"Kulturkampf“ um Sexualkunde

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Am 1. Juli soll Kroatien das 28. Mitgliedsland der Europäischen Union werden. Bei den am 14. April abgehaltenen ersten Wahlen zum Europaparlament setzte sich die oppositionelle HDZ, die Partei von Staatsgründer Franjo Tudjman, durch, während nach der zweiten Runde der Kommunalwahlen am vergangenen Wochenende die sozialdemokratische SDP, die auf Bundesebene eine Mitte-links-Koalition anführt, siegreich blieb.

Im Vorfeld des EU-Beitritts wird das Land auch von einem veritablen Kulturkampf gebeutelt, den die rechte Reichshälfte mit Unterstützung der katholischen Kirche, zu der nach wie vor über 80 Prozent der Kroaten gehören, führt. Auch dabei spielt das Thema gleichgeschlechtliche Ehe eine wesentliche Rolle. Die aus verschiedenen, meist katholischen Gruppierungen gebildetete NGO "Im Namen der Familie“ hat 700.000 Unterschriften zur Einleitung eines Referendums, bei dem die Ehe in der Verfassung als Gemeinschaft zwischen Mann und Frau definiert werden soll, gesammelt.

Vor Referendum gegen Homo-Ehe

Die Proponenten der Initiative befürchten, dass die bislang unbestimmte Verfassungsbestimmung in Sachen Ehe nach dem EU-Beitritt eine Einführung der Homo-Ehe durch die Hintertür ermöglicht. In der Auseinandersetzung, in der auch die höhere Suizidgefährdung von Kindern in homosexuellen Partnerschaften behauptet wird, dienen die Proteste in Frankreich als Vorbild. Dabei plant die Regierung von Premier Zoran Milanovi´c gar keine Initiative zur Homo-Ehe, sondern sie präferiert das Modell einer eingetragenen Partnerschaft.

Der Konflikt zwischen Kirche und rechten Organisationen auf der einen und Anhängern der Mitte-Links-Koalition auf der anderen Seite schwelt schon, seit die Regierung Ende letzten Jahres die Lehrpläne fürs Unterrichtsfach Gesundheitskunde vorlegte. Proteste entzündeten sich dabei gegen die so geplante Sexualkunde in den Schulen, wo, wie Kritiker der Regierung vorwarfen, Masturbation und Homosexualität als etwas "Natürliches“ nähergebracht werden solle. Zagrebs Erzbischof, Kardinal Josip Bozani´c, qualifizierte den Lehrplan als "nicht im Einklang mit der kroatischen Tradition“ stehend und als "gefährlich“ ab. Besonders erzürnt war die Regierung, dass Bozani´c in seiner Weihnachtspredigt im Zagreber Dom, wo der Ministerpräsident in der ersten Reihe saß, die Kritik weiterführte. Milanovi´c seinerseits verwahrte sich in der Debatte gegen die "Einmischung“ der Kirche "in weltliche Angelegenheiten“ und meinte, der "Kulturkampf“ sei von einer "besonders aggressiven Gruppe“ angezettelt worden.

Allerdings stoppte am 22. Mai das kroatische Verfassungsgericht den im Februar eingeführten Sexualkundeunterricht bis auf weiteres wieder: Die Regierung habe es verabsäumt, bei der Erstellung des Lehrplans, die Eltern adäquat einzubeziehen. Die katholischen Gegner, deren Beschwerde zu diesem Erkenntnis geführt hatte, fordern seither den Rücktritt von Bildungsminister Zeljko Jovanovi´c (SDP).

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