ wird Kirche hier aufgrund der eigenen Erfahrungen auch eigene Wege gehen. Wir können davon nur lernen.

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