Lainz wie es singt und lacht

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"Lachen ist gesund", sagt der Volksmund. Zumindest wirkt es schmerzlindernd und weckt die Lebensgeister. Für die "Roten Nasen" Grund genug, auch dort für Spaß zu sorgen, wo es nicht mehr viel zu lachen gibt: im Geriatriezentrum am Wienerwald.

Girlanden ranken sich den Gang entlang, bunte Clownpuppen hängen an Seilen von der Decke, Pfeiferl und Masken sind an die Türen geklebt. Kein Zweifel: Es ist Fasching - auch in Lainz. Doch hinter der Fassade, in den Zimmern selbst, ist Schluss mit lustig: "Diese Menschen haben ihren Beruf, ihre Gesundheit und ihr soziales Umfeld verloren", weiß Primar Georg Wense. Für viele von ihnen ist das Geriatriezentrum am Wienerwald die Endstation des Lebens. "Alles, was hier ein wenig Fröhlichkeit bringt, ist wertvoll."

Lachtherapie im Heim

Umso mehr weiß Wense jenes humoristische Expertenteam zu schätzen, das seine Abteilung im Pavillon 1 jeden zweiten Freitag kurzzeitig in ein Tollhaus verwandelt: die "Roten Nasen". Zwei ausgebildete Clowns in Arztmontur - "Professor Dr. Eierkopf" und "Primaria Dr. Camilla Breitfuß" - sorgen bei den alten Menschen für erheiternde Konfusion. Waren die 1994 gegründeten "Roten Nasen" vorerst nur auf Besuche kranker Kinder in Spitälern konzentriert, so wollen sie durch das 1999 begonnene Seniorenprogramm auch im tristen Heimalltag für mehr Lebensqualität sorgen und in Form von "Lachtherapien" den körperlichen und geistigen Verfall der Patienten verlangsamen helfen.

In der Praxis keine leichte Aufgabe, wie sich bei der Visite der Clowndoctors schon im ersten Zimmer zeigt: "Kennen Sie Frère Jacques?" fragt Dr. Eierkopf vulgo Andreas Moldaschl eine Dame - und startet mit seiner Kollegin Dr. Breitfuss alias Helga Hutter ein Duett. Die zweite Frau im Zimmer beobachtet die Szenerie mit Verwunderung. Erst am Ende des Kurzbesuchs meint sie schüchtern: "Danke, das hat Spaß gemacht." Pech für die dritte Zimmerkollegin: Sie hat das amüsante Tohuwabohu schlichtweg verschlafen.

Auch ein Zimmer weiter ist die Stimmung anfangs angespannt: Nur eine Frau lugt neugierig unter der Bettdecke hervor. Für die Doktores Eierkopf und Breitfuss ein untrügliches Zeichen, einzuschreiten: Schnurstracks steuern die beiden auf sie zu und haben ihr - wenige Sekunden und eine Rückfrage später - auch schon eine rote Nase verpasst. "Man muss spüren, wie weit man gehen kann", ist sich Moldaschl - wie Hutter ausgebildeter Clown - bewusst. "Wir drängen uns nicht auf: Wer uns Interesse signalisiert, auf den gehen wir halt zu."

Anders als kranke Kinder würden alte Menschen Slapstick-Einlagen oft nicht besonders goutieren, erzählt Moldaschl. "Volks- oder Kinderlieder kommen dagegen meistens sehr gut an." Der Beweis für diese These wird wenige Minuten später erbracht: Rund ein Dutzend greise Damen sitzt im Aufenthaltsraum schweigsam um die Tische, manche im Rollstuhl, eine Frau erhält gerade eine Infusion. Doch als die Clowndoctors "Heut' kommen die Engerl auf Urlaub nach Wean" intonieren, hebt sich schlagartig die Stimmung. "Das haben wir immer beim Heurigen gesungen", erinnert sich eine Bewohnerin mit glasigen Augen und schunkelt in ihrem Rollstuhl mit. "Die Station hat sich durch unsere Besuche sehr verändert", ist Andreas Moldaschl überzeugt. "Natürlich kann das Lachen nicht Krebs heilen, aber es vitalisiert die Lebensgeister."

Eine Erkenntnis, die von der Lachforschung weitgehend geteilt wird. Zugleich warnen die Wissenschafter davor, die gesundheitsfördernde Bedeutung des Lachens zu überschätzen. "Die Psychosomatik hat vor allem die negative Wirkung von negativen Stimmungen belegen können: von Angst, Depressivität und chronischer Stressbelastung", erklärt Ilona Papousek, Neuropsychologin am Institut für Psychologie der Universität Graz. "Und man weiß, dass man während des Lachens nicht gleichzeitig ängstlich, depressiv oder gestresst sein kann." Darüber hinaus gehende heilsame Folgen des Humors seien aber nur schwach belegt, so Papousek. Vergleichsweise aussagekräftige Hinweise gebe es auf die schmerzlindernde Wirkung des Lachens.

Ein Zusammenhang, den auch der Lachforscher Willibald Ruch vom Institut für Psychologie der Universität Zürich nachgewiesen hat: Er konnte belegen, dass Probanden weniger Schmerz empfanden, wenn man ihnen einen Film des englischen Komikers Mr. Bean zeigte: Die Versuchspersonen mussten ihre Arme möglichst lange in Eiswasser halten. Wurden sie zum Lachen gebracht, ertrugen sie die Kälte besser.

Einige Belege gibt es auch, was die Stärkung des Immunsystems betrifft: So konnte Lee Berk von der Loma Linda University in Kalifornien nachweisen, dass während und nach heftigen Heiterkeitsausbrüchen die Aktivität der natürlichen Killerzellen sowie der Immunglobuline im Blut deutlich ansteigt.

Ob und wie sich während des Lachens die Gehirnaktivität verändert, will Ilona Papousek anhand eines aktuellen Forschungsprojektes klären: Dazu trafen sich 30 Studierende drei Wochen lang täglich zu einer halben Stunde "Lachyoga" am Grazer Institut für Psychologie. Noch stehen die Ergebnisse des Experiments aus. Im Rahmen eines ähnlichen Studiendesigns bei 40 Schlaganfallpatienten ist jedoch der Blutdruck der Probanden bei regelmäßigem Lachen nachhaltig gesunken. Beim Lachyoga wird mit Hilfe von pantomimischen Gesten und Übungen absichtlich gelacht. "Am Anfang ist das peinlich. Aber mit der Zeit schafft man aus dem Stand ein natürliches Lachen", erklärt Ilona Papousek, die selbst als Lachyoga-Trainerin arbeitet.

Worüber lachen wir?

Eine andere Frage ist, was Menschen grundsätzlich schmunzeln lässt. "Alles, was uns zum Lachen bringt, birgt etwas in sich, was unstimmig ist", weiß Humorforscher Willibald Ruch. Je nachdem, ob sich diese Inkongruenz auflösen lässt oder nicht, unterscheidet er etwa bei Witzen und Cartoons drei Kategorien: die leicht auflösbaren, die mit Schablonen arbeiten (z. B. Blondinenwitze); jene, die mit Nonsens-Humor arbeiten und sich nicht auflösen lassen (wie die Gags der englischen Komiker-Truppe Monty Python's); und schließlich Witze mit sexuellem Inhalt. Welche Sorte bei einem Menschen Heiterkeit hervorruft, hängt laut Ruch nicht von der Tagesverfassung ab, sondern von der Persönlichkeit.

Das müssen auch die beiden Humoristen in Lainz erfahren: Während manchen greisen Damen bei den "Rote Nasen"-Späßen die Freudentränen kommen, bleiben andere ungerührt. "Das Clown-Dasein ist eben nicht leicht", klagt Dr. Eierkopf nach getaner Arbeit. "Man muss jeden anders mit dem Schmäh erwischen."

Nähere Infos unter

www.rotenasen.at, Infos zum Lachyoga unter www.hoho-haha.de.

Veranstaltungstipp:

"Verrückt? Ver-rückt! Humor-Tage für Menschen im Umgang mit Menschen" Von 23. bis 25. April in Schloss Seggau/Südsteiermark. Anmeldung und Infos im Bildungshaus Mariatrost: (0316) 39 11 31-26, www.mariatrost.at

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