Konzilsgedächtniskirche

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"Nun sag, wie hast du's mit dem II. Vatikanum?" - das erweist sich einmal mehr als die Gretchenfrage in den aktuellen kirchlichen Auseinandersetzungen. - Ein kurzer Versuch zur Orientierung.

Es ist ein erbärmliches Schauspiel, welches die katholische Kirche seit Wochen nun schon bietet, und es kann keinem gleichgültig sein, der - wo immer er selbst in den aktuellen Auseinandersetzungen steht - in und mit dieser Kirche lebt, fühlt und denkt ("sentire cum ecclesia"). So gesehen hat Kardinal Christoph Schönborn mit seinen ungewöhnlich deutlichen, sehr persönlichen und authentischen Worten in der Zeitschrift thema kirche gewiss einer breiten Mehrheit, weit über seinen unmittelbaren Anhängerkreis hinausreichend, aus dem Herzen gesprochen: Von Vorgängen, die "Kopfschütteln, Trauer, Empörung und Unverständnis" ausgelöst hätten, ist dort die Rede. Und: "Wieder einmal steht die Kirche als, die Dumme' da, und wir mit ihr", formuliert er lapidar.

Dem Befund ist nichts hinzuzufügen, außer dass es sich natürlich um eine Binnensicht handelt. In der urban-linksliberalen Perspektive habitueller Kirchendistanz und -indifferenz rangiert der Papst einfach unter den "Problembären unserer Tage", in einer Reihe mit Peter Schröcksnadel, Johannes Voggenhuber und Alexander Wrabetz (so die dieswöchige Falter-Ausgabe): Sie liefern Stoff für das bisschen öffentlichen Diskurs, das wir uns gerne gönnen, und kratzen uns weiter nicht …

"Theologie der Vernunft"

Dass dies nicht die einzig mögliche Außenwahrnehmung ist, zeigte indes ein bemerkenswerter Text des Publizisten Albert Christian Sellner, eines Weggefährten der 68er-Ikone Daniel Cohn-Bendit. In einem Standard-Gastkommentar ("Der antikatholische Orkan", 7. Februar) hielt er Benedikt zugute, dass dieser "entschieden eine Theologie der Vernunft, der Trennung von Staat und Kirche und der Anerkennung freiheitlicher Wissenschaft" vertrete, sowie dass seine "Haltung zur Shoah völlig unstrittig" sei. Vor allem aber und noch grundsätzlicher, von der Person des derzeitigen Pontifex losgelöst, warnte Sellner vor einem Verschwinden der Religion: Was wäre, so fragte er, wenn sie "durch den sich ausbreitenden esoterischen Unfug ersetzt" würde - und er befürchtet, dass dadurch "die Fundamente des vernünftigen Diskurses generell beschädigt" werden könnten.

Solche Blicke von außen tun gut, sie helfen die eigenen, innerkatholischen Befindlichkeiten ein wenig zu relativieren. Zu arbeiten gibt es an diesen dennoch genug. Als Gretchenfrage in den aktuellen Kontroversen - von den Pius-Brüdern bis zum neuen Linzer Weihbischof - erweist sich einmal mehr: "Wie hast du's mit dem Konzil?" Erhellendes hat dazu der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, in der FAZ festgehalten: Er nennt zwei Weisen, das II. Vatikanum zu rezipieren, welche der Papst unterschieden hat. Demnach lässt sich das Konzil sowohl unter dem Aspekt "des Bruches" (mit der Tradition) als auch jenem "der Reform" lesen. Benedikt aber sei es vor allem darum zu tun, die Kontinuität zwischen der vor- und der nachkonziliaren Kirche herauszustreichen, weil er fürchtet, dass sonst "die eine, mit sich identische Kirche Jesu Christi" (Zollitsch) aus dem Blick geraten könnte.

Rückkehr zum Ursprung

Vermutlich ist das tatsächlich der Schlüssel zum Verständnis für viele Entscheidungen Benedikts. Aber abgesehen davon, dass natürlich jedes historische Ereignis in der Spannung zwischen Kontinuität und Bruch steht, wird man doch sagen müssen, dass das II. Vatikanum in seiner Gesamtheit in vielem einen Bruch mit überkommenen, nicht zur Glaubenssubstanz zählenden Sichtweisen und Riten gebracht hat. Dass die Kirche von ihren Anfängen durch die Jahrtausende, auch in all ihren Ab- und Irrwegen, eine vom Geist Gottes getragene, insofern "heilige" und "eine, mit sich identische" ist, ist Sache des Glaubens. Mit dem Konzil aber, das erschließt sich auch einem profanen Blick, fand die Kirche den Anschluss (nicht, wie Lefebvre & Co. meinen, die Angleichung) an eine von den Prinzipien der Aufklärung geprägte Welt. Und, so darf man wiederum als Christ hinzufügen, näher zu ihrer eigentlichen Bestimmung.

rudolf.mitloehner@furche.at

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