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Günther Schwarz' gründlich misslungenes Anliegen, Jesu Worte ins Aramäische zurückzuführen.

Günther Schwarz, evangelischer Pastor, hat für die "Bibliothek der Unruhe und des Bewahrens" des Styria-Verlags den Band "Worte des Rabbi Jeschu" verfasst - eine "Wiederherstellung", um Jesusworte im aramäischen "Originalton" aufzuspüren.

So ehrenwert das Anliegen sein mag, Jesus in den ursprünglichen Kontext des aramäischsprachigen Judentums der Zeitenwende zurückzuführen, so gründlich misslungen ist dies doch in den ausgesprochen fantastischen und unwissenschaftlichen Ausführungen des vorliegenden Buches. Grundsätzlich richtig ist, dass Aramäisch die Muttersprache Jesu war und Jesus daher wohl auch in aramäischer Sprache gepredigt hat. Daraus allerdings zieht der Autor den unbewiesenen Schluss, dass die in griechischer Sprache verfassten Evangelien "abgesehen von wenigen Ausnahmen [...] eine Zusammenballung fehlerhafter Übersetzungen von Texten [...] aus dem Aramäischen" wären. Die Evangelisten werden so als Verfälscher der Botschaft Jesu gebrandmarkt: "Ihre Sprachkenntnisse und ihre sonstigen Kenntnisse reichten nicht aus, den Sinn seiner [Jesu] Worte richtig zu erfassen." Obendrein hätte schon die Urkirche die "Regeln der altisraelitischen Poesie", deren sich Jesus bedient habe, nicht mehr verstanden. Denn Jesus habe - so die ebenfalls unbewiesene These - "ausnahmslos alle seine Worte poetisch geformt", was in der Überlieferung Anlass zu weiteren Missverständnissen und Verdrehungen gegeben habe.

Um den Unverstand der Evangelisten zu korrigieren, hat sich Schwarz ein doppeltes Ziel gesetzt: Erstens die aus der Unkenntnis des Aramäischen resultierenden Übersetzungsfehler zu beheben und zweitens die für Jesus typischen "poetischen Formen" wiederherzustellen. Dabei freilich öffnet er der Willkür Tür und Tor: Ohne eine irgendwie erkennbare Methodik befindet er nach freiem Gutdünken über die Authentizität von Jesusworten, die er in kruder Verdrehtheit (gemäß der von ihm postulierten aramäischen Urfassung!) wiedergibt. Die dann von ihm angeschlossenen Interpretationen stellen ebenfalls eine sonderliche Mischung aus konservativem Biblizismus und einer progressiv anmutenden Kirchenkritik dar.

Endgültig ins Skurrile gleiten dann die abschließenden Ausführungen zur Spiritualität Jesu ab. Jesus wäre nicht wirklich gestorben und auferstanden, sondern hätte schon zu Lebzeiten vorausgesagt, "dass sein Körper aus Materie in Geist = Energie umgewandelt werde". Diese Gewissheit gewinnt der Autor aus der angeblich der Bibel zu Grunde liegenden Viergestalt des Menschen aus "Grobstoffkörper", "Feinstoffkörper", "Geistkörper" und "Geistkern", einer fast gnostischen Anthropologie. Zurück bleibt ein staunender Leser, voll der Verwunderung, was man mit "Übersetzungen" nicht alles anrichten kann.

Grundsätzlich sei gesagt: Seriöse Bibelwissenschaftler gehen heute immer stärker davon ab, aramäische Rückübersetzungen der Worte Jesu anzustellen. Die Überlieferung der Jesusworte war schon sehr früh ans Griechische (die damalige Lingua franca) gekoppelt. Damit ist eine exakte Trennung zwischen aramäischem Jesuswort und griechischer Interpretation der Urkirche nur mehr bedingt möglich. Obendrein ist es sehr wahrscheinlich, dass auch Jesus und seine Jünger - zumindest elementare - Kenntnisse der griechischen Sprache besaßen.

Der Autor ist Assistent am Inst. f. Neustestamentl. Bibelwissenschaft der Kath.-Theol. Fakultät in Wien.

WORTE DES RABBI JESCHU Eine Wiederherstellung. Von Günther Schwarz. Verlag Styria, Wien 2003. 224 Seiten, brosch., e 16,90

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