Kitschig und schalkhaft fröhlich

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Großflächig inserierte der ORF für den Film "Die Bibel - Jesus", der am Gründonnerstag und Karfreitag gezeigt wurde. Obwohl das TV-Opus ein Millionenpublikum erreichte, sollten kritische Fragen an das Projekt und seine Ausführung nicht ausbleiben.

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Großflächig inserierte der ORF für den Film "Die Bibel - Jesus", der am Gründonnerstag und Karfreitag gezeigt wurde. Obwohl das TV-Opus ein Millionenpublikum erreichte, sollten kritische Fragen an das Projekt und seine Ausführung nicht ausbleiben.

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Der ORF bewarb das Ereignis wie kaum sonst eine Produktion: In zahlreichen Anzeigen wies die heimische Medienanstalt auf den Jesus-Film hin, der am Gründonnerstag und Karfreitag auf ORF 2 lief; tatsächlich versammelten sich an beiden Tagen jeweils mehr als 800.000 Zuschauer vor den Bildschirmen. Ein Monumentalfilm, der 290 Millionen Schilling an Produktionskosten verschlang (an manchen Tagen waren 1.100 Statisten im Einsatz), auch der ORF beteiligte sich, wesentlicher Produzent war ein Unternehmen des deutschen Medienmoguls Leo Kirch.

ORF-General Gerhard Weis rechtfertigte die Teilnahme seiner Anstalt an der Verfilmung des Jesus-Lebens mit dem "Bildungsauftrag" des ORF und "seinem Auftrag gegenüber Glaubensgemeinschaften und gläubigen Menschen". Und Franz Küberl, von der katholischen Kirche entsandter ORF-Kurator, sprach dankend davon, daß es "ein Werteanzeiger" sei, wenn der ORF den Film "Die Bibel - Jesus" zu Ostern im Hauptabendprogramm zeige. Trotz derartiger Einschätzungen bleibt die Frage, ob das gepriesene Filmwerk die seriöse Auseinandersetzung mit Jesus und dem Christentum adäquat weitertreibt.

"Die Bibel - Jesus" ist bereits der 18. Teil einer "Verfilmung der ganzen Bibel", die Medienunternehmer Leo Kirch seit Jahren - mit beträchtlichem Quoten- und Verkaufserfolg - betreibt. Von der Schöpfung über Abraham, Moses, David bis zu Jeremia und Esther wurde "die Bibel" bereits verfilmt. Der Anspruch, "die ganze Bibel" als Film machen wollen, zeigt aber schon die wesentliche Schwierigkeit auf, sich dem religiösen Erbe der Juden und der Christen zu nähern: Man kann wohl biblische Gestalten und biblische Begebenheiten mit den Mitteln des Films beleuchten. Mehr aber nicht.

Obigem Anspruch, der durch die enormen Mittel, die in die Produktion gesteckt wurden, noch verstärkt wird, kann "Die Bibel - Jesus" nicht gerecht werden. Das Leben Jesu in leichter Filmform möglichst authentisch und nachvollziehbar zu machen: All das ist so nicht unter einen Hut zu bringen.

"Ein Jesusfilm kann nicht einfach dem Wortlaut der Evangelien folgen, auch wenn er es sich zur Aufgabe setzt, ihre Botschaft möglichst getreu wiederzugeben", geben die Produzenten selbst zu: "Es war unumgänglich, an entscheidenden Stellen Szenen zu erfinden ..." Diese Zugangsweise sagt schon viel aus. Daneben liest man in den "Produktionsnotizen", daß Regisseur Roger Young an zwölf Orten gedreht hat, "die die archaische Atmosphäre am besten widerspiegeln".

Text oder Erfindung?

Ein Hauptproblem dieses Jesus-Films ist, daß er sich nicht wirklich zwischen Texttreue und freier Erfindung entscheiden kann. Verschiedene Episoden rund um Jesus werden ziemlich genau wiedergegeben, andere sind der Phantasie der Drehbuchautoren (Suzette Couture und Roger Young) entsprungen. Den Tod des Josef (Armin Mueller-Stahl) findet man in der Bibel vergebens, auch folgendes kann man zwar im Drehbuch, nicht aber in der Bibel lesen: Pilatus und sein Spion Lysias planen den Tod Jesu und bringen die jüdische Obrigkeit dazu, ihn auszuliefern und seinen Tod zu fordern.

Der freizügige Umgang mit der Vorlage zeigt sich auch darin, daß Begebenheiten und Zitate aus den Evangelien zwar vorkommen, aber nicht dort, woher sie ein Bibelkundiger kennt. Etwa Rudimente der Geschichte vom Zöllner Zachäus, bei dem Jesus zu Gast ist: Diese wird im Film in die Begegnung Jesu mit Matthäus (der ja auch ein Zöllner war) hineingedichtet.

Es ist klar, daß die komplexen biblischen Zusammenhänge nicht leicht in einen Film zu fassen sind. Andererseits gibt es in den Evangelien genug "Action", sodaß auch ein massenpublikumstauglicher Film daraus schöpfen kann. Regisseur Young tut dies auch immer wieder und setzt daneben - allerdings auch hier nicht immer einsichtig - verschiedene Mittel ein, um Zeitbrüche aufzufangen: Rückblenden zeigen die Geburt Jesu in Betlehem oder den Besuch der drei Könige beim Neugeborenen (nicht der "Weisen", von denen in der Bibel eigentlich die Rede ist).

Andere Episoden werden - ganz nebenbei - erzählt, etwa die Erweckung der Tochter des Jairus oder die wunderbare Brotvermehrung: Einerseits ist dies positiv zu vermerken, denn eine allzu realistische "Darstellung" der Wunder Jesu kann leicht ins Banale abgleiten (der Film ist bei jenen Wundern, die er zeigt, da selbst nahe dran). Andererseits drängt die Beiläufigkeit, mit der diese Erzählungen vorgebracht werden, auch zentrale Aussagen der Evangelien (etwa eben die Brotvermehrung) buchstäblich an den Rand.

Nichts Archaisches Und wer ist dieser Jesus, dargestellt vom US-Schauspieler Jeremy Sisto, den der Film vermittelt? Die Bildersprache ist alles andere als originell: Keine Rede von "Archaik", sondern von "Nazarenerschule" aus dem 19. Jahrhundert. Einige Szenen - wiewohl in traumhaft schöner Landschaft gedreht - wirken wie die Schlafzimmerbilder mancher heimischer Stuben, auf denen ein süßlich lächelnder Jesus mit einer ebensolchen Jüngerschar durch die Felder schreitet: Wenn Roger Young in seinem Jesus-Film vor etwas nicht zurückschreckt, dann ist es der Kitsch.

Es gelingt dem Film selten, die Distanz welche durch solche Süßlichkeit aufgebaut wird, zu überwinden und die inneren Brüche und Konflikte, von denen in den Evangelien ebenfalls die Rede ist, zur Geltung zu bringen. Das setzt sich bis in die Kreuzigungsszene fort: Jesus Jeremy Sisto, der sonst meist lächelnde Sunnyboy - nicht aus Nazaret, aber eben aus der Nazarenerschule - scheint auch hier unüberwindlich weit entrückt.

Dabei versucht sich der Film an durchaus unkonventionell-sympathischen Zügen: Sein Jesus ist fröhlich, er lacht viel; wenn er seine Jünger beruft, läßt er schon einmal einen Kieselstein über das Wasser des See Genesaret hüpfen, oder er entgegnet schalkhaft Maria, seiner Mutter (Jacqueline Bisset), als sie einmal "Dein Vater wäre stolz auf dich!" ausruft: "Welchen von beiden meinst du?" Dieses Jesus-Bild gehört zu den Positiva des Films, ebenso der spritzige Humor, der rund um Gestalten wie Pilatus oder Herodes aufblitzt, allein: Von den Kitschorgien der Taufe Jesu, des Letzten Abendmahls oder auch der Kreuzigungsszene vermag das nicht abzulenken.

Abgesehen von theologischen Bedenklichkeiten, die auch zu untersuchen wären, verstrickt sich die Jesus-Verfilmung, die der ORF zeigte, in ein unentwirrbares Problem: Es ist richtig, daß auch hierzulande das Bewußtsein fürs Christentum immer geringer wird, das Wissen über Jesus ist nicht mehr umfassend. Daher sind Versuche, die Botschaft des Neuen Testaments in Film zu fassen und auch auf einer "trivialen" Ebene zu vermitteln, begrüßenswert.

Was aber, wenn die breitenwirksame Form solchen Versuchs so gerät wie dieser Jesus-Film - zusammengesetzt aus echten und erfundenen Versatzstücken, mit der fragwürdigen Ästhetik des Kitsches, mit einem Riesenbudget, in das wohl auch der ORF einzuzahlen hatte? - Wie der ORF seinen Bildungs- und Religionsauftrag hier erfüllt, sollte jedenfalls diskutiert werden.

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