Letzter Schritt fehlt noch

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Sind kritische Stimmen, denen das Schuldbekenntnis und die Vergebungsbitte, die Johannes Paul II. am 12. März gesprochen hat, zu vage war, bloß notorische Nörgler? Ist der Jubel über die "großartige Tat des Papstes" (so der Grazer Kirchenhistoriker Maximilian Liebmann) überzogen? Wie bei anderen kirchlichen Entwicklungen haben beides - große Zustimmung, aber auch Kritik - ihre Berechtigung: Dieses Reuebekenntnis war eine "schwere Geburt".

Gerade nach solcher Vorgeschichte ist es aber sehr wohl als "historisch" zu bezeichnen, daß die Vergebungsbitte gesprochen wurde, und zwar gemeinsam vom Papst und - was wegen des innervatikanischen Widerstandes hoch einzuschätzen ist - den Spitzen der Kurie. Für alle Welt war sichtbar, wie Johannes Paul II. seine ganze Kraft für dieses Bekenntnis einsetzte: Einmal mehr drückte er - im Herbst seines Pontifikates - der Kirche den persönlichen Stempel auf.

Gleichzeitig wurde offenbar, wie auch die Macht dieses Papstes an Grenzen stößt: Wenn Johannes Paul II. - etwa in Fragen der Sexualmoral oder der kirchlichen Diszi-plin - den großen konservativen Flügel der Kirchenleitung an seiner Seite weiß, setzt er seine Positionen durch. Bei einem Vorhaben wie diesem Akt der Reue, der in rechten Kirchenkreisen mehr als kritisch beäugt wurde, muß auch der Papst Abstriche machen. Keine Rede von einer Schuld der Kirche, nur von Sünden einzelner Christen: Noch gelingt der Kirche der letzte notwendige Schritt nicht.

Kirchenhistoriker Liebmann etwa hatte vor dem 12. März gefordert, das Bekenntnis dürfe nicht verschleiern, daß sich auch höchste Kirchenrepräsentanten auf Irrwegen befanden. Dieses Anliegen bleibt weiter einzumahnen. Das gilt insbesondere in bezug auf das christlich-jüdische Gespräch: Bevor dieses nämlich wirklich stattfinden kann, muß auf christlicher Seite eine ungeschminkte Aufarbeitung der Geschichte erfolgen; das bedeutet unter anderem, daß sich die Kirche nicht hinter den Sünden ihrer "Söhne und Töchter" verstecken darf: Ja, auch die Kirche selbst bedarf der "Reinigung des Gewissens" (was im übrigen ihrer "Heiligkeit" keinen Abbruch tut ...)

Weitere Schritte müssen also folgen. Vielleicht gelingt einer dem Papst selbst, wenn er in wenigen Tagen nach Israel reist, wo Juden - aber auch viele Christen - von ihm ein Wort in dieser Richtung erhoffen.

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