"Kirchenbild der Kreuzzüge"

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Ein "seltsamer Konflikt" sind für Metropolit Kiril, "Außenminister" der russisch-orthodoxen Kirche, die Spannungen zwischen Moskau und Rom.In Wien erklärte Kiril die orthodoxen Positionen dazu und stellte die Sozialdoktrin seiner Kirche vor.

Er gilt als die Nummer 2 der russisch-orthodoxen Kirche und als heißer Tipp für die Nachfolge von Patriarch Aleksij II.: Metropolit Kiril von Smolensk und Kaliningrad, der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, bezeichnete bei seinem Wienbesuch auf Frage der Furche das gegenwärtige Verhältnis zwischen Rom und Moskau als "sehr ungewöhnliche Situation" und als "seltsamen Konflikt": "Wenn wir mit unseren Kollegen aus dem Vatikan zusammentreffen, da kommen wir ohne große Schwierigkeiten zu erstaunlichen Resultaten." Auf "theoretischem Gebiet", so Kiril weiter, gebe es - außer einigen dogmatischen Unterschieden - zwischen der Orthodoxie und der katholischen Kirche wenig Belastendes. Von 1989 bis 2001 habe jährlich ein offizieller Dialog stattgefunden: "Mit keiner anderen Kirche hatte die katholische Kirche so einen intensiven Dialog!" Nach Kirils Worten ist es ein "Mythos", dass die katholische Kirche den Dialog anbiete, aber die russische Orthodoxie diesen verweigere.

"Kein einziges Ergebnis"

Mit Wortgewalt resümierte Kiril jedoch: "Wir konnten leider kein einziges Ergebnis dieses Dialogs in die Wirklichkeit umsetzen." Auf Nachfrage der Furche, was damit gemeint sei, präzisierte der Metropolit: Man habe etwa vereinbart, dass Rom alle Pastoralprojekte in Russland und der Ukraine mit der russisch-orthodoxen Kirche vorab besprechen werde. Doch als Rom die Erzdiözese Moskau und andere Diözesen auf russischem Gebiet errichtete, habe man das entweder aus den Medien oder - bestenfalls - durch eine Mitteilung des Nuntius unmittelbar vor diesen Maßnahmen erfahren. Über solche Vorgangsweisen zeigte sich Kiril sehr enttäuscht.

Besteht da noch die Chance auf einen Papstbesuch in Moskau? Der russisch-orthodoxe "Außenminister" meinte, dass es dazu keine theologischen Vorurteile gebe. Aber erneut verwies Kiril auf vergangene Erfahrungen: Schon 1997 war in Wien eine Begegnung zwischen Aleksij II. und Johannes Paul II. geplant, alles Protokollarische sei geklärt gewesen, doch plötzlich, sei eine gemeinsame Erklärung, die der Patriarch und der Papst unterzeichnen sollten, vom Vatikan torpediert worden. Man wolle daher, so Kiril, erst dann ein Treffen mit dem Papst, wenn die Möglichkeiten einer solchen Begegnung "maximal genutzt" werden könnten.

Empfindlich gegenüber Rom

Warum die russische Orthodoxie so empfindlich gegenüber Rom reagiere, viel empfindlicher als bei protestantischen Sekten in Russland? Der Metropolit erklärte das mit der großen Nähe zwischen beiden Kirchen: Nach der Ekklesiologie des II. Vatikanums betrachte Rom die Orthodoxen als Schwesterkirchen. Der katholischen Kirche in Russland warf Kiril aber ein Verhalten vor, das nicht diesem Kirchenbild entspricht: "Ihr missionarisches Arbeiten in Russland erinnert uns an die Ekklesiologie der Kreuzzüge!"

Das Journalistengespräch mit dem Metropoliten fand am Rande einer von der Stiftung "Pro Oriente" veranstalteten Enquete über die russisch-orthodoxe Sozialdoktrin statt. Das Klima bei dieser Tagung und der Gespräche dort ließen keine Eiszeit-Gefühle aufkommen. Metropolit Kiril präsentierte bei der Enquete und bei einem öffentlichen Vortrag die Sozialdoktrin seiner Kirche aus dem Jahr 2000. Auch bei den Sozialthemen zeigte sich, dass es - wie Metropolit Kiril schon den theologischen Dialog zwischen beiden Kirchen an sich charakterisiert hatte - kaum Friktionen gibt. Kardinal Christoph Schönborn würdigte bei der Enquete das russische Dokument, das weniger eine "Doktrin" als ein "Sozialkonzept" der russisch-orthodoxen Kirche darstelle. Schönborn verglich das Dokument denn auch mit dem "Mariazeller Manifest" von 1952, das für Österreichs katholische Kirche ein ähnlich zukunftsweisender Meilenstein war.

Metropolit Kiril berichtete, dass die Sozialdoktrin der Versuch seiner Kirche sei, mit der Gesellschaft in Dialog zu treten. Dieser Versuch sei bislang sehr positiv aufgenommen worden. Beim Journalistengespräch betonte Kiril - im Blick auf die kommenden Wahlen in Russland - die in der Sozialdoktrin enthaltene Forderung nach einer Unterscheidung der Aufgaben von Kirche und Staat. Gerade vor Wahlen würden viele politische Kräfte versuchen, die Kirche zu instrumentalisieren. Doch die Kirche könne sich auf keine Seite stellen, sie unterstütze auch keine "orthodoxe" Partei.

Kirche fürs ganze Volk

Kiril: "Das einzige Wort der Kirche lautet: Friede sei mit euch allen! Denn unsere Herde ist das ganze Volk - und das besteht aus Rechten, Linken, Demokraten und auch Kommunisten..."

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