Kritische Gespräche mit der nicht nur bösen Welt

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Zwei neue Bücher propagieren -unterschiedlich akzentuiert -die Notwendigkeit offener Reflexion von Christen mit Welt und Wissenschaft.

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Zwei neue Bücher propagieren -unterschiedlich akzentuiert -die Notwendigkeit offener Reflexion von Christen mit Welt und Wissenschaft.

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Beim vierten Weltgebetstreffen für den Frieden in Assisi, das Ende Oktober 2011 unter Leitung des damaligen Papstes Benedikt XVI. stattfand, galt es fast als Sensation, dass daran auch Nichtglaubende teilnahmen. Denn der nachkonziliare ökumenische bzw. interreligiöse Dialog hatten das Gespräch mit dem Atheismus in den Hintergrund gedrängt.

Dabei war die Auseinandersetzung mit dem Atheismus sehr wohl auch Thema auf dem II. Vatikanum, was dann 1964/65 in die Errichtung des Päpstlichen Rates für den Dialog mit den Nichtglaubenden durch Paul VI. mündete. Präsident dieses Rates war bis 1980 Kardinal Franz Köing -der dieses Dikasterium leitete, ohne das Amt des Erzbischofs von Wien aufzugeben. 1993 wurde dieser Päpstliche Rat jenem für die Kultur unterstellt, sodass das Gespräch mit Atheismus und Agnostizismus an der Kirchenspitze nicht mehr so sichtbar war. Erst - siehe oben -unter Benedikt XVI. und dem derzeitgen Präsidenten des Päpstlichen Kulturrates, Kardinal Gianfranco Ravasi, gewann dieser Dialog wieder an Fahrt.

Kardinal König und der Atheismus

Einmal mehr ist es einem Band der bei Styria verlegten "Kardinal König Bibliothek" zu verdanken, dass das längst Begonnene auf diesem Dialogweg dokumentiert wird. Der Wiener Religionswissenschafter und Atheismus-Experte Johann Figl fasst im Büchlein "Im Gespräch mit der Welt. Glauben und Unglauben auf dem Prüfstand" die jeweiligen Entwicklungen in der katholischen Kirche prägnant, informativ und konzise zusammen. Auch die wesentliche Rolle Kardinal Königs dabei kommt gebührend zur Geltung. König, der ja Religionswissenschafter war, fühlte sich fachlich gar nicht kompetent, das zunächst "Sekretariat für die Nicht-Glaubenden" genannte Dikasterium zu übernehmen. Paul VI. habe dem, berichtet Figl ein "Usus docebit" - also ein "Mach es, und dann wirst du es schon lernen" entgegengehalten. Und König machte.

Keine Frage, dass die Auseinandersetzung mit dem Atheismus im Vorfeld und durch das Konzil eigentlich eine der dramatischen Fragen war, denen sich die Konzilsväter gegenübersahen. In den ersten Vorbereitungen hatte die Kurie -in einer Art Fortschreibung des "Syllabus" Pius' IX., der im 19. Jahrhundert von der Religionsfreiheit bis zur Demokratie alles verdammt hatte, was einem modernen Freiheitsverständnis zugrunde liegt, "apodiktisch verlangt, 'dass - der Atheismus verurteilt werden möge'". Vor allem der staatliche Atheismus, wie er im Kommunismus praktiziert wurde, sollte so dem Anathema anheimfallen.

Figl zeigt auf, wie gerade durch Kardinal Königs Engagement aus der starren Frontstellung der kirchlichen Schlachtreihen gegen die böse Welt ein differenzierter Dialog wurde. Vor allem die Atheismus-Ansprache Königs am 27. September 1965 auf dem Konzil, schätzt Figl als bedeutende Weichenstellung ein, wobei er bei der Konzeption der Rede auf die Beratung Königs durch Karl Rahner und den Wiener Pastoraltheologen Ferdinand Klostermann hinweist.

Die vom Konzil verabschiedete Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" verurteilt zwar weiter den Atheismus, aber es finden sich darin auch Sätze, die damals als bahnbrechend zur bisherigen Kirchenhaltung gelten konnten: "Wenn die Kirche auch den Atheismus eindeutig verwirft, so bekennt sie doch aufrichtig, dass alle Menschen, Glaubende und Nichtglaubende, zum richtigen Aufbau dieser Welt, in der sie gemeinsam leben, zusammenarbeiten müssen. Das kann gewiss nicht geschehen ohne einen aufrichtigen und klugen Dialog."

Figl stellt die Entwicklungslinien zu dieser Erkenntnis, die heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren hat, klar dar -und ebenso den unverzichtbaren Beitrag Kardinal Königs dazu, dessen diesbezügliches Credo er auch zitiert: "Die Kirche soll", so hatte König bei einem Vortrag im Mai 1964 gesagt, "mitgehen in der Welt, auch auf den Wegen der Welt; [] das heißt, einholen der Welt, aber sich nicht der Welt anzugleichen, nicht um selber Welt zu werden, sondern um präsent zu sein."

Wissenschafter über den Glauben

In diesem Sinn ist auch das Buch "Wäret ihr an seinem Wort geblieben ", in dem Meinrad Peterlik "Kritische Texte zu einem Leben im Glauben" zusammengestellt hat, zu lesen. Der emeritierte Wiener Pathophysiologe zitiert auch seinerseits Kardinal König als Zeugen für einen notwendigen Dialog zwischen Wissenschaft und Glauben und kritisiert Kardinal Schönborn in der von diesem 2005 angestoßenen Debatte um Evolution und Schöpfungsglauben.

Peterlik setzt sich in seinem Buch prägnant mit der Theodizee, also der Frage nach Gott und dem Leid, ebenso auseinander wie mit Themen von Zeit und Endzeit oder von Mythos und Offenbarung. Einen Schwerpunkt bilden dabei auch die Gedanken des Naturwissenschafters zum Weihnachtsfest, nicht zuletzt stellt der Autor hier auch "Weihnachtsbriefe" an seine Freunde aus mehreren Jahren mit einer je eigenen, "unidyllischen" Interpretation der Botschaft von der Inkarnation vor.

Im Gespräch mit der Welt Glauben und Unglauben auf dem Prüfstand. Von Johann Figl. Styria premium 2015.108 Seiten, geb, € 16,99

Wäret ihr an seinem Wort geblieben Kritische Texte zu einem Leben im Glauben. Von Meinrad Peterlik. Styria premium 2015.160 S., geb, € 19,99

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