Krisenrezept: Leidenschaft und Neugierde

Werbung
Werbung
Werbung

"Dass Papst Franziskus auch Wunibald Müller 'angesteckt' hat, merkt man. Deswegen liest man nach den ersten düsteren Beobachtungen auch weiter."

Das Fragezeichen, denke ich, ist das Entscheidende. Dieses kleine Buch "Der Letzte macht das Licht aus?" ist kein Abgesang oder eine Grabrede auf die Kirche, die, gebeutelt von massenhaftem sexuellem Missbrauch, fatalen Personalentscheidungen in den höheren Etagen und einer oft mittelmäßigen Performance, keine gute Presse hat.

Nach dem, was der Theologe und Psychotherapeut Wunibald Müller 25 Jahre lang als Leiter des Recollectio-Hauses in der fränkischen Abtei Münsterschwarzach erlebt hat, müsste er wohl kapitulieren. Weil er nicht mehr ehrlicherweise an die Selbstreinigung des "Systems" glauben kann - was ihm im Übrigen seine eigenen Kinder vorhalten, denen wohl die vorletzte, stark autobiografisch gefärbte Veröffentlichung - "Warum ich in der Kirche bleibe" (vgl. FURCHE 49/2016) - galt.

Mit "Der Letzte macht das Licht aus?" legt er nun ein Mutbuch vor. Er will "Lust auf morgen in der Kirche" machen. Und wie? "Ich kann keine Rezepte anbieten, auch keine scharfsinnigen Analysen vortragen, gar Lösungen anbieten, wie es weitergeht oder weitergehen könnte. Ich will Mut machen, die Wirklichkeit nicht auszublenden, sondern sich ihr schonungslos zu stellen, ohne sich von ihr total herunterziehen zu lassen", heißt es eingangs.

Wie viel Schonungslosigkeit verträgt die Kirche? Überzeugt Müllers Satz, ihn trage "eine Gewissheit, die sich nicht an den Realitäten festmachen lässt"?

Zum Stil Jesu zurückfinden

Der Analyse, dass sich eine alte Kirche mit volkskirchlichen Strukturen und eingeschliffenen Gewohnheiten verabschiedet, werden viele zustimmen. Ob man nun dafür Hildegard Knef ("Von nun an geht's bergab") oder Reinhard Mey ("Der Letzte macht das Licht aus in Schraders Filmpalast") bemüht, Thomas Frings und Erik Flügge zitiert oder den offenen Brief einer Gruppe von Kölner Priestern.

Genügt es, sich "einzugestehen", dass die Kirche in einer Krise steckt? Genügt es, an "eine Art Stehaufkompetenz" zu appellieren? Das kann man fragen. Papst Franziskus scheucht müde und resignierte Geister und seelenlose Verwalter auf, lockt sie aus der sicheren Komfortzone. Dass er auch Wunibald Müller "angesteckt" hat, merkt man. Deswegen liest man nach den ersten düsteren Beobachtungen auch weiter, und Fragen wie "Glauben wir wirklich an das, was wir, um es einmal salopp zu formulieren, verkaufen: Gott?" wirken nicht mehr so bedrohlich.

Zurückfinden zum "Anfängergeist" oder, mit einem Wort von Albert Einstein: "Ich habe keine besondere Begabung, ich bin nur leidenschaftlich neugierig" - so lautet die Devise. Wie wäre das, wenn daraus Substantive würden: Leidenschaft und Neugierde?

Wenn es und solange es die gibt, können "Staatskleriker" die Kirche nicht krankjammern oder kaputt verwalten. Leidenschaft und Neugierde setzen Lebensenergie und "Liebhaberenergie" frei. Mit Karl Rahner SJ oder Joseph Beuys ("Die Mysterien finden im Hauptbahnhof statt") - um die Spannweite der "Kronzeugen" zu zeigen -plädiert Müller schlicht für den "Mut","gegen den Strich zu leben".

Das klingt simpel. Es bedeutet aber: zum Stil Jesu zurückzufinden. "Kirche", so Müller, "riecht nach all den Jahrhunderten, ja Jahrtausenden immer noch irgendwie nach Jesus, um, wie es im Neuen Testament heißt, den Wohlgeruch Christi an ihr wahrzunehmen."

Bei der Bischofsweihe von Hermann Glettler, um ein jüngeres Beispiel zu nennen, konnte man genau das spüren. Und das stimmt zuversichtlich.

Der Letzte macht das Licht aus? Lust auf morgen in der Kirche -eine Ermutigung. Von Wunibald Müller. Echter 2017. 128 Seiten, kt., € 13,30

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung