schubert - © Universität Wien

Kurt Schubert - Genannt: Moses

19451960198020002020

Für Kurt Schubert war die Beschäftigung mit dem Judentum Ausdruck seines Widerstandes gegen das NS-Regime.

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Für Kurt Schubert war die Beschäftigung mit dem Judentum Ausdruck seines Widerstandes gegen das NS-Regime.

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Kurt Schubert hat es einmal als seine "Lebensaufgabe" bezeichnet, "uns Christen klar zu machen, dass Israel das erwählte Volk bleibt". Und er empfindet dies schon in relativ früher Jugend - als dies tragischerweise den meisten Katholiken verschlossen bleibt. Um 1940 erhält Schubert dafür seinen ihm verbliebenen Spitznamen: Moses. In einer Zeit, als Teile der Kirche noch einen "ethischen Antisemitismus" verteidigten zu müssen glauben, nimmt "Moses" das Erwählungszeugnis der in seiner Nachbarschaft verfolgten Juden an. Wahrlich eine unerhörte, lebensbedrohende Positionierung für einen Katholiken im "Großdeutschen Reich"!

Schlüssel Judentum

Doch der starrköpfige junge Mann lässt sich nicht einschüchtern: Gerade im verfolgten, bedrohten, dennoch gelebten Judentum - auch noch im Wien der Deportationsjahre 1938-42 -, sieht er den Wegweiser zu einem verborgen gebliebenen Schlüssel für ein richtiges Verstehen der Lehre des Jesus von Nazareth. In späteren Jahren wird Kurt Schubert gerade für seine leidenschaftliche Verteidigung des leeren Grabes dieses Jesus von Nazaret bekannt. Er tut dies - auch gegen die Kritik von Exegeten - wiederum aus eben dieser Grundüberzeugung: dass nämlich die Evangelien bei einer Missachtung jüdischer Glaubensüberzeugungen und historischer Reflexion nach dem fundamentum in re selbst unglaubwürdig würden. Deshalb betont Schubert, dass es für Juden der Zeit Jesu Auferstehung nur als leibliche Auferstehung geben konnte. Eine rein geistige wäre nicht denkbar.

Der 1923 Geborene hat öfters berichtet, wie er noch vor der Matura den ns-Einmarsch 1938 und die ausbrechende Judenverfolgung erlebt hat. Er habe das Glück gehabt, wegen seines Asthmas nicht kriegsdienstfähig, sondern nur "arbeitsverwendungsfähig" gewesen zu sein. Deshalb habe er in Wien bleiben und studieren können. Er findet heraus, dass am Institut für altorientalische Philologie das Erlernen der hebräischen Sprache auch nach 1938 möglich ist.

Als er mit dem Hebräisch-Studium beginnt, ist das für ihn Ausdruck des geistigen Protests gegen das Regime und der Solidarität mit den Juden. 1944 promoviert er mit einer Arbeit über die Außenpolitik König Hammurabis.

Geistige Heimat wird ihm in jener Zeit die heimlich geführte Katholische Hochschuljugend, die von Karl Strobl geleitet wird. Unter anderem kommt auch Erika Weinzierl aus diesem "Stall".

Anfang 1945 wird Schuberts Vater von der Gestapo verhaftet. Kurt Schubert - jetzt Dr. phil. - lebt de facto als U-Boot. Als am 10. April 1945 die Rote Armee das Universitätsviertel besetzt, ergreift er die Initiative. Schon am 11. April geht er in das im Palais Auersperg untergebrachte Büro der Widerstandsbewegung "O5" und erklärt, dass er "die Universität wiedereröffnen möchte". Mit einem von der Stadtkommandatur zugewiesenen jungen russischen Offizier und Kunstgeschichtestudenten als Begleiter beschafft er sich den Stempel der Universität, schneidet das Hakenkreuz heraus und fertigt mit Stempel versehene Anschläge für die Bäckereien an, gerichtet "an alle Studentinnen und Studenten, die im Sommersemester 1945 inskribieren wollen".

Die Studenten werden aufgefordert, "unverzüglich in die Universität zu kommen" und einen Räumungseinsatz zu leisten. Als Beginn des Sommersemesters wird der 2. Mai festgelegt. Als Zeichen des Neubeginns widmet die Universität am 2. Mai 1945 ihre erste Vorlesung - Schubert hält sie als junge "wissenschaftliche Hilfskraft" - der Sprache des Volkes Israel. Die Hörer sind durchwegs so genannte "Mischlinge" - darunter auch Schuberts spätere Frau.

Ein Katholik in Israel

Später kommen auch immer mehr jüdische "Displaced persons" (dps) zu seinen Vorlesungen. Mit rumänischen Juden aus dem dp-Camp Saalfelden macht Schubert kurz nach der Staatsgründung Israels die "Alija", die jüdische Emigration nach Israel, über Bari nach Haifa mit. In Tel Aviv kommen Hunderte zu seinem Vortrag über Hammurabi - aber nicht, weil sie über Hammurabi hören wollen, sondern "weil ein katholischer Professor der Universität Wien in hebräischer Sprache vorträgt".

In Israel sorgt Schubert auch für die Neuaufstellung des von ihm geretteten, zuvor von den Nazis zur Verbrennung freigegebenen Buchbestands des Wiener Rabbinerseminars. Aus Schuberts Judaistik-Schule sind hervorragende Repräsentanten dieses Faches hervorgegangen - Clemens Thoma, Günther Stemberger, Ferdinand Dexinger, Jacob Allerhand - und er bleibt im hohen Alter aktiv: Seine jüngste Großaktion ist die Gründung des Judaistik-Institut an der Universität Olmütz (2005).

Der Autor ist Redakteur der Nachrichtenagentur Kathpress.

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