Kosmisch-mystisch statt dogmatisch

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Willigis Jäger, 76-jähriger Benediktinermönch und Zen-Meister in Bayern, wurde von der Glaubenskongregation mit Publikations- und Auftrittsverbot belegt.

Wo sich Pater Willigis Jäger derzeit aufhält? Das wisse er nicht, sagt der Benediktiner am Telefon der Abtei Münsterschwarzach in Franken. Auch Abt Fidelis Ruppert sei momentan nicht erreichbar. Auch wenn ihn viele Anrufer ihn gerne sprechen würden: Die Süddeutsche Zeitung, der Bayerische Rundfunk, die Würzburger Lokalzeitung Mainpost. Jetzt auch noch österreichische Medien. Doch der im süddeutschen Raum zur Zeit vielleicht meistgesuchte Benediktinermönch und Zen-Meister scheint sich in Luft aufgelöst zu haben. Im "Zentrum für spirituelle Wege" St. Benedikt in Würzburg, das Jäger bis vor zwei Jahren geleitet hat, geht niemand ans Telefon.

Nur Pressesprecher Bernhard Schweßinger vom Pressedienst Ordinariat Würzburg versorgt die Medien mit Informationen: "Pater Willigis Jäger steht die geistliche Begleitung von Menschen nach wie vor offen. Doch darf er in der Öffentlichkeit nicht mehr Lehren vertreten, die nicht mit der kirchlichen Glaubensüberzeugung in Einklang stehen. Weitere Fragen will man im Kontakt mit Pater Willigis Jäger klären."

So steht es in der Erklärung des Generalvikars von Würzburg, Karl Hillenbrand, der am vergangenen Freitag von einem Gespräch mit Vertretern der Glaubenskongregation in Rom zurückgekehrt ist. Was das genau bedeutet? "Das ist Interpretationssache", sagt Schweßinger: "Wenn Pater Willigis Vorträge über Gartenbau halten will, kann ihm das niemand verbieten." Und Vorträge über theologische Inhalte? Schweßinger schweigt vielsagend.

Keine absolute Religion

Schon seit ungefähr zwei Jahren sorgen die Thesen des Benediktinerpaters für Diskussionsstoff. In seinem Buch "Die Welle ist das Meer" kritisiert Jäger die derzeitige spirituelle Trostlosigkeit der christlichen Theologie. Statt zunehmender Verengung auf dogmatische Spitzfindigkeiten fordert er eine Umkehr zur Mystik. Mystische Erfahrung des Göttlichen weite den engen Horizont. Sie sei in der Lage, sinnsuchenden Zeitgenossen eine Religiosität zu vermitteln - jenseits aller Religionen und Konfessionen.

Als Benediktinermönch und Zen-Meister versucht Jäger, die Spiritualität östlicher Religionen mit christlich-abendländischer Mystik in Berührung zu bringen und fruchtbar zu machen. Dabei geht Jäger davon aus, dass keine Religion den einzigen Zugang zum Göttlichen für sich beanspruchen darf. Er kritisiert die christliche Theologie, die nach wie vor einen Ausschließlichkeitsanspruch vertrete. Moderne Menschen könnten und wollten nicht mehr glauben, dass der Kreuzestod Jesu vor 2000 Jahren eine kosmisch-umfassende Dimension für alle Wesen habe.

Wenig verwunderlich, dass solche Aussagen die Glaubenskongregation auf den Plan riefen: Zuletzt hatten die katholischen Glaubenswächter im August 2000 mit der Erklärung "Dominus Iesus" allen Tendenzen, Jesus Christus als einen Heilsbringer unter vielen anderen zu verstehen, eine klare Absage erteilt. Auch die Maßnahmen gegen Willigis Jäger finden auf dem Hintergrund dieser Auseinandersetzungen um die "pluralistische Religionstheologie" statt.

Bei der "Würzburger Facette" dieser Kontroverse kam der Stein nicht zuletzt durch Beschwerden und Anzeigen einer betont konservativen Initiative, des so genannten "Liborius-Wagner-Kreises", der den katholischen Glauben verteidigen will, ins Rollen. Der Sprecher dieses Kreises, Günther Brand, sagt offen: "Wir haben den Würzburger Bischof und den Münsterschwarzacher Abt schon lange darauf hingewiesen, dass Pater Willigis Dinge lehrt, die nicht im Einklang mit der katholischen Kirche stehen. Was er lehrt, ist ja fast eine neue Religion!"

Jäger betont zwar immer wieder, dass der Orden und die katholische Kirche seine Heimat seien und bleiben würden. Doch stehen nicht nur Laien, sondern auch theologische Fachleute seinen Thesen skeptisch gegenüber. Bernhard Fraling und Josef Sudbrack, beide ausgewiesene Kenner christlicher Spiritualität, werfen Jäger schon lange vor, er betone allein die mystische Erfahrung und lasse rationale Argumente nicht gelten. Er habe sich - beeinflusst vom Gedankengut östlicher Religionen wie dem Buddhismus - vom christlichen Gottesbild entfernt. Außerdem beinhalte sein Verständnis von Wirklichkeit leibfeindliche Tendenzen.

Eines allerdings billigen auch kritische Theologen dem Benedikterpater zu: Als charismatischer Grenzgänger auf dem Gebiet des Dialogs zwischen abendländisch-christlicher und östlicher Spiritualität zieht er Menschen an, die bei ihrer Suche nach spiritueller Erfahrung um die christlichen Kirchen normalerweise einen weiten Bogen machen.

Auch in Österreich hat Willigis Jäger schon Seminare und Vorträge gehalten. Eine seiner von ihm ausgebildeten Zen-Lehrerinnen, Helga Kerschbaum aus Wien, ist über den Beschluss der Glaubenskongregation betrübt. Die katholische Juristin beschreibt ihren Lehrmeister als einen liebevollen und sehr bescheidenen Menschen, der seine Schüler zu neuen Perspektiven ermutige: "Auch wenn das Wort vielleicht antiquiert klingen mag - er ist wirklich ein Seelenführer mit einer großen geistigen Weite. Niemals klebt er am Buchstaben!" Sie deutet den Konflikt um Pater Willigis als einen Konflikt zwischen Mystik und Dogmatik: "Das Auftrittsverbot für Willigis Jäger verunsichert die Gläubigen. Wenn nur noch die Dogmatik zählt, dann ist das ein Rückschritt!"

Ein Konflikt zwischen Mystik und Dogmatik, zwischen dem Charisma eines Mystikers und der Starrheit einer Institution? Der Direktor des evangelischen Rudolf-Alexander-Schröder-Hauses in Würzburg, Hans-Joachim Petsch, kritisiert die Art und Weise, wie die katholische Amtskirche den Fall Jäger behandeln wollte - nämlich mit Diskretion. Die Glaubenskongregation, der Generalvikar und der Abt waren übereingekommen, Jägers Rückzug an seinem 77. Geburtstag im März anzukündigen.

"Als Protestant und freiheitsliebender Mensch ist das nicht mein Stil. Man trägt Diskussionen über Meinungsverschiedenheiten in der Öffentlichkeit aus - nicht hintenrum!" sagt Petsch. Auch wenn er selbst mit einigen Aussagen von Willigis Jäger Schwierigkeiten hat, hält er es doch für dringend notwendig, im Dialog mit anderen Religionen neue Formulierungen für christliche Inhalte zu finden: "Ich habe das Bild einer Karawane vor mir: Ganz weit vorn gehen Leute wie Willigis. Dann kommt eine Weile nichts. Und dann kommen die Hirten der katholischen Kirche!"

Willigis Jäger zieht es vor, solche Polemik nicht zu kommentieren. Seine Homepage meldet: "Willigis Jäger hat sich einige Monate in die Einsiedelei zurückgezogen."

West-östlicher Pionier

Als einen der bedeutendsten spirituellen Lehrer unserer Zeit, bezeichnet der Herder-Verlag den Benediktinermönch im Klappentext des Buches Die Welle ist das Meer. Schon als Novize in der Benediktinerabtei Münsterschwarzach interessierte sich Willigis Jäger für Mystik und Kontemplation. Während seiner Missionstätigkeit in Japan kam er mit dem Zen-Buddhismus und seinen Meditationsformen in Berührung. 1973 wurde er Schüler von Yamada Koun Roshi, einem bekannten Zen-Meister in Kamakura (Japan). Acht Jahre später erhielt er den Auftrag seines Meisters, andere in die Zen-Lehren einzuführen und kehrte nach Deutschland zurück.

In Würzburg gründete er 1983 das "Zentrum für spirituelle Wege" in Sankt Benedikt, dem Haus seines Ordens. Damit betrat er Neuland: Nie zuvor hatte es bis dahin im Westen Europas ein Haus gegeben, in dem mystische Traditionen westlicher und östlicher Religionen unter einem Dach gelehrt wurden.

Publikationen von Willigis Jäger:

* Kontemplation - Gott begegnen heute. Otto Müller Verlag, Salzburg 2001.

* Die Welle ist das Meer - Mystische Spiritualität. Verlag Herder, Freiburg 2000.

* Der Himmel in dir - Einführung ins Körpergebet. Kösel Verlag; München 2000.

* Geh den inneren Weg - Texte der Achtsamkeit. Verlag Herder, Freiburg 2000.

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