Leben für und in Indien

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Mit Heinrich Harrer interniert, später Mutter Teresas Beichtvater: Spannend lesen sich die Lebenserinnerungen des Jesuiten Josef Neuner.

Von den zur Zeit elf aus Vorarlberg stammenden Jesuiten ist er zweifellos - das wird selbst Georg Sporschill, der "Vater der Straßenkinder", einräumen - der weltweit prominenteste. Doch das ist ihm vermutlich ebenso egal wie der Umstand, dass er der älteste ist: Josef Neuner, Feldkircher des Jahrgangs 1908, Jesuit seit 80 Jahren und vielleicht erlebt er ja sogar sei-nen 100. Geburtstag.

Der "indische Joseph"

Seine Lebenserinnerungen, von Neuner 2003 in Indien veröffentlicht, hat er auch ins Deutsche übertragen: Ein Glücksfall - es gibt sie nämlich noch, die "schönen" Bücher: "Der indische Joseph" gehört dazu. Der Buchtitel spielt darauf an, wie Neuner von seinen Tiroler und Vorarlberger Verwandten genannt wird. Man wünscht ihm viele Leser, nicht nur, weil es sich um eine bibliophile Kostbarkeit handelt, sondern des Inhalts wegen. Außerdem lockt eine soziale Seite: Aus dem Erlös jedes verkauften Exemplars gehen zwei Euro an das Straßenkinder-Projekt Vishwadeep in Dauna/Indien.

Unter Theologen durch den Kurztitel "Neuner-Roos", einer Sammlung lehramtlicher Dokumente bekannt, ist der Missions-und Konzilstheologe eine internationale Autorität. Man sieht ihm das nicht an, er macht nichts aus sich. Das tun andere: Spät verlieh die Theologische Fakultät in Innsbruck 2001 dem 93-Jährigen den Ehrendoktor. Im Juni 2005 erhielt er von Landeshauptmann Sausgruber in Bregenz für sein Lebenswerk die höchste Auszeichnung, die das Land Vorarlberg zu vergeben hat.

Fern jeglicher professoraler Allüren oder irgendeiner Koketterie des alten Weisen, schon gar nicht mit dem Blick in den Spiegel erzählt Neuner nüchtern, unspektakulär und doch packend. Die Koordinaten von Lebensgeschichte, Ordensexistenz und theologischer Laufbahn sind am Schluss des Buchs benannt: zwei Weltkriege, der Zusammenbruch der Kolonialmächte, das Aufstreben nationaler Regierungen in Afrika und Asien, die Überwindung totalitärer Systeme wie Kommunismus und Nationalsozialismus, der Aufbruch der Kirche auf dem Weg zum Zweiten Vatikanischen Konzil.

Jahrhunderttheologen

Jahrhunderttheologen und andere Größen säumen diesen Lebensweg: Hugo und Karl Rahner, Pedro Arrupe, Alois Grillmeier, Hans Urs von Balthasar. Neuner war - als Österreicher dem Deutschen Reich angehörend - im selben Lager wie der dieser Tage zu Grabe getragene Heinrich Harrer interniert. Wichtiger waren dort Begegnungen mit Steyler Missionaren, Hindus, Muslimen und Juden. Für seine Lehrtätigkeit in Indien "in keiner Weise vorbereitet", wurde das Lager zur Schule! Mutter Teresa ( 1997) war er Beichtvater und Briefpartner - später dann theologischer Zensor für ihren Seligsprechungsprozess.

Der Aufbau des De-Nobili-Kollegs in Pune und des gesamtindischen Seminars in Bangalore ("All-India Institute"), Priesterausbildung und Exerzitien als "eine wichtige Ergänzung der akademischen Ausbildung" sind Schwerpunkte Neuners. Es ist kein Zufall, dass er das Buch "Walking With Him" 1985, dt. "Mein Leben mit Christus gestalten" (1987), als sein wichtigstes ansieht. Für viele Schwesterngemeinschaften und Säkularinstitute war Neuner zeitlebens ein wichtiger Begleiter, darunter auch die "Frohbotinnen" im heimatlichen Batschuns, die sein Buch verlegen.

Keine Selbstbespiegelung

Vieles findet man in diesem Buch nicht: keine besonderen "Anfechtungen", keine selbstbespiegelnden Erlebnisse, keinen Konzilstratsch oder sonstigen Kirchenklatsch ... Wer das vermisst, muss andere "Memoiren" lesen; auch von Theologen gibt es solche. Er habe in seinem Leben "wahrlich nichts Großartiges getan", resümiert Neuner. Sein Leben erzählt das Gegenteil. "Karriereplanung" findet im Jesuitenorden nicht statt. Selbst Neuners Laufbahn verdankt sich eher dem Zufall: Er sprang - ganz ähnlich wie einer der Gründerväter des Ordens, Franz Xaver (1506- 1552), für einen ausgefallenen, sich als nicht tropentauglich erweisenden Mitbruder ein.

Der Autor ist stv. Redaktionsleiter der "Stimmen der Zeit", München.

Der indische Joseph

Erinnerungen aus meinem Leben

Von P. Josef Neuner SJ. Verlag Die Quelle, Feldkirch 2005. 143 Seiten, kt., e 16,-

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