Kirchliches Sittenbild

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Ein gut recherchiertes Buch über die Aktivitäten des St. Pöltner Bischofs legt den Finger auf eine Wunde der Kirche Österreichs.

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Ein gut recherchiertes Buch über die Aktivitäten des St. Pöltner Bischofs legt den Finger auf eine Wunde der Kirche Österreichs.

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Kann man Kurt Krenn, der am meisten polariserenden Gestalt der katholischen Kirche Österreichs, auf die Spur kommen? Norbert Stanzel, stellvertretender Innenpolitik-Chef beim "Kurier" (und früherer Furche-Redakteur), legt in seinem Buch "Die Geißel Gottes - Bischof Kurt Krenn und die Kirchenkrise" den jüngsten Versuch dazu vor. Stanzel, ausgewiesener Kenner der Kirchenszene und -krise, war nicht zuletzt auch am Ausbruch des Konflikts zwischen Kardinal Schönborn und Bischof Krenn im November 1998 in Rom beteiligt: Der "Kurier"-Journalist berichtete damals vom Adlimina-Besuch der österreichischen Bischöfe und zitierte dabei den Zorn Schönborns über seinen Amtsbruder Krenn: Dieser hatte behauptet, den Adlimina-Bericht, den die Bischöfe nach Rom mitnahmen, nicht gekannt zu haben. Krenn müsse "Buße tun" brachte die dazugehörige "Kurier"-Schlagzeile die Kardinalskritik auf den Punkt. Kurt Krenn quittierte dies tags darauf im ORF, "die Lügner" sollten "das Maul halten" ...

Das Verhalten des St. Pöltner Bischofs im November 1998 ist Teil einer langen Reihe durchaus ähnlich gelagerter Vorfälle. Norbert Stanzel listet penibel die Chronique scandaleuse der Kirche Österreichs auf, die mit dem Namen Kurt Krenn übertitelt ist. Genau ein Jahr, nachdem im Molden-Verlag Hubertus Czernins "Buch Groer" (vgl. Furche 23/1998) erschienen ist, gelingt Norbert Stanzel somit eine ebenso peinlich genaue Fortsetzung. Ein Unterschied: Die Vorwürfe gegen Hans Hermann Groer waren anderer Dimension - daher ist er aus der Öffentlichkeit verschwunden. Kurt Krenn hingegen wirkt in voller Schaffenskraft ...

Beobachter kirchlicher Vorgänge in Österreich werden in "Die Geißel Gottes" wenig grundsätzlich Neues in bezug auf den St. Pöltner Oberhirten entdecken. Die Stärke von Norbert Stanzels Buch liegt aber in der Zusammenschau und der Fülle der Spuren, die Bischof Krenn in Österreichs Kirche und Öffentlichkeit hinterlassen hat. Neben einer Chronik der Bischofsquerelen Ende 1998/Anfang 1999, aus denen, so die Einschätzung Stanzels, Kurt Krenn als klarer Punktesieger hervorgegangen ist, findet sich viel weiteres Material.

Und die Wahrheit ...

Wie der Regensburger Philosophieprofessor Kurt Krenn als Weihbischof nach Wien und dann als Diözesanbischof nach St. Pölten kam, ist in kompakter Form nachzulesen. Stanzel weist in diesem Zusammenhang auch nach, daß Krenns theologische Kompetenz vor seiner Bischofszeit nicht ganz so berühmt ist, wie der auf Rechtgläubigkeit und Wahrheit pochende Bischof gerne vermitteln würde.

Und die Wahrheit. Welche Wahrheit? Stanzel spricht bei mehreren Fällen von Unwahrheiten Kurt Krenns, ein Kapitel des Buches ist mit "Wahrheit versus Ehrlichkeit" übertitelt. Und der Autor kommt zum Schluß: "Wie kann jemand den Anspruch auf Glaubenswahrheit stellen, der mit der Ehrlichkeit so (wie Krenn, Anm.) umgeht?" Wichtig und dementsprechend hoch einzuschätzen ist auch das Kapitel über die mediale Präsenz Kurt Krenns - als Christianus in der "Kronen Zeitung" ebenso wie als Herr über ein Medienimperium in Niederösterreich.

Konzil lebendig?

Das Buch ist spannend, aber dennoch nicht leicht zu lesen. Wahrscheinlich ist es für kirchliche Nicht-Insider auch gar nicht so relevant, wie etwa der Machtkampf Schönborn-Krenn sich im Detail darstellt. Andererseits stellt Stanzel gut dokumentiert dar, welche politischen Implikationen die Aktivitäten Kurt Krenns für die österreichische Kirche und Gesellschaft haben - auch wenn man die Konklusion Norbert Stanzels nicht teilt; der Autor kommt nämlich zum Schluß: Gerade wegen Kurt Krenn konnte sich der "liberale" Kirchenflügel so profilieren, daß letztendlich das Zweite Vatikanische Konzil im österreichischen Gottesvolk lebendiger denn je sei.

Von den auch im Buch abgedruckten Interviews und Dokumentationen stechen das Gespräch mit St. Pöltens Altbischof Franz Zak heraus sowie das Gedächtnisprotokoll des Göttweiger Priors Gottfried Schätz, in dem dieser Bischof Krenn über sexuelle Handlungen von Kardinal Groer berichtet - was der St. Pöltner Bischof in eine Beschuldigung gegen Schätz ummünzt.

An den Erzählungen Bischof Zaks berührt vieles, unter anderem, wie er sich vom Nuntius als belogen erfuhr. Allein dieses Sittenbild über den Umgang an der Kirchenspitze läßt mehr als einen schalen Nachgeschmack zurück: Es mag schon sein, daß die von vielen kritisierten Aktivitäten Kurt Krenns oder auch das von Bischof Zak zitierte Verhalten des Nuntius im - kirchengeschichtlichen - Vergleich harmlose Episoden sind. Dennoch sollten in einer auf Wahrheit und Moralität pochenden Institution derartige Zustände wohl kaum möglich sein.

Norbert Stanzels Krenn-Buch - der Protagonist weigerte sich übrigens, dem Journalisten zum Gespräch zur Verfügung zu stehen - löst die Situation nicht, sondern legt den Finger auf eine Wunde der Kirche Österreichs. Das ist notwendig. Auch wenn es schmerzt.

DIE GEISSEL GOTTES. Bischof Kurt Krenn und die Kirchenkrise. Von Norbert Stanzel. Molden Verlag, Wien 1999. 208 Seiten, geb., öS 269,- e 19,55

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