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Laien als Kardinale?

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Ein Gerücht, das sich hartnäckig hält, besagt, Papst Paul dächte daran, „Laienkardinäle“ einzusetzen. Die Zeitschrift „Time“ nennt in diesem Zusammenhang sogar schon den Namen des berühmten französischen Philosophen und Diplomaten Jacques Maritain.

Nach dem zur Zeit geltenden Kirchenrecht muß ein Kardinal für den roten Kardinalshut erst zum Priester geweiht sein. Papst Johan-

nes bestimmte 1962, daß, wenn der neue Kardinal noch nicht zum Bisohof geweiht ist, dies so bald wie möglich zu geschehen hätte. Er selbst nahm damals in einer denkwürdigen Gründonnerstag-Zeremonie die Bischofsweihe der neuernannten Kardinale vor.

Papst Paul könnte jedoch eine Dispens von dieser Bestimmung erteilen, denn die Kardinäle sind eine Schöpfung des Kirchenrechtes, so daß der Papst praktisch unbegrenzte Vollmachten hat.

Die wichtigste Funktion; der Kardinale ist die Wahl des tpett?h PaP" stes. Bevor es so etwas wie den Kardinalsrang gab, bestimmten einige Päpste ihre Nachfolger selbst, andere wurden von Rom, wie jeder andere Bischof, durch eine Versammlung des Klerus, des Laientums und einiger Nachbarbischöfe gewählt. Erst seit rund 800 Jahren ist die Wahl des Papstes dem Kardinalskollegium Vorbehalten.

Dieses Kollegium ist also eine Art Nachfolger der alten Wahlversammlung. Es besteht aus den sechs Bischöfen der kleinen Vorstadtdiözesen Roms, den sogenannten Kardinalbischöfen, rund 60 Erzbischöfen der ganzen Welt, die als Titularpfarrer der wichtigsten alten Pfarreien Roms ernannt sind, den sogenannten Kardinalpriestern, und ungefähr 20 Kardinaldiakonen, den formellen Häuptern der alten römischen Dekanate, welche die Zentren der katholischen Caritasverwaltung jener Zeit waren.

Es wäre nicht schwierig, in diese Struktur auch einen „Laienkardinal“ einzubauen. Der Papst könnte einen neuen Kardinalstyp einführen: einen Laien, der keine weitere Autorität in der Kirche besitzt ais die, bei der Papstwahl seine Stimme abzugeben. Laien haben in der Vergangenheit schon an Papstwahlen teilgenommen und sogar schon einen Laien zum Papst gewählt. Im 3. Jahrhundert kam der hl. Fabian während der Papstwahl von seinem Bauerngut als Laie nach Rom und wurde durch den Klerus und die Gläubigen der Stadt zum Bischof von Rom gewählt.

Was man aber gewöhnlich unter einem „Laienkardinal“ versteht, ist nicht dieser neue Typ. Bis jetzt wurde dieser Ausdruck vielmehr auf Kardinäle angewandt, die zur Zeit ihrer Ernennung zum Kardinal noch keine Priester waren.

Laienkardinäle dieser Art haben der Kirche schon große Dienste erwiesen. Kardinal Reginald Pole war einer von ihnen. Er leitete zeitweise die erste Sitzung des großen Reformkonzils von Trient im 16. Jahrhundert und war mindestens in zwei Konklaven ein prominenter Papstkandidat. Später wurde er päpstlicher Legat in seinem Heimat-

land England und unter der katholischen Königin Mary zum Erzbischof von Canterbury gewählt. All dies geschah, bevor er zum Priester geweiht war.

Ein anderer solcher Laienkardinal war Gaspare Contarini, dessen Laufbahn in auffälliger Weise der Jacques Maritains gleicht. Maritain war französischer Botschafter beim Vatikan, Contarini vertrat seine Heimatrepublik Venedig beim Vati-

kan, in Spanien, England und am österreichischen Hof. Wie Maritain war er ein bedeutender Gelehrter. Nachdem Paul III., der das Konzil von Trient plante, ihn zum Kardinal erhoben hatte, führte Contarini eine päpstliche Delegation nach Deutschland, um mit den Lutheranern eine Übereinstimmung in der

Lehre zu suchen. Er war auch Vorsitzender der Kommission Pauls III. für die Kirchenreform.

Der heiligmäßigste Laienkardinal war sicherlich Kardinal Borromäus. 25 Jahre nach seinem Tod wurde er heiliggesprochen. Karl Borromäus war allerdings nur vier Jahre lang Laienkardinal, dann wurde er zum Priester und zum Bischof geweiht. Doch hatte er schon im Alter von 12 Jahren — ein in der damaligen Zeit häufiger Mißbrauch — die Tonsur der Kleriker erhalten.

Als Karl Borromäus 21 Jahre alt war, wurde sein Onkel als Pius IV. zum Papst gewählt. Fast automatisch bestimmte man Karl Borromäus nach der anstößigen Sitte jener Zeit zum Kardinalstaatssekretär und übertrug ihm gleichzeitig die Verwahrung des wichtigen Bischofssitzes von Mailand, des

Gouverneursamtes des Kirchenstaates und andere Einkommensquellen. Karl Borromäus arbeitete als Laienkardinal sehr intensiv, um das Konzil von Trient für seine zweite Sitzung wieder zusammenzubringen. Er war auch der leitende Kopf bei den Konzilsberatungen und aktiv beteiligt an der Schaffung des berühmten Trienter Katechismus und der Revision des Missale und des Breviers.

Mit 25 Jahrein wurde Karl Borromäus zum Priester und zum Bischof geweiht. Der hl. Papst Pius V. hielt ihn drei Jahre bei den Konzilsarbeiten und in der Kurie der römischen Kirche fest, bevor er ihm erlaubte, nach seinem Bischofssitz Mailand zurückzukehren. Dort wurde sein Hirteneifer zum Vorbild aller Bischöfe. Papst Johannes XXIII., der sich die ersten Sporen in der historischen Forschung durch seine Veröffentlichung über den Episkopat des hl. Borromäus verdient hat, wählte den Festtag dieses Heiligen zu seinem Krönungstag.

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