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kreuz.net und kath.net: das rechte Kreuz im Internet

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Wie erzkonservative Internetangebote unter dem Namen "katholisch" das Internet erobern und sich dabei gegenseitig bekämpfen. Die Internet-Seite "kreuz.net" wird dabei selbst von offiziell-katholischer Seite als "sektiererische Hetzpropaganda" qualifiziert.

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Wie erzkonservative Internetangebote unter dem Namen "katholisch" das Internet erobern und sich dabei gegenseitig bekämpfen. Die Internet-Seite "kreuz.net" wird dabei selbst von offiziell-katholischer Seite als "sektiererische Hetzpropaganda" qualifiziert.

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Josef Preßlmayer bezeichnet sich selbst als Gesundheitspsychologen. "Mir geht es um die Gesundheit der Gesellschaft, die durch die Abtreibung schwer geschädigt ist", sagt er. "Hanebüchener Blödsinn" ist der schlichte Kommentar des Psychologenverbandes GKPP (Gesellschaft kritischer Psychologen und Psychologinnen) zu dieser Interpretation. Preßlmayer ist der Gründer des sogenannten Lebensschutzmuseums in Wien. Als Berufs-Abtreibungsgegner will er sich nicht bezeichnen lassen, als "zum Abtreibungsgegner berufen" schon eher. Zusammen mit dem Rest seiner Weltanschauung tut er das regelmäßig im Internet kund. So bezeichnet er beispielsweise die Hand-Kommunion als "Sakrileg" oder den umstrittenen Gerhard M. Wagner als jemanden, der "sich als Bischof aufdrängt". Das Ergebnis ist Teil von kreuz.net.

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kreuz.net ist ein deutschsprachiges Internetportal. "Katholische Nachrichten" steht im Untertitel. Anders als Josef Preßlmayer sind die meisten Autoren anonym. Als Betreiber der Seite steht ein dubioser Verein in den USA im Impressum. Preßlmayer ist der Meinung, dass die Seite ein breites Meinungsspektrum von konservativen bis hin zu liberalen Katholiken oder gar Atheisten bietet. Das trifft allerdings bestenfalls für die Diskussionsbeiträge der Besucher zu. Die Artikel, die groß auf der Hauptseite prangen und damit den Charakter der Seite prägen, sind alles andere als ausgewogen.

"Altliberale Wölfe" & "Williamson-Pogrom"

Preßlmayers letzter Artikel unter dem Titel "Das muss der Papst wissen" bietet in seinem Vorspann ein gutes Beispiel für den sprachlichen Grundtenor: "In der verfaulenden Katholischen Kirche Österreichs liegt alle Macht in den Krallen altliberaler, gewaltbereiter Wölfe." In ähnlich polemischen Tönen werden auch die großen Themen der letzten Wochen kommentiert. So ist beispielsweise in Bezug auf die Diskussion um Bischof Williamson vom "Williamson-Pogrom" oder vom "Märtyrer Williamson" die Rede und im Kontext der Nicht-Ernennung von Gerhard Maria Wagner zum Linzer Weihbischof werden Verschwörungstheorien gesponnen: Die "altliberale Amtskirche" habe Gerüchte in die Welt gesetzt, denen zufolge Wagner einer Frau Geld für eine Abtreibung gegeben habe, ihn damit erpresst und zum Rücktritt gezwungen.

Vor allem im Kontext der Causa Williamson sind die Inhalte von kreuz.net problematisch. Ein weiterer Autor, der auf kreuz.net unter seinen wirklichen Namen publiziert, heißt Leo G. Schüchter. Seine Artikel befassen sich meist mit dem Holocaust, allerdings auf eine Art und Weise, die sogar dem "Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands" (DÖW) auffiel. 2006 veröffentlichte Schüchter einen Artikel unter dem Titel "Der sogenannte Holocaust als neue Religion" auf kreuz.net, den das DÖW als Beispiel für antisemitische Inhalte des Portals aufgriff. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass der Inhalt des Artikels von einer bekannten neonazistischen Webseite übernommen wurde. Postwendend wurde das DÖW auf kreuz.net als "extremistische Nischen-Webseite, die Kriegsverbrecher verteidigt, die mit den Spanischen Kommunisten und Katholikenschlächtern kollaborierten" beschimpft. Natürlich anonym.

Josef Preßlmayer mag das anders sehen, am Auftreten der Seite ändert das aber wohl kaum etwas. Für Preßlmayer ist die Abtreibung das Thema, bei dem es keine Kompromisse gibt und im Zuge dessen er bereit ist, Menschen als "Metzgermeister an Kinderschlachthöfen" (der Wiener Arzt Christian Fiala) zu bezeichnen. Bei anderen kreuz.net-Autoren lassen andere Themen die Gemüter hoch gehen. Das Ergebnis ist ein Webauftritt, der sich hasserfüllt gegen alles richtet, das nach Meinung der Betreiber gegen den Katholizismus spricht. Diese Betreiber hüllen sich allerdings in den Mantel der Anonymität.

Preßlmayer kennt nur einige wenige "Lebensschützer", wie er sagt, persönlich. Diese hätten sich bei ihm über das Internet gemeldet. Wer die Drahtzieher dahinter sind, weiß er nicht. Kritiker vermuten sie im Umfeld der Pius-Bruderschaft, haben dafür aber bestenfalls Indizien, keine Beweise. So schreibt beispielsweise ein Moderator des Forums kreuzforum.net, eines offensichtlichen Ablegers von kreuz.net, zum Selbstverständnis des Forums: "Die Moderatoren wissen sich geistig verbunden mit dem Flaggschiff der katholischen Tradition in dieser wohl größten Kirchennotzeit der Geschichte, dem Erzbischof Marcel Lefebvre und seinem Werk, der 1970 kanonisch errichteten Priesterbruderschaft St. Pius X., sind jedoch von dieser unabhängige Laien." Der Moderator scheint sich seiner Zielgruppe auch durchaus bewusst zu sein, denn in der gleichen Erklärung heißt es, vermutlich in Anspielung auf die Verbotsgesetze in Deutschland und Österreich: "Falls Sie nicht anonym sein sollten, beachten Sie bitte beim Absenden von Artikeln potenzielle anti-christliche Gesetze Ihres jeweiligen Landes."

"Holocaust-Hysteriker" & "Homo-Perverse"

Die Macher von kreuz.net wettern aber nicht nur gegen "Holocaust-Hysteriker", "Kindermörder" und "Homo-Perverse", sondern augenscheinlich auch gegen jene Vertreter ihres eigenen Schlags, die ihnen nicht extrem genug sind: Zum Beispiel die österreichische Webseite kath.net.

Im sprachlichen Vergleich sind die beiden Internetangebote klar voneinander zu trennen. Während kreuz.net polemisiert, hetzt und schimpft, bemüht sich kath.net, obwohl ebenfalls eine private Initiative, um eine sachlichere Tonart und um das Aussehen eines offiziellen Kirchenmediums. Seine inhaltliche Richtung bekommt kath.net eher durch die Auswahl der Nachrichten als durch die Auswahl der Sprache. "kath.net ist die sanftere Version von kreuz.net", meint Josef Preßlmayer. "Aber inhaltlich ist es mir durchaus sympathisch."

Das liegt wohl daran, dass Fast-Bischof Wagner auch auf kath.net gut wegkommt, dass auch dort Abtreibung als Mord und Homosexualität als heilbar dargestellt wird und dass auch dort die Liberalen die Bösen sind. Auf kath.net gehören allerdings auch die Pius-Brüder zu den Bösen. Das ist Mitgrund fürs gespannte Verhältnis zwischen den beiden Internetportalen. So belustigte sich kreuz.net beispielsweise am 10. November 2008 unter dem Titel "Bezahlte Werbung beim Feind" über ein Inserat des "Sarto Verlags" bei kath.net. Dieser sei nämlich "auf Betreiben des deutschen Distrikts der von kath.net vielgeschmähten Priesterbruderschaft St. Pius X. ins Leben gerufen" worden. Außerdem wurde ausführlich über angeblich gezinkte Zugriffszahlen bei kath.net berichtet.

"The more Catholic the better"

Das Linzer Portal dagegen ignoriert kreuz.net fast völlig. Lediglich die offiziellen Statements der deutschen und der österreichischen Amtskirche sowie jenes des Senders Radio Vatikan, in denen diese sich von kreuz.net distanziert haben, waren kath.net kurze Meldungen wert. Roland Noé, Chefredakteur von kath.net, kann den Vergleich überhaupt nicht nachvollziehen. kreuz.net sei ein rechtsradikales Internetportal, mit dem man nichts zu tun haben wolle. Was die Urheberschaft des Konkurrenten angeht, so vermutet Noé diese "mit Sicherheit in Österreich". Näher will er sich dazu nicht äußern.

Mittlerweile sind die Konservativen auch im Web 2.0 präsent. So betreibt kath.net seit Kurzem mit kathtube sein eigenes Videoportal, dagegen scheint kreuz.net sich mit dem Videoangebot von gloria.tv zufrieden zu geben, das unter dem Untertitel "the more Catholic the better" operiert.

Und was sagen die sogenannten "Altliberalen"? Gegenüber kreuz.net positioniert sich die offizielle katholische Kirche klar. "Für mich ist kreuz.net kein kirchliches, aber auch kein katholisches Internetmedium", meint beispielsweise der Leiter des Medienreferats der Österreichischen Bischofskonferenz, Paul Wuthe. Es handle sich dabei um "sektiererische Hetzpropaganda", die sich immer wieder gegen kirchliche Personen und Amtsträger richte. Was kath.net angeht, ist die Linie der Amtskirche weniger fassbar. Wuthe betont lediglich, dass die Seite "kein offizielles Kirchenmedium" sei, dass sie aber keinesfalls auf dem gleichen Level wie kreuz.net operiere. Wuthe: "Genauer werde ich mich zu einzelnen Medien nicht äußern."

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