Kritischer Umgang mit dem Erbe Rudolf Steiners nötig

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Elisabeth Gergely, Vorsitzende des österreichichen Dachverbandes der Waldorfschulen, schnappte hörbar nach Luft: "Das ist kein böser Wille und kein Nationalsozialismus, sondern schlicht und einfach sträfliche Verschlafenheit!" Grund der Aufregung: Eine Schulheftseite der Freien Waldorfschule Graz: "Ich weiß, daß ich hing am windigen Baum. Neun lange Nächte, vom Speer verwundet, dem Odin geweiht, ich selber mir selbst." Verziert ist dieses lyrische Gefasel mit zwei Hakenkreuzen. Gergely war entsetzt: "Das darf nicht vorkommen!"

Richtig. Das darf nicht vorkommen. Es kommt aber vor. Genauso wie die Sätze im Epochenheft Geschichte der neunten Klasse der Rudolf Steiner-Schule Wien-Mauer: "Hitlers Taten, seine Handlungen und Meinungen währen (sic!) alle richtig und gut gewesen, wenn sie aus tiefster Überzeugung und echt gewesen währen. So war alles nur eine Maske, etwas aufgesetztes, obwohl er es eigentlich gut gemeint hatte." Auch hier keine Korrektur des Lehrers. Um es gleich klarzustellen: Waldorflehrer sind keineswegs lauter verkappte Rassisten, und die Waldorfpädagogik ist kein rassistisches System. Aber es gibt - wie überall - auch unter Waldorflehrern Fanatiker.

Sie "schauen" in Rudolf Steiners Akasha-Chronik (vgl. Furche 46/99) Beweise für die geschichtliche Existenz des versunkenen Kontinents Atlantis und säuseln etwas von "wallenden Nebelwesen". Man könnte das als harmlos-naive Spinnerei belächeln, wären diese Wesen in Steiners "Akasha-Chronik" nicht die Arier, und wäre nicht von der stufenweisen Entwicklung verschiedener Rassen durch Zuchtauswahl und von großen Führern die Rede.

Der Mythos von Atlantis ist wie das altindische Sonnenzeichen von Hitler für seine Blut-und-Boden-Ideologie mißbraucht worden. Daran kommt heute keiner mehr vorbei. Je kritikloser ein Waldorflehrer Rudolf Steiner als seinen Guru zelebriert, umso wachsamer sollten Eltern und Kollegen sein.

Aber auch die Anthroposophen selbst müssen sich endlich kritisch mit dem geistigen Erbe ihres Gründervaters auseinandersetzen. Dabei brauchen sie das Kind gar nicht mit dem Bade ausschütten. Es wäre bereits ein Anfang, sich von einigen rassistischen Zitaten öffentlich zu distanzieren. Sonst sind fanatische Anthroposophen mitverantwortlich dafür, daß Waldorfschulen in den Verdacht geraten, eine Mischung aus New Age, Okkultismus und Rassismus zu servieren - übergossen mit einer reformpädagogischen Soße, die Eltern gut schmeckt.

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