"Liberaler Handel schützt vor Armut"

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Für Veit Sorger, Präsident der Industriellenvereinigung Österreich, ist die Welthandelsorganisation die derzeit sinnvollste Einrichtung, um freien Handel zu sichern.

Die Furche: Wie sinnvoll und wichtig ist die Plattform Welthandelsorganisation für den internationalen Handel?

Veit Sorger: Aus meiner Sicht die sinnvollste und auch einzig vorhandene. Wir befürworten den Freihandel und vertreten gleichzeitig die Meinung, dass aufgrund der damit verbundenen Interessensgegensätze dieser nicht unreguliert ablaufen darf. Zweck der Welthandelsorganisation ist es, faire Marktzugangs-und Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer (derzeit 149 Mitglieder; Anm.) zu erreichen.

Die Furche: Vor kurzem war Wladimir Putin bei Angela Merkel in Berlin, um die gute Zusammenarbeit der beiden Länder zu untermauern. Im Bereich des Handels gibt es trotz WTO bilaterale Verträge. Untergraben diese die Idee der Welthandelsorganisation, die ja auf dem Multilateralismus fußt?

Sorger: Da Russland kein Mitglied der Welthandelsorganisation ist, konnten bisher nur bilaterale Verträge abgeschlossen werden. Die Verhandlungen über einen Beitritt zur Welthandelsorganisation sind aber weit gediehen. Ein Untergraben der WTO sehe ich also nicht. Ich würde mir aber wünschen, dass die EU vor allem in Energiefragen gegenüber Russland eine abgestimmte und geeinte Politik mit dem Ziel verfolgt, Europas Energieversorgung zu garantieren. Wie schwierig das ist, haben wir alle bei dem informellen EU-Ministerrat mit Präsident Putin im finnischen Lahti erlebt.

Die Furche: Nichtstaatliche Organisationen werfen der WTO oft vor, dass man sehr viel Geld braucht, um wirklich gutes Lobbying vor Ort, in Genf und auf den internationalen Konferenzen machen zu können. Ist somit der Zugang der armen Länder zur WTO allein schon auf Grund ihrer finanziellen Ressourcen begrenzt?

Sorger: Diesbezüglich sehe ich keinen Unterschied zwischen armen und reichen Ländern. Jedes Mitglied der WTO kann sich gleichberechtigt einbringen. Tatsächlich haben sich die meisten Staaten innerhalb der Welthandelsorganisation zu Interessensgemeinschaften zusammengeschlossen, um ihren spezifischen Anliegen entsprechendes Gewicht zu verleihen.

Die Furche: Wie verschafft sich die Industriellenvereinigung für die Anliegen ihrer Mitglieder in einer derart großen Organisation wie der WTO ausreichend Gehör?

Sorger: Wir stehen in einem konstruktiven Dialog mit dem Wirtschaftsministerium. Und durch unsere Mitgliedschaft bei UNICE, der Vereinigung der Industrie-und Arbeitgeberverbände in Europa (Union des Industries de la Communauté Européenne; Anm.) stehen wir auch in Kontakt mit der Europäischen Kommission, wobei festzuhalten ist, dass genannte Stellen für alle Interessensgruppen ein offenes Ohr haben.

Die Furche: Kann ein Land von der Größe Österreichs im Rahmen der WTO überhaupt etwas zu seinen Gunsten verändern?

Sorger: Prinzipiell ja. Österreich verhandelt zwar nicht direkt, sondern die EU, aber im Prozess der Positionsfindung spielen wir sicher eine Rolle. Und bitte nicht zu vergessen: Die EU ist die größte Handelsmacht der Welt.

Die Furche: Wie geht es Ihrer Meinung nach mit der Doha-Runde weiter? Ist die Welthandelsorganisation im Allgemeinen gescheitert?

Sorger: Zweifelsohne bedeutet die Suspendierung der Doha-Runde einen schweren Rückschlag für den fairen freien Welthandel und somit für die WTO. Über ein gänzliches Scheitern zu sprechen, ist derzeit noch verfrüht; sollten aber nächstes Jahr - nach den Senats-und Kongresswahlen im November 2006 in den USA - keine Fortschritte erzielt werden, ist ein Stillstand der WTO auf Jahre hinaus vorprogrammiert. Deswegen glauben wir, dass die EU ebenso wie die USA bereits jetzt verstärkt bilaterale Abkommen vor allem mit den lateinamerikanischen und südostasiatischen Staaten anstreben sollten.

Die Furche: Globalisierungsgegner werfen die negativen Seiten der zusammenwachsenden Wirtschaftswelt oft mit der Welthandelsorganisation in einen Topf, was entgegnen Sie derartigen Aussagen?

Sorger: Aus unserer Sicht ist Freihandel nicht die Ursache von Armut und extremer Einkommensungleichheit, sondern eine der besten Therapien im Kampf bei der Überwindung derselben. Die im Zuge der WTO-Verhandlungen angestrebten Liberalisierungen sind kein Selbstzweck, sondern vielmehr ein Vehikel, um Wohlstands-Inseln in Kontinente des Wohlstands umzuwandeln. Die Welthandelsorganisation schafft ein verlässliches Regime für den internationalen Austausch von Waren und Dienstleistungen, und kann als solche wesentlich zur Stabilisierung der weltpolitischen Lage beitragen.

Die Furche: Welche Herausforderungen kommen in der globalen Wirtschaft künftig auf die Unternehmen zu? Welchen Herausforderungen müssen sich heimische Betriebe, die global agieren, künftig stellen?

Sorger: Sicherlich wird der Wettbewerbsdruck weiter steigen und für uns eine Herausforderung darstellen. Es ist aber auch klar, dass wir den Wettlauf hinsichtlich niedriger Lohn-und Produktionskosten nicht gewinnen werden. Aber durch Flexibilität, Schnelligkeit und Innovation werden wir die Chancen der Globalisierung zu nutzen wissen. Österreichische Unternehmen haben bereits in Mittel-und Osteuropa in den vergangenen Jahren eindrucksvoll bewiesen, dass sie international hervorragend reüssieren können.

Die Furche: Welche Verantwortung haben Unternehmen in einer globalisierten Ökonomie in den Bereichen Umweltschutz und soziale Sicherheit?

Sorger: Eine große; wir sind überzeugt, dass eine möglichst weit reichende Liberalisierung des Welthandels mit Industriegütern und Dienstleistungen einen entscheidenden Beitrag leistet, um Umweltschutz und soziale Sicherheit zu verbessern beziehungsweise zu erhalten. Denn der Freihandel braucht - im Umwelt-wie auch im sozialen Bereich - klare Rahmenbedingungen. Dies war letztlich auch einer der Gründe, warum wir immer für die Erweiterung der Europäischen Union eingetreten sind: Nun gelten für unsere Mitbewerber weitgehend die gleichen Umwelt-und Sozialstandards, was Wettbewerbsverzerrungen verringert, und nicht zuletzt auch den Menschen etwas bringt.

Die Furche: Wie geht es dem Industriestandort Österreich heute, und was könnte ihn in Zukunft besonders gefährden?

Sorger: Das Industrieland Österreich steht gut da. Gefährlich wäre es, das positive Umfeld für Wachstum und Beschäftigung negativ zu verändern. Ohne einen wettbewerbsfähigen Industriestandort wird es keine zusätzliche Beschäftigung und keinen zusätzlichen Wohlstand geben. Schließlich hängen an der Industrie bis zu 60 Prozent der österreichischen Wertschöpfung. Und: Der Wohlstand muss erst erarbeitet werden, bevor er verteilt werden kann - wozu wir uns übrigens angesichts einer Sozialquote von rund 30 Prozent bekennen. Wobei man aber auch sagen muss, dass sicherlich vieles effizienter und punktgenauer gemacht werden kann.

Das Gespräch führte Thomas Meickl

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