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Das islamische Kulturfestival "Salam.Islam" deckte eine gewaltige Bandbreite musikalischer Ausdrucksformen ab. Von den tanzenden Derwischen bis "Baobab".

Es gab Ängste bei der Vorbereitung des mehrwöchigen Festivals "Salam.Islam" in Wien, sowohl auf muslimischer wie auf österreichischer Seite. Sie erwiesen sich als unnötig. Oder auch nicht, weil sie alle Beteiligten zu einem überlegten Vorgehen veranlassten. Das Ergebnis war dann so überzeugend, dass Norbert Ehrlich wohl nicht anders können wird, als eine Wiederholung ins Auge zu fassen. 5.000 Besucher bei 14 Veranstaltungen im Konzerthaus, in der Szene Wien und an anderen Orten sind eine gesunde Basis.

"Salam.Islam" wurde angenommen. Das Konzept, die Spannungen zwischen der islamischen und der westlichen Welt nicht nur durch Gespräche zu überbrücken, sondern vor allem durch das Wecken von Neugierde beim Wiener Musikpublikum, ging voll auf. Wobei die Gespräche gut und nützlich waren - während das Musikprogramm voll einschlug. "Salam.Islam" bewies, dass alle Voraussetzungen gegeben sind, dass sich dieses Festival zu einem Fixpunkt des Wiener Musiklebens weiterentwickelt. Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür: Der Veranstalter kann aus dem Vollen schöpfen. Die Musik der islamischen Länder ist von so gewaltiger Vielfalt, dass es möglich sein dürfte, immer wieder höchste Qualität und zugleich so frappierend Neues zu bringen wie die "Master Musicians of Jajouka" aus Marokko.

Den Jajouka-Bläsern bereiteten selbst Leute standing ovations, welche die Intensität dieser Musik kaum ausgehalten hatten. Der Klang der kleinen Trompeten mit ihrer unglaublichen Lautstärke, der sich zunächst nur langsam erschließende Variationsreichtum dieser Musik, die infolge ihres lokalen Charakters erst in den fünfziger Jahren auch für den Westen entdeckt wurde, zählte für viele zum Extremsten, was sie je gehört hatten. Die Faszination war stärker als die Strapaze für die Ohren, es ist Musik, die hilft, einen Trancezustand zu erreichen.

Trance ist ein vielfältiges, vielschichtiges sowie ein interkulturelles, auch in der christlichen Mystik bekanntes Phänomen. Auch der Tanz der "tanzenden Derwische" dient einerseits dem Erreichen dieses Zustandes und ist andererseits, davon abgelöst, Kunst. Die Gruppe Al Kindi, deren Auftritt das Festival eröffnete, erfüllt, in der Tradition der Sufis verankert und zugleich durch die Welt reisend, ihrerseits eine Brückenfunktion.

William S. Burroughs hatte die Jajouka-Musik mit gutem Grund als "älteste Rock'n Roll Band der Welt" bezeichnet: Auch moderne Musikformen versetzen - jenseits oder genauer: diesseits jeder religiösen Verhaftung - eine große Zahl von Menschen in einen Zustand, den man durchaus als Trance bezeichnen kann. Ein Höhepunkt von "Salam.Islam" war der Auftritt der senegalischen Band Baobab (der afrikanische Name des so genannten Affenbrotbaumes). Die Gruppe hatte sich, von neuen Richtungen verdrängt, vor 20 Jahren aufgelöst. Im fortgeschrittenen Alter fanden sich die Mitglieder, bereichert um einen ihrer einstigen Konkurrenten, vor einem Jahr wieder zusammen. Ihre alten Aufnahmen hatten längst so etwas wie Kult-Status erworben. Auf ihrem Siegeszug durch Europa und die USA machte die Gruppe auch beim Festival "Salam.Islam" in der Szene Wien Station. Die "Baobab"-Musik ist eine eigenständige Mischung westafrikanischer und karibischer Elemente, sie ist eines der interessantesten Beispiele für die traditionelle musikalische Wechselwirkung zwischen Kuba und Westafrika, sie ist komisch, aggressiv und unwiderstehlich.

"Baobab" war keineswegs das einzige Beispiel für die Bandbreite des Festivals und dafür, dass "Salam.Islam" nicht als Einengung zu verstehen war, sondern sich auf den gesamten islamischen Kulturkreis mit allen seinen musikalischen Lebensäußerungen bezog. Viele Mitwirkende kamen auch gar nicht aus ihren Herkunftsländern. Aziza Mustafa Zadeh, eine Pianistin, die mit ihrer außerordentlicher Stimme im Dialog mit dem Klavier erstaunliche Effekte erreicht, hat ihre aserbeidschanische Heimat längst verlassen und lebt in Paris. Auch der Grand Old Man der indischen Musik und Meister des Sarod (am Sitar ist wohl Ravi Shankar der Grand Old Man), dessen Abend im Großen Konzerthaussaal das Festival abschloss, reist nur noch besuchsweise aus Kalifornien in seine indische Heimat, in der die Filmmusik aus der Konserve die traditionellen Klänge verdrängt. Die Devise hieß Vielfalt, und wie gut das ankam, bewies die Schnelligkeit, mit der nach mehreren Konzerten die CDs an den Verkaufsständen ausverkauft waren.

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