Konfessionen einer Glücksbringerin

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Sie hat als Kind in der Kirche gespielt, später Joseph Ratzingers Vorlesungen gelauscht und über 40 Jahre lang begeistert unterrichtet. Nun muss Sr. Beatrix Mayrhofer als neue Provinzoberin ihren Orden in die Zukunft führen - und macht das, wie immer, sehr gern.

Neuerdings lässt sie sich sogar beschallen: Aus allen CD-Playern und Computern tönen fremde Vokabeln an ihr Ohr. Dazu ein fremdsprachiges Büchlein in jeder Tasche und regelmäßiger Nachhilfeunterricht. "Eine Lehrerin unserer Schule ist so lieb und gibt mir pro Woche eine Stunde", freut sich die zierliche Frau und strahlt.

Sr. Beatrix Mayrhofer muss schließlich Italienisch lernen - und zwar rasch. Erst im Jänner dieses Jahres wurde die 62-Jährige von ihren Mitschwestern zur Leiterin der neuen Ordensprovinz Österreich-Italien gewählt. Etwa die Hälfte jener 66 Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau, die der neuen Provinz angehören, lebt im südlichen Nachbarland. Ihre Sprache passabel zu beherrschen, ist für die neue Provinzoberin eine Selbstverständlichkeit.

Während andere Frauen ihres Alters sich in den Ruhestand verabschieden, startet Sr. Beatrix Mayrhofer so richtig durch. Seit 1968 war sie hier im Schulzentrum Friesgasse im 15. Wiener Gemeindebezirk als leidenschaftliche Lehrerin im Einsatz - die letzten 18 Jahre auch als Direktorin der AHS. Sie hat den weltoffenen Geist des Schulzentrums, an dem 1500 Schülerinnen und Schüler lernen und 20 Religionen sowie 43 Sprachen vertreten sind, wesentlich mitgeprägt. "Doch nun haben meine Mitschwestern gefunden, dass es Zeit ist, in Pension zu gehen und die Leitung des Ordens zu übernehmen", sagt Sr. Beatrix lächelnd.

Bildung für die Armen

Es ist ein ehrliches Lachen - auch wenn sie in ihrer neuen Rolle vor großen Herausforderungen steht. Schließlich geht es nicht nur um die Zusammenführung zweier Provinzen, sondern um die Zukunft des Ordens schlechthin. Wie die meisten Frauenorden in Westeuropa und Nordamerika haben auch die School Sisters of Notre Dame (SSND), wie die 1833 gegründete Kongregation auf Englisch heißt, große Nachwuchssorgen. Natürlich hoffe und bete man, dass sich auch künftig junge Frauen für ein Ordensleben entscheiden würden, sagt Sr. Beatrix unverdrossen. Aber insgesamt richte sich der Fokus längst in Richtung Einbeziehung der Laien. Der "Schulverbund SSND Österreich" soll sicherstellen, dass an den drei Standorten in Freistadt, Kritzendorf und Wien-Fünfhaus die Philosophie der Ordensgründerin, Theresia zu Jesu Gerhardinger, weiterlebt: für die Armen da zu sein - und ihnen jene Bildung zu ermöglichen, die sie sich sonst nicht leisten könnten.

Im Wien des Jahres 1860 waren es die Kinder der böhmischen Gastarbeiter, derer sich die Schwestern in der Friesgasse angenommen haben. Heute sind es vor allem Migrantenkinder oder Kinder von Alleinerzieherinnen, die man besonders unterstützen will: mit einer Rundum-Tagesbetreuung, mit frisch gekochtem Mittagessen - und mit der allfälligen Übernahme des Schulgeldes durch einen Stipendienfonds.

Auch Sr. Beatrix Mayrhofer selbst wäre ohne fremde Unterstützung nicht dorthin gekommen, wo sie heute steht. 1948 als Notburga Mayrhofer in Taufkirchen an der Trattnach (OÖ) geboren, übersiedelt die arme Familie schon bald nach Wels, wo der kriegsversehrte Vater eine Stelle als hauptberuflicher Mesner übernimmt. "Und ich war das hauptberufliche Mesnerkind - mit allem Spaß, der dazugehört", erinnert sich Sr. Beatrix. Gemeinsam mit ihrer Schwester hängt sie am Glockenstrang, verscheucht Fledermäuse, veranstaltet in der leeren Kirche Wettrennen zwischen den Bänken oder schleicht sich auf die Kanzel. "Kirche ist für mich deshalb von Anfang an mit Freude verbunden", sagt sie lachend. "Es war klar: Das ist mein Weg!"

Durch eine glückliche Fügung bekommt sie einen Frei-platz an der Frauenoberschule in Wels, die von den Vöcklabrucker Schulschwestern geführt wird. Das eifrige Mädchen maturiert, absolviert die Ausbildung zur Volksschullehrerin und beginnt in Wien, Pädagogik und Psychologie zu studieren. Begleitend sucht sie eine Lehrerstelle und kommt 1968 durch Zufall ans Schulzentrum Friesgasse. "Ich bin unten bei der Türe hereingekommen und habe gewusst: Hier ist mein Platz", erinnert sie sich. Ein Jahr später tritt sie in den Orden ein, beendet ihre Dissertation über "Unheile Welt in der Kinderliteratur" und beginnt das Theologie- und Philosophiestudium. Es ist der 15. August 1972, als sie schließlich ihr erstes Gelübde ablegt. Der Name der jungen Ordensfrau ist Programm: Beatrix, die Glück Bringende.

"Wer gern lernt, lernt eben gern"

Was immer sie in Angriff nimmt: Die Freude ist stets dabei. Ob in Regensburg, wo die junge Theologiestudentin den Vorlesungen Joseph Ratzingers lauscht, den sie bis heute als "meinen großen Lehrer" verehrt; oder später in Rom, wo sie als Provinzoberin von Österreich miterlebt, wie die neue Ordensregel der Schulschwestern mit 100 Prozent Zustimmung angenommen wird. Die deutsche Fassung stammt von ihr. "Das war einer der Höhepunkte meines Lebens", sagt die zierliche Frau und streicht über ein Büchlein mit goldenen Lettern: "Ihr seid gesandt".

Die italienische Fassung "Voi siete mandate" zu studieren, wird ihre nächste Aufgabe sein - neben dem Stricken von Babygarnituren für aktion leben und von bunten Schals für den Weihnachtsbasar, der den Stipendienfonds der Schule füllen soll. Aber mit ein bisschen Italienisch-Beschallung muss das schon möglich sein, ist Sr. Beatrix überzeugt: "Wer gern lernt, lernt eben gern."

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