Lässt Gott Kinder sterben?

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Hunderte Kinder sind in Beslan zu Opfern des Terrors geworden. Wie kann Gott das zulassen? Die alte Frage der Theodizee stellt sich brennend neu. In Dostojewskis Roman kommt Iwan Karamasow angesichts des Leidens der Kinder zu dem Entschluss, dass er "in aller Ehrerbietung" Gott das Eintrittsbillett für diese Welt zurückgeben will.

Was aber, wenn die Täter und Täterinnen darüber hinaus ihre Verbrechen religiös motivieren und ihre Untaten auf Gott zurückführen? Das dürfte bei den tschetschenischen Attentätern und Söldnern von Beslan der Fall sein, auch wenn der Konflikt im Nordkaukasus andere Wurzeln hat. Dann würde Gott nicht nur - unbegreiflich genug! - das Leiden der Kinder zulassen, sondern es letztlich sogar verursachen. Ein Gott des Terrors würde an die Stelle des Gottes der Barmherzigkeit und der Liebe treten.

"Ich habe euch die Seifenoper-Liebe herausgeprügelt: jetzt ist die Rache eure Religion. An die umpanzerten Herzen der Soldaten Gottes greift der Imperialist vergeblich... Wir zeigen ihnen, wie das geht, der Terror Gottes!" So heißt es in der Erzählung "Gottes Krieger" von Feridun Zaimoglu.

Der Zusammenhang von Religion und Gewalt ist offenkundig. In der christlichen Tradition zeigt er sich an der Spannung zwischen dem "Friedenstiften" auf der einen Seite und dem "Drachentöten" auf der anderen. Es ist nicht so, dass sich die Religionen, die Kirchen und die einzelnen Gläubigen quasi automatisch auf dem Weg des Friedens befinden. Es braucht dazu eine Entscheidung, die einen kritischen Umgang mit dem eigenen Glauben und eine Spiritualität der Friedfertigkeit und Gewaltlosigkeit voraussetzt. Ein Schritt auf diesem Weg ist das weltweite Friedensgebet, zu dem der Ökumenische Rat der Kirchen für den 21. September aufruft.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

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