Lessing und der Islam

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In vielen europäischen Ländern ist in den letzten Jahren durch Migrationsbewegungen unterschiedlicher Ursache die Zahl der Muslime stetig gestiegen. Auch in Österreich wächst die Angst vor der weiteren Ausbreitung dieser monotheistischen Weltreligion, die nach jüngsten Statistiken mit einer Milliarde Anhängern mit den Christen nahezu gleichauf liegt.

Karl Josef Kuschel, einer der bekanntesten Schüler (und inzwischen Mitarbeiter) von Hans Küng, dem er dieses Buch auch zum siebzigsten Geburtstag widmet, hat sich vorgenommen, mit seinem Buch "Vom Streit zum Wettstreit der Religionen" einen Beitrag zu leisten zu einem friedlichen Miteinander der Religionen anstelle von Vorurteilen, Verteufelung, Streit, Mord, Krieg. (Mit einer Liste der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen, angefangen von den Kreuzzügen bis zum Golfkrieg, könnte man Seiten füllen ...). Basis seiner Überlegungen ist nicht die Theologie, sondern die Literaturwissenschaft. Zunächst analysiert Kuschel den zeitgeschichtlichen, religiösen und literarischen Hintergrund von Lessings "Nathan der Weise", dessen Ringparabel immer noch zum Lernstoff jedes Gymnasiasten in Österreich gehört. Mit deutscher Gründlichkeit verweist er auf vergleichbare Ringgeschichten im Judentum und Christentum, bei Voltaire, islamische Perlengeschichten. Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß das Unvergleichliche an Lessings Aussageabsicht der gleiche Wert aller drei Religionen, die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit gegenseitiger Toleranz ist.

Lessing selbst erlebte die Uraufführung seines Dramas nicht, die erst 1783, zwei Jahre nach seinem Tod, auf die Bühne gebracht werden durfte. Kuschel arbeitet deutlich heraus, daß es hinter Lessing kein Zurück geben darf (Toleranz, das Andere als Bereicherung wahrnehmen, Stereotypen, Ignoranz und Vorurteile bekämpfen, fanatische Missionierungen ablehnen), daß aber offene Postulate erst noch eingelöst werden müssen: kein Indifferentismus gegenüber der jeweils anderen Religion, keine Auflösung von Transzendenz in eine religionsfreie Humanität. "Dieser Versuch einer biblisch begründeten Theologie der Religionen, wo das je Eigentümliche herausgearbeitet werden kann, ohne daß es zum Trennenden würde, steht noch aus", schreibt Kuschel.

Ziel dieses zukünftigen Dialogs der Religionen muß ein Mehr an Menschlichkeit, Friedensbereitschaft und Solidarität sein.

VOM STREIT ZUM WETTSTREIT DER RELIGIONEN. Lessing und die Herausforderung des Islam. Von Karl-Josef Kuschel.Patmos Verlag Düsseldorf 1998, 364 Seiten, geb., öS 364,

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