St. Hedwig Modell - © Sichau Walter Zogmyaer

Leo Zogmayer und die St. Hewdigs-Kathedrale: Vom Ganzen der Mitte

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Um die Neugestaltung der katholischen St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin, mitkonzipiert vom österreichischen Künstler Leo Zogmayer, gibt es heftige Auseinandersetzungen.

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Um die Neugestaltung der katholischen St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin, mitkonzipiert vom österreichischen Künstler Leo Zogmayer, gibt es heftige Auseinandersetzungen.

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Es war einmal ein aufgeklärter König, der wollte in seiner Residenzstadt eine Kirche bauen lassen, in der jede Religion ihren Platz haben sollte und dies - wie beim Pantheon in Rom -unter einer alles "allgöttlich" überspannenden Kuppel. Doch man riet dem König davon ab, die Zeit wäre noch nicht reif dafür. Also setzte der König, später genannt Friedrich der Große, ein kleineres Zeichen seiner huldvollen Toleranz und gestattete es den Katholiken von Berlin, erstmals seit der Reformation eine eigene Kirche zu bauen. Er selber beauftragte seinen Hausarchitekten Knobelsdorff mit der Planung, gab ihm die Gestaltidee des Pantheons vor, stiftete den Baugrund und 18 Eichenstämme für die Fundamente, legte1747 den Grundstein und überließ es Rom und katholischen Ländern Europas, mit Spenden den Kirchenbau zu finanzieren.

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Dieser ehrwürdigen Kirche, sie ist der heiligen Hedwig geweiht und inzwischen Bischofsitz von Berlin, droht jetzt nach Ansicht traditionsbewusster Katholiken und beamteter Denkmalschützer eine "völlig unzulässige" Umgestaltung des Innenraums. Nachdem im März 1943 die Kirche nach einem Luftangriff der Alliierten von der Kuppel bis zur Krypta zerstört und ausgebrannt war, realisierte der Architekt Hans Schwippert im Zuge des Wiederaufbaus 1952 bis 1963 eine ungewöhnliche Idee: Er ließ die Krypta nach oben offen, sodass mitten im Kirchenraum eine kreisrunde Öffnung entstand, die über eine ebenfalls offene Treppe zugänglich ist. Seitdem gilt der Innenraum der St. Hedwigs-Kathedrale als architektonisches Unikum. Den einen ist er eine vertraute Besonderheit, anderen aber ein Ärgernis, das einer zeitgemäßen Gemeinschaftsliturgie im Wege steht. Heute wird die Öffnung von manchen einfach "das Loch" genannt.

"Illusionäre Umbaupläne"

Kardinal Rainer Maria Woelki (2011 bis 2014 Erzbischof von Berlin und nunmehr von Köln) war der Initiator für eine neue Lösung. "Da fällt alles Dialogische ins Loch", klagte er öffentlich über sein Unbehagen bei Predigt und Zelebration. Im Zuge einer geplanten Generalsanierung regte er Ende 2013 einen Wettbewerb an, zu dessen Vorgaben die Wiederherstellung der Einheit des Kirchenraumes und damit die Schließung der Kryptaöffnung gehörten. Die Gewinner, die Architekten Sichau & Walter aus Fulda und der österreichische Künstler Leo Zogmayer, konnten als einzige von 170 internationalen Einreichungen mit ihrem Konzept die Jury überzeugen. Kardinal Woelki wurde allerdings bald darauf nach Köln berufen. Der noch nicht bestimmte Nachfolger hat also zum Einstand eine schwierige Entscheidung zu treffen, denn namhafte Kritiker und verstörte Gemeindemitglieder erwarten, dass dieser die "illusionären Umbaupläne" der Preisträger möglichst rasch "zu den Akten" lege.

Das "Illusionäre" des Entwurfs ist allerdings nichts anderes als ein radikales Raumkonzept, streng gedacht nach der Liturgiereform des Konzils. Der feiernden Gemeinde soll vorbehaltlos der ganze Raum gehören, hell, schmucklos und stufenlos. Aufgeklärt in einem neuen Sinn. Die liturgischen Orte - Priestersitz, Ambo und Altar - befinden sich auf einer Ebene. So herrscht Barrierefreiheit für die Menschen -und für den Heiligen Geist. Was die Gemeinde zusammenschließt, ist kein magischheiliger Ort, der die Andacht bemäntelt, sondern ein lebendiges Geschehen. Communio. Um den "Tisch" in der Mitte, eine Halbkugel aus weißem Kalkstein, versammelt sich die Gemeinde in konzentrischen Kreisen. "Von der Mitte her ersteht das Ganze, und erst auf das Ganze hin erwacht die Mitte", schrieb einst Romano Guardini. In der Feier der Eucharistie wird der Kreis zum Sinnbild einer großen Hostie, die "ein einziger Leib" ist, "denn alle haben Anteil an dem einen Brot"(1Kor 10,17). Es gibt Unterschiede in der Funktion, aber nicht in "hierarchischer Würde". Lediglich der Sitz des Bischofs, die Kathedra, ist erkennbar erhöht. Als Ort der Stille, für Anbetung vor dem Tabernakel und für Liturgien mit kleineren Gruppen ist eine an den Hauptraum anschließende Sakramentskapelle geplant.

Krypta soll wieder Krypta werden

Die Krypta wird wieder -so sieht es das preisgekrönte Modell vor - zu dem, was der frühchristliche Name sagt, zum "verborgenen Ort", mit den Grablegen der Bischöfe und dem Sarkophag des mutigen Dompropstes Bernhard Lichtenberg, der 1938 nach den Novemberpogromen jeden Sonntag öffentlich für die Juden gebetet hatte, bis er eingesperrt wurde und auf dem Transport ins KZ starb. Überraschend, dass in der Mitte der Krypta, genau in der Vertikalen mit Altar und Scheitelpunkt der Kuppel, ein kreisrundes Taufbecken -den alten Baptisterien nachgebildet -in den Boden eingelassen ist. Eine Anregung, über den Zusammenhang von Krypta und Taufe nachzudenken. Taufen -etwa von Jugendlichen oder Erwachsenen -können somit auch durch Untertauchen vollzogen werden.

Insgesamt stellt das ziemlich puristische Konzept von Leo Zogmayer, dem Spiritus rector des Planerteams, hohe Anforderungen an eine liturgisch-theologische Fundierung der Feierkompetenz von Gemeinde und Priestern. Zumal ja das grundlegende Kirchenbild des Konzils -nach fünfzig Jahren! - noch immer nicht als "succo vitale"(Johannes XXIII.), als Lebenssaft, alle Glieder der Kirche durchpulst.

Enttäuscht, aber erfreut

Zogmayer schwebt mit dem Projekt St. Hedwig "ein vorbildlicher Ort" vor, der auch den Herausforderungen einer politischen und kulturellen Hauptstadt als "neues Wahrzeichen von Freiheitserfahrung" (Woelki) zu antworten vermag. Seit einiger Zeit wird auch daran gedacht, den Sitz der Deutschen Bischofskonferenz von Bonn nach Berlin zu verlegen, was für den Symbolcharakter des Kirchenraumes von St. Hedwig nicht ohne Bedeutung sein dürfte. Wie vor Kurzem zu hören war, hat die Staatsministerin für Kultur, Monika Grütters, bereits große Sympathie für das Großprojekt bekundet und Bundesförderung in Aussicht gestellt. Steht nur noch die Entscheidung des künftigen Erzbischofs aus.

Heftiger Widerspruch zum Erneuerungskonzept von St. Hedwig war zu erwarten. Während die Befürworter darin "ein starkes Signal in eine zunehmend profanierte Gesellschaft" sehen, sprechen die Gegner davon, dass der Entwurf sich "nicht an der Glaubenswirklichkeit in der Diaspora orientiert" und "geistliche Heimat zerstören" würde. Bei einer Klausurtagung zum Wettbewerb fand ein Diözesanrat, der "mit und in dieser Kirche groß geworden war", versöhnliche Worte: "Ich bin enttäuscht, weil es so schlicht ist. Aber ich bin hocherfreut, weil es so ganz dem entspricht, was ich unter Kirche, auch unter katholischer Kirche, verstehe." Seiner Meinung gelte auch für die Zukunft, dass ein Raum von den Menschen lebt, "von der Gemeinde und das heißt immer auch Veränderung."

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