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Körperheil und Seelenpflege

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Wenn sich am Faschingsdienstag Menschen bunte Masken aufsetzen, wird gleichzeitig weltweit jener gedacht, deren Leben von Krankheit und Leiden gezeichnet ist: Am 11. Februar wird der 5. Welttag der Kranken gefeiert.

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Wenn sich am Faschingsdienstag Menschen bunte Masken aufsetzen, wird gleichzeitig weltweit jener gedacht, deren Leben von Krankheit und Leiden gezeichnet ist: Am 11. Februar wird der 5. Welttag der Kranken gefeiert.

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Hauptziel der Feier, die österreichweit in Form von Gottesdiensten in Pfarren und Spitalskapellen stattfindet, ist, die öffentliche Meinung gegenüber Kranken zu sensibilisieren. „Eine Gesellschaft zeichnet sich aus durch die Aufmerksamkeit, die sie den Leidenden entgegenbringt, und das Verhalten, das sie ihnen gegenüber einnimmt", äußerte sich Papst Johannes Paul II. in seiner Rotschaft zum diesjährigen Welttag der Kranken. Tatsächlich tut eine Kultur, deren Tugendkatalog mittlerweile von den Attributen „jung", „gesund" und „leistungsstark" angeführt wird, gut daran, gelegentlich an die condition humaine erinnert zu werden: Nicht der gesunde und vollkommene Mensch ist absolutes Maß, sondern der Mensch in seiner - auch physischen - Begrenztheit.

„Man lernt nirgends, sich mit Tod und Krankheit auseinanderzusetzen", beklagt Erich Richtarz, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Osterreichischen Krankenhausseelsorge, das vorherrschende gesellschaftliche Klima der Verdrängung und Ausblendung dieser Lebenswirklichkeit. Gegen diesen gesellschaftlichen mainstream richtet sich die Intention der Krankenhausseelsorge: Sie will eine Zuwendung zum und ein Dienst am „ganzen Menschen" sein.

Seit etwa fünfzehn Jahren ist die Krankenhausseelsorge darum bemüht, sich neu zu definieren: Weg

von einer Retreuung, die erst bei Schwerkranken und Sterbenden einsetzt und sich oft auf den Empfang der Kommunion oder die „letzte Ölung" beschränkte, hin zu einer ganzheitlichen Regleitung kranker Menschen. „Eher diakonisch als sakramental", beschreibt Richtarz die Intention der Seelsorge. „Es ist der Versuch der Kirchen, Menschen in der Situation der Krankheit aus christlicher Sicht beizustehen."

Etwa 180 hauptamtliche Kranken-hausseelsorger der katholischen und evangelischen Kirche in Österreich sind täglich für Gespräche, Gebet und Regleitung kranker Menschen da. „Persönliche Unterstützung und begleitende Seelsorge sind heute gefragt", sagt Richtarz. „Die Patienten suchen danach, sich ausreden zu können."

Die Tätigkeit der Seelsorger hat drei Schwerpunkte: die Retreuung der Kranken, sowie der Kontakt mit den Angehörigen und mit dem Pflegepersonal. Häufig stelle sich im Gespräch mit Patienten die Frage nach dem Sinn des Leidens. „Was bin ich jetzt überhaupt noch wert?", ist eine weitere Frage, die oft am Krankenbett zu hören ist. Seelsorge ist die Sorge um den ganzen Menschen und nicht eingeschränkt auf religiöse Redürfnisse, betont Richtarz. Angehörige von Kranken erfahren durch den Kontakt mit Seelsorgern Entlastung in der Retreuung. Aber auch das Pflegepersonal selbst ist von der Sorge um die Seele nicht ausgeschlossen. „Gerade im Nachtdienst ergeben sich immer wieder Gespräche mit Pflegern oder Ärzten", erzählt Richtarz aus seinen Erfahrungen.

Neben der Mitgestaltung des Krankenhauslebens - Feste oder Gottesdienste - werden die Seelsorger auch in ethische Fragen miteinbezogen. Allerdings, wie Richtarz weiß, nur, „wenn sie im Spital schon etabliert sind". Die Zusammenarbeit von Krankenhausseelsorger und Spital gestaltet sich nämlich nicht immer leicht: Von der Kirche bezahlt (nur die Infrastruktur wird vom Krankenhaus zur Verfügung gestellt), muß sich der Seelsorger oft erst eine Position aufbauen, aus der heraus er ernst genommen wird. Es sei wichtig, dem Spital klarzumachen, „wo wir unverzichtbar sind", beschreibt Richtarz die künftige Herausforderung. Es gehe um „die Einpassung eines hochsensiblen menschlichen Rereichs, wie es die Seelsorge ist, in den hochtechnisierten Spitalsapparat".

Die ganzheitliche Regleitung erfordert Schulung. Etwa die Hälfte der in dieser Seelsorge Tätigen sind Priester, die andere Hälfte sind Pastoralassistenten, Ordensangehörige oder Diakone. Neben einer theologischen Ausbildung (Studium, theologischer Fernkurs) ist eine mehrjährige pastorale Praxis erforderlich. Eine österreichweite vier Monate dauernde Ausbildung für Krankenhaussee] -sorge wird in Salzburg angeboten. In Wien gibt es einen berufsbegleiten-den Lehrgang, der ein Jahr dauert. Auch ehrenamtliche Seelsorger - allein in der Erzdiözese Wien gibt es etwa 150 davon - werden ausgebildet.

Das Interesse ist groß. Jahr für Jahr melden sich etwa 20 bis 25 Leute für den Wiener Kurs. Aber auch der Redarf nach pastoraler Retreuung im Krankenhaus steigt. „Es wäre sinnvoll, doppelt so viel Personal einzusetzen", meint Richtarz. Immerhin befänden sich Krankenhausseelsorger „an der Schnittstelle von Kirche und Gesellschaft". „In einem derartig sensiblen Rereich braucht man die besten Leute!"

Walter Kirchschläger

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