Laien - mehr als halbe Christen

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Seit dem Konzil sollte die Rede von "Klerikern" und "Laien" eigentlich überholt sein.

In der Kirche gibt es keine größere Würde als die, getauft zu sein." Die Reaktion eines Gemeindepfarrers auf die pompöse Feier zur Amtseinführung eines neuen Bischofs klingt wie eine "gefährliche Erinnerung" an die Vergewisserung des Konzils: "Eines ist also das auserwählte Volk Gottes: Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe' (Eph 4,5); gemeinsam die Würde der Glieder aus der Wiedergeburt in Christus, gemeinsam die Gnade der Kindschaft, gemeinsam die Berufung zur Vollkommenheit; eines ist das Heil, eine die Hoffnung und ungeteilt die Liebe." (Konzilskonstituion "Lumen gentium", lg 32).

Alle sind Volk Gottes

Wenn es keine größere Würde gibt als die getauft zu sein, dann ist - Hochwürden hin, Exzellenzen her - die Rede von "Laien" und "Klerikern" eigentlich überholt: Alle sind gleich würdige Mitglieder des Volkes Gottes und bilden als solche in wechselseitiger Verwiesenheit die Kirche Christi (vgl. lg 30); alle sind Getaufte, einige von diesen werden durch die Weihe zum besonderen priesterlichen Dienst bestellt. Kraft Taufe und Firmung haben alle Gläubigen teil am dreifachen (priesterlichen, prophetischen und königlichen) Amt Christi (lg 10, sowie das Laiendekret "Apostolicam Actuositatem", aa 2). Deshalb ist "der Apostolat der Laien [...] Teilnahme an der Heilssendung der Kirche selbst" (lg 33; aa 2), und zwar nicht als sekundäre Ableitung, als Hilfsfunktion für die Hierarchie (wie herkömmlich die "Katholische Aktion" verstanden wurde), sondern als ursprünglicher Beitrag. Die Teilnahme der "Laien" an der Sendung der Kirche - alles, was dazu gehört, heißt "Apostolat" (aa 2) - wurzelt in der Bindung an Christus, nicht in einer Beauftragung durch die kirchliche Hierarchie, auch wenn es der Hirten- oder Wächteraufgabe der Hierarchie vorbehalten bleibt, über die Katholizität der Laien-Initiativen zu wachen (aa 24).

Welt und Heute

Die neue Sicht des Konzils auf die "Laien" wächst im Ringen um eine grundlegende Neubestimmung des Verhältnisses von Kirche und Welt: Wenn die Welt in ihrem jeweiligen "Heute" Ort der je neuen Inkarnation der Heilsbotschaft ist, dann ist das In-der-Welt-Stehen (traditionell dem Laien zugeschrieben) für jeden Christen der notwendige Ort, um die Sendung der Kirche zu erfüllen.

Die gleichwürdige Zugehörigkeit zum Volk Gottes und die Entdeckung des Weltbezugs als notwendiges Moment der Sendung bilden den theologischen Horizont für gegenwärtig notwendige Klärungen im Verhältnis zwischen den Getauften und Gefirmten und den durch die Priesterweihe zum besonderen Dienst bestellten Mitgliedern der Kirche:

Mitverantwortung der Getauften und Gefirmten ist für die Sendung der Kirche eine theologische und kirchenpraktische Notwendigkeit: Entsprechende Bereitschaft der "Laien" ist ebenso zu erwarten wie deren Förderung seitens des Klerus, insbesondere der Leitungsverantwortlichen, zu verlangen ist. Die nachkonziliare Kirche hat dafür vergleichsweise günstige Rahmenbedingungen geschaffen, die allerdings der Weiterentwicklung bedürfen:

Kirchenrechtlich verbürgte Gremien der Mitverantwortung und das Instrument der Diözesansynode geben dem ehrenamtlichen Engagement in der Gemeinde und in übergeordneten Organisationsebenen der Ortskirche eine Struktur, sichern den "Laien" gewisse Partizipationsrechte; der Ausbau partizipativer Strukturen (z.B. im Blick auf die Bischofswahl) läge in der Logik dieser vom Konzil gewiesenen Richtung. Allerdings wird in manchen Ortskirchen (derzeit besonders drastisch im Bistum Regensburg) eine Politik des Misstrauens gegenüber den Laiengremien praktiziert.

Das Berufsbild Pastoralassistent/Pastoralassistentin ist eine weitere Frucht der theologischen Neubewertung der "Laien", die (zumal für theologisch ausgebildete Frauen) bis dato ungekannte Möglichkeiten in der Gemeindepastoral, in der kategorialen Seelsorge, in der geistlichen Begleitung eröffnete; die mangelnde Klärung des Berufsbildes (Einsatzfelder; faktische und rechtliche Zuständigkeiten, insbesondere in der Beteiligung an Leitungsverantwortung) dürfte aber zu den heute virulenten Problemen und Verwerfungen beigetragen haben. So haben zahlreiche deutsche Diözesen in jüngster Zeit die Einstellung von Pastoralassistent(inn)en reduziert oder ganz eingestellt, häufig auch die Ausbildung gestoppt - bei gleichzeitig immer dramatischerem Rückgang der Zahl aktiver Priester - für die Sendung der Kirche ein fatales Signal.

Fatale Kirchen-Signale

So repräsentieren die genannten Felder zwar einen vom Konzil eröffneten Möglichkeitsraum. Jedoch scheint der Ausbau gegenwärtig nicht nur zu stagnieren, sondern von verschiedenen Seiten her in Frage gestellt zu werden. Verunsicherungen priesterlicher Identität - angesichts der Erweiterung von Handlungsräumen vor allem für hauptamtlich tätige "Laien", aber auch angesichts der stark rückläufigen Nachwuchszahlen für das Priesteramt unter den gegenwärtigen Bedingungen - tragen zu dem Eindruck bei, kirchliche Sorge richte sich defensiv auf "Alleinstellungsmerkmale" für Kleriker. Das "alte" Bild einer Ordnung, die den "Laien" Gehorsam und Dienstbarkeit gegenüber der Hierarchie, aber nicht eigenes Judicium im Glauben, nicht den ihnen vom Konzil ausdrücklich zugesprochenen Glaubenssinn, nicht eine eigenständige Mitverantwortung an der Sendung der Kirche zuwies, wird als vermeintliches Heilmittel in der Krise wieder hervorgeholt.

Mutige Priester gefragt

Auf die bedrängende Frage, wie die Kirche im Zusammenwirken aller Getauften ihrer Sendung unter den gegenwärtigen Bedingungen gerecht werden kann, wird es so jedoch keine Zukunft eröffnende Antwort geben. Unter dem gegenwärtigen Veränderungsdruck ist die Kreativität und Mitverantwortung mündiger "Laien" notwendig, selbst wenn (bzw. gerade weil?) deren Loyalität auch die Form unbequemer Kritik annehmen kann.

Damit solche Beiträge gehört und ernst genommen werden können, braucht es aber auch mündige und mutige Priester, die bereit sind, in der Krise einer überkommenen Kirchengestalt eine Chance für eine neue Gestalt von Kirche in der Welt zu entdecken, die endlich als Gemeinschaft aller Getauften und Gefirmten zu leben ist.

Die Autorin ist Professorin für Christliche Soziallehre und Allgemeine Religionssoziologie an der Universität Bamberg und gehört dem "Zentralkomitee der deutschen Katholiken", dem Dachverband der katholischen Laienorganisationen in Deutschland, an.

Nächste Woche: IX. KONZIL UND WELT Leo Karrer/Fribourg über das Pastoraldokument "Gaudium et Spes".

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