Leberknödelsuppe ist noch kein Integrationsrezept

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Seit der Zeit von Adam und Eva sind Menschen auf der Suche nach ihrem neuen Paradies unterwegs. Migration als böses und auszurottendes Phänomen anzusehen, ist deswegen völliger Humbug. Zur Migration vom Ursprungsland gehört Integration am Ankunftsort – und beides gehört gemanagt. Ein Uni-Lehrgang will diese Ausbildungslücke schließen.

Die Theatervorstellung wird zur Fremdsein-Erlebnistour: Mit dem Reisebus schickt das Theater Hausruck heuer sein Publikum auf eine dreistündige Reise durch Österreichs Asyl-, Migrations- und Integrationsdschungel. Und der präsentiert sich wild, verworren, unbarmherzig, bissig … Der Theaterbus fährt durch den Hausruck. Schauplatz der Tragödie der kosovarischen Familie Zogaj.

Den Fall Arigona verarbeitet der Autor Franzobel in seinem aktuellen Buch „Österreich ist schön“. Der zweite Teil mit dem Titel „A Hetz oder Die letzten Tage der Menschlichkeit“ wird gerade im Hausruck gespielt. Ein Lehrer fragt in dem Stück: „So? Sie wollen also Esterreicher werden? Aha? Was wissen Sie von unserem schenen Land? Was? Was von unserer schenen Sprach?“ Und der Lehrer antwortet gleich selbst: „An Schas. Sie kennan ja net amoil Deitsch … Deitsch hat stattzufinden. Wissen Sie wie man Mistküwezubrunzer und oidfadarischer Daunelaner sagt? Oder Erdäpfelwuzerl? An Schas.“

Das Stück ist ein Patchwork aus Theater, Video und Erlebnistourismus rund um die Themen Globalisierung und Migration. Der Zuseher erlebt, wie hinter Lederhosenpatriotismus plötzlich Xenophobie und kollektive Gewaltbereitschaft hervorquellen.

Dazu muss man in Österreich aber nicht ins Theater zu gehen. Es genügt, an einer Werbewand in Wien entlangzuradeln. Das Plakat zeigt ein afrikanisches Kind, das einen Löffel Essen bekommt. Als Begleittext zu dieser Werbung für die Caritas-Augustsammlung steht: „Ihre Spende kann Wunder wirken.“ Ein Sprayer hat jedoch drei Buchstaben mit Farbe übersprüht, als Text übrig bleibt: „Ihr ende kann Wunder wirken.“

Die letzten Tage der Menschlichkeit

„Die letzten Tage der Menschlichkeit“, der Untertitel des Hausrucker Theaters, lässt sich also eins zu eins auf die Bühne des täglichen Lebens übertragen. Doch „jeder Mensch hat ein Recht auf ein Leben in Würde“, hat Caritas-Präsident Franz Küberl kürzlich in einem Pressegespräch zu den UN-Entwicklungszielen die „Essenz des katholisch christlichen Glaubens“ zusammengefasst. Darin liegt auch das massive und nicht vor harscher Kritik an der Politik zurückscheuende Engagement der Caritas für das Fremdenwesen im In- und Ausland begründet. Küberls anschließende Forderung, dass man der „ungewollten Migration“ per Entwicklungshilfe entgegenwirken müsse, damit „Menschen unter halbwegs redlichen Umständen in ihrer angestammten Heimat leben können“, ist gut – Österreich drückt sich sowieso seit Jahrzehnten vor seinen Verpflichtungen in der Entwicklungszusammenarbeit. Außerdem schwingt unausgesprochen das fürs Spendensammeln hilfreiche Argument mit: „Geben wir für die dort, damit sie nicht zu uns kommen.“

Doch diese Rechnung geht nicht auf. Migration aus armen Weltregionen kann mit mehr Entwicklungshilfe kurz- und mittelfristig nicht eingedämmt werden. Im Gegenteil: Migration nimmt mit steigendem Entwicklungsstand eines Landes, einer Region sogar noch zu. Ein Wendepunkt, der sogenannte „Migrationsbuckel“, ist erst bei einem Bruttonationaleinkommen von 4000 US-Dollar pro Einwohner erreicht – und davon ist das Subsahara-Afrika meilenweit entfernt: Mali als relativ stabiles Land kommt auf 460 Dollar pro Kopf, Senegal als diesjähriges Caritas-Schwerpunktland hat im Durchschnitt 760 Dollar Bruttonationaleinkommen, Österreich zum Vergleich hält bei 39.750 US-Dollar pro Einwohner.

Entwicklungshilfe nützt, macht Leben vielerorts erträglich – ein Werkzeug zur Eindämmung von (Armuts-)Migration ist sie nicht. Und der Slogan: Migration sei dort zu bekämpfen, wo sie entsteht, ist sowieso Humbug. Migration ist nicht schlecht oder böse. Migration ist keine Krankheit, Epidemie oder Gefährliches und gehöre deswegen zum Wohle der Welt ausgerottet. Migration ist das, was Menschen seit Adam und Eva tun: Wegziehen, um ein neues Paradies zu suchen und wenn möglich zu finden.

Migration nicht stoppen, sondern managen

Migration kann deswegen nicht dort gestoppt werden, wo sie anfängt (kein Grenzwall ist hoch genug, kein Meer zu tief, wenn Menschen unterwegs sind), sondern Migration gehört dort gemanagt, mit Know-how, personellen und finanziellen Kapazitäten auf Integrationswege geleitet, wo die globalen Wanderungen ihr Ende finden. Noch dazu wo die in Österreich und anderswo in Europa vorherrschende Fremdenfeindlichkeit sowieso jeder Logik entbehrt, sagen doch alle diesbezüglichen Prognosen des letzten Jahrzehnts, dass es Zuwanderung zur Erhaltung der Wirtschaftskraft, Pensionensicherung etc. braucht.

Doch mit Logik und Vernunft scheint man im Themenbereich Migration/Integration auf verlorenem Posten zu stehen. Da regiert, nicht nur in Wahlkampfzeiten, die Emotion, das Vorurteil, das Wir-und-sie-Denken. Und dennoch: „Es muss uns gelingen, die Mehrheitsgesellschaft bei diesem Thema ins Boot zu holen“, sagt Alexander Janda, Geschäftsführer des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF). Gemeinsam mit der Universität Salzburg und dem Bildungshaus St. Virgil hat der ÖIF deswegen einen Universitätslehrgang „Migrationsmanagement“ gestartet (siehe Artikel unten). Ziel des Lehrgangs ist die praxisrelevante wie wissenschaftlichen Kriterien entsprechende Ausbildung von Migrationsspezialisten, die ihr Fachwissen anschließend in ihre Herkunftsberufe (öffentlicher Dienst, NGOs …) einfließen lassen und damit „zu einem gedeihlichen Miteinander“ zwischen Österreichern mit sehr lang und nicht so lang zurückliegendem Migrationshintergrund beitragen.

Damit nicht der Lehrer aus der „Hetz“ das letzte Wort behält: „Mit der Integrationsrechnung ist es wie mit aner Leberknödelsuppen. In aner Leberknödelsuppen is im Regelfall a Leberknödel aus aner Leber drin. San aber zwa Leberknödln in aner Leberknödlsuppe, ist es mit der Integration schon Essig, müsst man Leberknödelduosuppen sagen. … Darum bin i gegen die Leberknö, äh, gegen die Integration. So ist das. Sollen die anderen auslöffeln, den Dreck.“

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