Der christliche Glaube scheint humorlos. Gibt es wirklich nur Heidenspaß?
Die Schwestern des Klosters Santa Hildegardis sind sich ganz sicher: "Als Gott die Welt erschaffen hat, hat er auch den Humor kreiert. Die Erschaffung der Erde ist auf der Basis des Humors geschehen." Auch auf die lange umstrittene Frage, ob Jesus je gelacht habe, wissen sie eine Antwort: "Selbstverständlich hat er gelacht, als Mensch wie auch als Gott. Würde Gott nicht über uns lachen, fehlte uns etwas."
Damit sind wir schon beim Thema: Lacht Gott? Unter den wenigen Bibelstellen, die von Gelächter berichten, gibt es ein paar, die vom Lachen Gottes sprechen. Im Psalm 2 etwa geht es um die Pläne der Völker und ihrer Könige gegen Gott und seinen Gesalbten. Da heißt es: "Der in den Himmeln wohnet, er lacht; ihrer spottet der Herr." Ganz ähnlich an den anderen Stellen (Psalm 37,13; Psalm 59,9; Sprüche 1,26); auch dort ist vom Lachen und Spott Gottes über seine Widersacher die Rede.
Körperfeindliche Christen
Mit der anthropomorphen Redeweise werden menschliche Vorstellungen von Gott ausgedrückt. Welcher Sinn steckt dahinter? Helmut Plessner hat das Lachen von anderen Gefühls- und Stimmungsäußerungen unterschieden. Während Zorn, Freude oder Liebe am Körper immer eine kulturell festgelegte Ausprägung finden, bleibt das Lachen (wie das Weinen) in allen Kulturen weitgehend gleich. Lachende überlassen ihren Körper sich selbst, der Körper übernimmt für sie die Antwort auf eine Situation, die sie nicht beherrschen können. Auf dem Hintergrund christlicher Körperfeindlichkeit kann es genau diese enge Bindung des Lachens an den Körper gewesen sein, warum sich der Glaube derart humorlos entwickelte.
Die übertragene Redeweise vom lachenden Gott bedeutet also, dass Gott auf den Widerspruch zwischen der himmlischen und der irdischen Realität reagiert. Wenn selbst dem Himmelreich Gewalt angetan werden kann (Matthäus 11,12), entlädt sich Gottes Widerspruch nicht mit Worten und Taten, sondern mit Lachen.
Vielleicht spielte das Lachen schon bei der Entstehung der Welt eine Rolle, dort, wo der Widerspruch zwischen dem Chaos und dem Kosmos aufbricht? Die christliche Tradition kennt seit Jahrhunderten das Osterlachen an der Bruchlinie der Neuschöpfung vom Tod zum Leben, wodurch das "Lachen zum liturgischen Symbol" geworden ist, wie Joseph Ratzinger formuliert, weil das Lachen - wie Sören Kierkegaard meinte - Ausdruck jenes Humors ist, welcher die Welt überwunden hat.
Spaß muss nicht nur Heidenspaß sein. Hier verläuft die Trennlinie zwischen dem Gelächterterror der Spaßgesellschaft und dem Humor, der von woanders her lebt, nämlich von der "großen Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden wird" (Lukas 2, 10). Lachen ist der Ausdruck einer unaufgegebenen Hoffnung. Im befreienden Gelächter trotzen Gott und Mensch der widersprüchlichen Welt Möglichkeiten ab, die sie bisher nicht hatte.
Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.
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