6662159-1960_13_12.jpg
Digital In Arbeit

Kosmische Religion und Monotheismus

Werbung
Werbung
Werbung

Tyrolla-Verlag, Innsbruck 1959. 497 Seiten

Das Besondere des verdienstvollen Werkes Schedls ist, daß es zwei Desideraten zugleich entspricht. Es ist einmal, als wissenschaftliche Leistung, die längst vermißte Synthesis alttestamentlicher Forschung. Es ist aber dann so geschrieben, daß es ein Hausbuch christlicher Familie werden kann (das um so dringlicher ist, als in Klerus- und Laienkreisen die Kenntnis des Alten Testaments immer mehr abgenommen hat, ja dies unter einem wachsenden, fast ketzerischen Vorurteil, daß den Christen eigentlich nur das Evangelium anginge). Schedl versteht es, hier anschaulich zu machen, wie es kein Verständnis des Neuen Testaments geben kann, wenn nicht aus einem vollen Verständnis des Alten Testaments heraus. Damit beantwortet sich auch die seit dem vorigen lahrhundert von Christen wie luden beregte Frage nach einer letzten Besonderheit des Alten Testaments und hieraus des „Jüdischen“. In Schedls Sicht stehen sich zwei Formeln gegenüber: Judentum als „kosmische Religion“, als besondere Sicht Schedls selbst — und ludentum als „ethischer Monotheismus“, in Übernahme der Formel der liberal-protestantischen Theologie des vorigen lahrhunderts, die dann von der jüdischen Religionsphilosophie (von Steinheim zu Cohen, zu Buber) übernommen ward. Judentum als „kosmische Religion“ (in „kosmischem Denken“) entspricht ohne Frage der Art, wie „Himmel und Erde“ vom ersten Vers der Genesis her im Alten Testament gleichsam „Grundpolarität“ sind — im Gegensatz zu einer idealistischen Religion und Innerlichkeitsreligion. Judentum als „ethischer Monotheismus“ wäre gewiß das Judentum der Zen-tralität des „Gesetz“. Aber dieses Gesetz ist radikal mißverstanden, wenn es als „menschliche Ethik“ genommen wird, und erst recht, wenn dieses Gesetz als Manifestation eines „Höchsten Gut“ angesehen würde (wie es das Gottesbild von Kant her ist, hinein in die immer noch grassierende „Wertphilosophie“). Echtes „Gesetz“ ist vielmehr „Bundesgesetz“ als Initiierung zur Teilnahme am „Heiligen Gott“ („Seid heilig, wie Ich heilig bin!“ in der Formel des Leviticus). Und „Bundesgesetz“ Ist es (vom Scheidegesang des Moses bis hinein in die Propheten und ins Hohelied) als „Hochzeitsgesetz“. So aber schwingt alles wieder zurück ins „Kosmische“, wie es vor allem Stil der Psalmen und der Propheten ist, ist „Einhochzeitung von Himmel und Erde“ in die Eine „anakephalaiosis“ des Anfangs des Epheserbriefes: Himmel und Erde als Ein (bräutlicher) „Leib“. Das erst ist der Punkt, in dem Alter und Neuer Bund ineinanderschlagen.

DER URSPRUNG DER SOZIOLOGIE AUS DEM GEIST DER RESTAURATION (Studien über de Bonald). Von Robert Spaemann. Verlag Kösel, München. 211 Seiten. Preis 18.50 DM.

De Bonald, Begründer des von der Kirche verurteilten Traditionalismus, Philosoph der französischen Restauration, ein Vorläufer des Soziologismus, ist eine jener Erscheinungen, wie sie nur der französische Katholizismus, dem de Bonald schließlich doch zuzurechnen ist, hervorbringen kann. In einer gehaltvollen Dissertation, die uns der Verlag in einer vornehmen Ausgabe vorlegt, bietet der Autor einen von profunden Kenntnissen zeugenden Einblick in das Denken des großen Franzosen, der schwer einzuordnen ist, sosehr man Anlaß zu finden scheint, in ihm den Vertreter jener Richtung im politischen Formalkatholizismus zu sehen, dem das Christliche aus Gründen der Nützlichkeit notwendig zu sein scheint, im Interesse einer Erhaltung der (seiner) Gesellschaft.

Im Werk wird die Entwicklung de Bonaids ebenso geschildert, wie auf seine Ideen eingegangen wird.

Die Philosophie de Bonaids abstrahiert sich aus der jeweiligen gesellschaftlichen Situation. Jede Wahrheit, nach der die Philosophie sucht, kann, weil nur auf eine gesellschaftliche Situation bezogen, lediglich eine relative sein. Auch die Religion ist kein Wert an sich, sondern auf gegebene gesellschaftliche Bedürfnisse hingeordnet. Die Gesellschaf! ist alles, sie ist de Bonald „die Anwesenheit Gottes“ Wo aber Volk ist, da ist Macht. Mit ihr beschäftigt sich de Bonald, sie ist ihm ein Wirkliches, gleich sam vor dem Volk für sich seiend.

Die Ideen de Bonaids über das Christentum -besser, über den Katholizismus — sind dadurch mitbestimmt, daß die Kirche seiner Zeit sich noch nicht an die neuen gesellschaftlichen und ökonomischen Wirklichkeiten in der Art ihrer Seelsorge adaptiert hatte. Wo es in einzelnen großen Geistern der Kirche geschah, wurde es mißverstanden und war Indizierung die Folge. Die Kirche der Zeit de Bonaids, vor allem die französische, lebte noch in der Befangenheit der Französischen Revolution, sie begrifl noch nicht, daß im Kampf gegen die Kirche nicht allein Häresie möglich sei, sondern der perfekte antike Atheismus, etwas, das jenseits der christlichen Begriffswelt bestand und sich definitiv und ostentativ in der Absenz der „christlichen Fürsten“ zeigte.Wie für viele Konservative hat auch für de Bonald die Religion kaum einen anderen als einen politischen Charakter. Das Dogma wird begrüßt. Nicht weil es Wahrheit in einer eindeutigen Weise zu fixieren hat, sondern weil es „nützlich“ ist. Gott und Gesellschaft sind in einem dialektischen Verhältnis, die Präsenz Gottes in der Welt ist nur ein soziales Phänomen.

Das Buch, so eng sein Darstellungsfeld zu sein scheint, ist eine wertvolle Einführung in eine Geisteswelt, die in wesentlichen Teilen in einem etatistisch, zumindest gesellsrhaftlich-nützlich bestimmten Katholizismus ihre Fortsetzung gefunden hat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung