Vatikan - © Pixabay / Annett_Klingner

Kirchenvolksbegehren und "Wir sind Kirche": Zehn Jahre später mischen sich Hoffnung und Frustration

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Unter dem Eindruck der Papstwahl beging die Plattform "Wir sind Kirche" das Zehnjahr-Jubiläum des Kirchenvolksbegehrens. Es gibt viel Zuversicht und Hoffnung, aber auch Unzufriedenheit und Frustration. Zehn Jahre vergingen und noch heute sind die Aktivistinnen und Aktivisten kein bisschen leise.

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Unter dem Eindruck der Papstwahl beging die Plattform "Wir sind Kirche" das Zehnjahr-Jubiläum des Kirchenvolksbegehrens. Es gibt viel Zuversicht und Hoffnung, aber auch Unzufriedenheit und Frustration. Zehn Jahre vergingen und noch heute sind die Aktivistinnen und Aktivisten kein bisschen leise.

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Im Frühling 1995 ging ein Ruck durch Österreichs katholische Kirche: Unzufriedene Gläubige starteten ein Kirchenvolksbegehren. Die damalige Situation war geprägt durch den Skandal um den Wiener Erzbischof Kardinal Hans-Hermann Groër und den Unmut über die Ernennung Kurt Krenns zum Bischof von St. Pölten. In beiden Fällen blieb die Amtskirche hart und verweigerte den Dialog.

Ausgehend von Innsbruck organisierten Thomas Plankensteiner, Martha Heizer und Bernadette Wagnleither das Kirchenvolksbegehren, das fünf zentrale Forderungen wie Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche, Freistellung des Zölibats und die Überwindung der Kluft zwischen Klerus und Laien aufstellte. Über 500.000 Katholiken unterschrieben das Volksbegehren und verliehen den Forderungen dadurch Nachdruck.

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Heute, zehn Jahre später, stellt sich die Frage, was durch das innerkirchliche Volksbegehren und die anschließende Gründung der Plattform "Wir sind Kirche" erreicht wurde. Um darüber zu diskutieren und so eine "kritische Standortbestimmung" vorzunehmen, veranstaltete "Wir sind Kirche" letztes Wochenende ein Symposium.

"Strukturelle Sünden"

"Die Härte gegen Menschen in schwierigen Situationen ist ein Widerspruch in der Kirche", verurteilt Thomas Plankensteiner den Umgang der Kirche mit geschiedenen Wiederverheirateten. Die Kirche verkünde einen Gott, der für die gleiche Würde aller Menschen stehe. Es sei deshalb auch unverständlich, warum Frauen von Weiheämtern ausgeschlossen würden. "Die Kirche lebt in struktureller Sünde", verurteilt Plankensteiner das Verhalten der Amtskirche. Sie würde dadurch ein verzerrtes Gottesbild schaffen, das den Menschen den Zugang zum Evangelium erschwere. Es gehe bei den Forderungen der Plattform nicht um den Zeitgeist oder die Modernisierung, sondern um die Evangelisierung, betont er.

Bruno Primetshofer, Professor für Kirchenrecht, meint, dass er die Forderungen des Kirchenvolksbegehrens zwar durchaus verstehe. Er habe aber auch ein Problem mit dem Ton der Formulierung der Anliegen. Dieser klinge nämlich mehr nach "Revolution" als nach "Evolution", fügt der Kirchenrechtler kritisch hinzu. "Moderata durant. Das Maßvolle überdauert", sagt er und fordert eine gemäßigtere Sprache ein - um Reformen leichter zu ermöglichen. Er könne sich zum Beispiel die Weihe von Frauen in Zukunft durchaus vorstellen. Die Zeit dafür sei aber noch nicht reif, da der Großteil des Kirchenvolks noch nicht bereit sei für Frauen als Priester. "Die Kirche muss auch denen eine Stütze sein, die sich schwer tun, Neues anzunehmen", betont er.

Die Plattform "Wir sind Kirche" legt Wert auf den Dialog. Dieser darf auch selbstkritisch geführt werden. Deshalb kommt Kritik auch nicht nur von außen. Auch bekennende Unterstützer des Volksbegehrens halten damit nicht hinter dem Berg: Traude Novy, ehemalige Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung der Erzdiözese Wien, fehlt der befreiungstheologische Ansatz in den Forderungen des Kirchenvolksbegehrens. Sie wünsche sich eine Öffnung hin zu den Fragen der Zukunft der Welt. "Die Kirche soll sich in die Wirtschaft und Politik durchaus einmischen", und das Kirchenvolk solle die Obrigkeit an diese Aufgabe erinnern, fordert sie.

"Keine Kirche von unten"

Der Dogmatikprofessor Bertram Stubenrauch hat trotz, wie er meint, teilweise berechtigter Reformwünschen "keine Freude mit dem Kirchenvolksbegehren". Laut ihm könne es keine hierarchielose Kirche, keine Kirche von unten geben. Forderungen, wie etwa nach der Freistellung des Zölibats, könne aber aus seiner Sicht nachgekommen werden. Wenn der Zölibat auf Freiwilligkeit basiere, müsse für ihn jedoch als Lebensform geworben werden, meint der Dogmatikprofessor.

Kirchenvolksbegehren wurden mittlerweile auch in zahlreichen anderen Staaten, zum Beispiel in Deutschland und den USA, erfolgreich abgehalten. Dass es aber in Österreich seinen Anfang nahm, verwundert den Journalisten Peter Pawlowsky keineswegs: "Österreich hat eine jahrhundertelange Erfahrung mit dem Schisma zwischen oben und unten." Dieses reiche bis zur Gegenreformation zurück, erklärt Pawlowsky. Die Folge daraus sei Unterwürfigkeit, obwohl sich im Untergrund andere Meinungen bewahren würden. "Daraus entsteht die Ambivalenz zwischen der Unterwürfigkeit und der Heftigkeit der Meinung - wenn sie einmal losbricht", erklärt der Journalist die in Österreich besonders vehemente Einforderung von Reformen in der Kirche.

Ob die Plattform in den nächsten zehn Jahren mehr Gehör für ihre Reformwünsche erhalten wird, scheint alles andere als sicher. Sicher aber ist es, dass sie weiterhin den Dialog suchen wird, um Reformen zu erreichen.

Wunsch nach Einsatz für Gerechtigkeit

Vor zehn Jahren wurde Jacques Gaillot als Bischof von Evreux wegen "unbequemer" Ansichten abgesetzt. Seither ist er Titularbischof der Diözese Partenia, die im 5. Jahrhundert im Sand Algeriens unterging. Die FURCHE traf ihn am Rande des Kirchenvolksbegehren-Jubiläums zum Gespräch über seine Erwartungen an Papst Benedikt XVI., über Gerechtigkeit und die Anerkennung der Gleichwertigkeit von Mann und Frau. Das Interview lesen Sie hier.

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