"Können uns Dialog nicht ersparen"

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Was sind die brennenden Fragen der Gesellschaften des 21. Jahrhunderts? Mit diesem Thema setzten sich Österreichs Männerorden im Rahmen des Mitteleuropäischen Katholikentags auseinander: In der Veranstaltungsreihe "Entwurf: Zukunft" stellten sich fünf Stifte als Gesprächsforen für diese Fragen zur Verfügung. Das Dossier - eine Kooperation der furche mit der Superiorenkonferenz der Männerorden*) - fasst pointierte Beiträge von Theologen, Wissenschaftern, Ökonomen und Intellektuellen, die an diesen Foren teilnahmen, zusammen. Der Herzogenburger Propst Maximilian Fürnsinn begründet, warum auch die Kirche und die Orden dieser Auseinandersetzung verpflichtet sind. Redaktion: Otto Friedrich *) Die redaktionelle Verantwortung liegt bei der furche. "Während in der Mediengesellschaft' die Kommunikation scheinbar immer mehr forciert wird, kommen wir immer weniger ins Gespräch", meint maximilian fürnsinn, Propst des Stiftes Herzogenburg und Vorsitzender der Superiorenkonferenz der Männerorden. Die Kirche, die Klöster müssten daher Gesprächsbeziehungen fördern und Orte für den Dialog in und mit der Gesellschaft anbieten.Ein Gespräch über Welt und Kirche.

Die Furche: Österreichische Stifte haben sich im Rahmen des Mitteleuropäischen Katholikentags mit der Veranstaltungsreihe "Entwurf: Zukunft" engagiert. Was war die Motivation dafür?

Propst Maximilian Fürnsinn: Wir haben uns hier engagiert, weil wir glauben, dass das Gespräch zwischen Kirche und Gesellschaft ein wenig verstärkt werden sollte. Und wir haben gedacht, dass das für den Katholikentag eine gute Ergänzung wäre.

Die Furche: Warum aber gerade dieses Engagement? In der öffentlichen Wahrnehmung fallen die Orden nicht primär als Vorreiter des Dialogs Kirche und Gesellschaft auf.

Fürnsinn: Da bin ich anderer Auffassung! Denn in unseren Stiften und Klöstern passiert sehr viel an Gespräch mit der Gesellschaft. Es ist vielen Stiften ein Anliegen, an der Schnittstelle zwischen Kirche und Gesellschaft positioniert zu sein, wir wollen dieses Gespräch in Gang bringen und positionieren. Wenn ich nur ans eigene Haus denke mit den "Herzogenburger Gesprächen", mit dem Arbeitskreis "Psychotherapie und Theologie", mit dem "Forum Kirche in Europa" und vielen anderen Dingen: Das alles sind bewusste Punkte, wo wir dieses Gespräch versuchen.

Oder die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst und überhaupt mit Kunst und Kultur: Unsere Stifte sind auch wichtige Kanzeln in dieser Hinsicht: es gehen ja Millionen Menschen durch unsere Sammlungen - das ist für viele Menschen ein Berührungspunkt, den es noch gibt.

Großzügigkeit der Klöster

Die Furche: Haben die Orden ein Charisma für diesen Dialog?

Fürnsinn: Die Themen gehen Gesellschaft und Kirche insgesamt an. Aber Gespräche müssen immer von konkreten Menschen geführt werden. Das ist zunächst noch kein besonderes Charisma. Ich merke allerdings schon, dass die Menschen heute die Offenheit, auch die Großzügigkeit der Stifte und Klöster sehr schätzen. Man darf ja nicht vergessen, wir haben zwar eine belastende Substanz zu tragen, aber gleichzeitig ist es auch eine ungeheure Chance - die Großzügigkeit unserer Häuser, unserer Räume usw. einzusetzen. Ich glaube, die Menschen fühlen sich da wohl. Und die Stifte sind - in jeder Hinsicht - sehr offene Häuser.

Die Furche: Rund um den Katholikentag gab es wenig pointiert gesellschaftspolitische Veranstaltungen - die Reihe "Entwurf: Zukunft" war da eine Ausnahme.

Fürnsinn: Die Zielsetzungen des Mitteleuropäischen Katholikentages haben eine andere Ebene, eine europäische Dimension. Schaut man die Länder an, die beim Katholikentag vertreten sind, muss man deren konkrete Problemstellungen berücksichtigen. Das sind oft andere Themen, da geht es überhaupt einmal um Fragen der Existenz der Kirche - das sind andere Positionen als bei uns. Wir sind hier in einem seit langem freien Land mit einer freien Kirche - und auch mit einer freien Fragestellung...

"Sager" statt Botschafts

Die Furche: ...doch trotz der "freien" Fragestellungen gab es rund um den Katholikentag in Österreich wenige gesellschaftspolitische Aktivitäten.

Fürnsinn: Natürlich sollte das auch ein großes Anliegen der Kirche in Österreich sein: Ich wünsche mir, dass wir mehr auf diese Themen zugehen, denn sie wiederholen sich ja permanent. Man kann das in der Diskussion um den Gottesbezug in der Verfassung oder an der Frage sehen, wie wichtige Anliegen der Kirchen in dieser Verfassung aufscheinen werden: Wir werden auch in Zukunft diesen Dialog führen müssen, denn sonst können wir den Gottesbezug oder die Verankerung der Menschenwürde in der Verfassung nicht einfordern.

Hier müssen wir in ein offenes, ehrliches Gespräch mit den Vertretern der Gesellschaft eintreten, ob das jetzt Parteien oder andere Gruppierungen sind: Wir können uns als Kirche diesen Dialog nicht ersparen. Vor kurzem haben die Kirchen da ihr Sozialwort herausgegeben, das ich für einen geglückten und ausgezeichneten Entwurf halte: Ich würde mir wünschen, dass da der Dialog noch aktiviert wird.

Die Furche: Aber das Sozialwort der Kirchen wurde in der Öffentlichkeit bestenfalls mit wohlwollendem Desinteresse entgegengenommen. Wird die Kirche in der Gesellschaft da genug gehört?

Fürnsinn: Eine persönliche Erfahrung: Zu unseren "Herzogenburger Gesprächen" kommen sehr kritische Leute, die eine "wohlwollende" Distanz zur Kirche haben, und ich habe einigen davon das Sozialwort in die Hand gegeben: Die Rückmeldungen waren alle positiv! Es gab keinen, der gesagt hat, das Sozialwort sei ein Blödsinn oder weltfremd.

Natürlich wünsche ich mir, dass die Auseinandersetzung auch mit dem Sozialwort intensiver wird. Ich meine aber, dass der Gesellschaft insgesamt diese Gesprächsbeziehungen, Gesprächsorte und Gesprächsebenen abgehen. Die müssen wir suchen und finden. Ich habe immer mehr den Eindruck, Parteien reden aneinander vorbei, gesellschaftliche Gruppen ebenso, jeder produziert seine Schlagworte und minimiert seine Botschaft auf ein paar Sager. Und das nennen wir heute "Kommunikationsgesellschaft" oder "Mediengesellschaft", aber während die Medien blühen und die Kommunikation scheinbar forciert wird durch Internet und was weiß ich noch, kommen wir immer weniger ins Gespräch.

Es gilt daher vertieft, Gesprächsforen zu suchen. Ich wünsche mir, dass jeder Bischof, jeder Abt, jeder wichtige Vertreter der Kirche, auch Laien, seine Gesprächsforen hat. Das wäre äußerst wichtig. Das müssen nicht nur "gestylte" Dialoge sein - daran sind wir in der österreichischen Kirche ja schon einmal gescheitert: Es ist für mich gerade als Kirchenmann ungeheuer wohltuend, mit gescheiten Leuten aus der Gesellschaft, auch wenn sie mit Kirche nicht viel zu tun haben, in einen Dialog zu treten.

Ich würde viele Institutionen der Kirche - Klöster, Bildungshäuser etc. - in die Pflicht nehmen, das zu suchen. Ich wünsche mir auch, dass wir uns in der österreichischen Kirche ein paar pastorale Ziele, die auf Gesellschaft hin ausgerichtet sind, vornehmen. Denn wir haben das Evangelium, die frohe Botschaft unserer Zeit heute zu sagen - in die Gesellschaft hinein. Wir sollen das nicht nur meditieren - es ist natürlich wichtig, dass wir da drinnen leben und dass es das lebendige Wort ist, das uns beseelt - aber im Letzten ist frohe Botschaft in die Gesellschaft hinein zu verkünden: Wir haben einen Weltauftrag, das Evangelium ist eine Weltbotschaft.

In Gemeinden, in der Welt

Die Furche: Was für ein Kirchenbild steckt hinter Ihren Überlegungen?

Fürnsinn: Ich wünsche mir, dass wir in der Kirche alles tun, um lebendige Gemeinde zu haben. Da hat sich vieles geändert, und wir wissen, die Strukturen, die wir vorfinden, sind immer schwerer auszufüllen. Aber wir müssen alles dazu tun, dass es lebendige Gemeinden gibt: Kirche ist in den Gemeinden zu Hause. Von Anfang an ist Kirche so konzipiert.

Wir brauchen heute aber auch eine darüber hinaus gehende Pastoral, die versucht, in die wichtigsten gesellschaftlichen Bereiche hineinzureichen: ob es sich um Wirtschaft, Politik, Kunst, Medien handelt. Wir müssen kompetent in diese Bereiche hineinreden und mit ihnen kommunizieren. Wir brauchen beides.

Im Grunde gibt es aber kein anderes Bild von Kirche, wie es seit 2.000 Jahre da ist, nämlich, dass es um die Verkündigung dieses Christus geht: Wir können Kirche oder Strukturen nicht von ihm abkoppeln. Es muss aber auch klar sein: Kirche - das heißt in unserem Fall: Klöster - muss im Kern lebendig sein. Es muss den Gottesdienst, das Gebet, das Leben der Gemeinschaft geben. Es muss die Berufung stimmen: Denn nur, wer verankert ist, kann auch nach außen wirken.

Ich denke, dass die Stifte und Klöster heute da zuweilen zuwenig Reserven haben. Wir sind etwa ganz stark in die ordentliche Seelsorge hineingenommen. Natürlich ist das auch Aufgabe der Orden, und wir wollen das bei Gott nicht lassen, aber wir brauchen auch einen gewissen Spielraum, unsere eigenen Charismen zu leben: Das heißt, es müssen Gemeinschaft und das gemeinsame Gebet möglich sein, es müssen die Kernaufgaben von Orden erfüllt werden können - die sind sehr unterschiedlich, aber das muss zu leben sein. Man kann die Orden nicht so weit ausnützen, dass diese Kerndinge nicht mehr möglich sind, denn da gehen sie an ihrem Grundauftrag vorbei. Und gerade das Konzil hat eingefordert, dass wir uns am Stifter und am Charisma des Ursprungs orientieren.

Das Gespräch führte Otto Friedrich.

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