Links: streng. Rechts: konziliant.

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Die Entwicklung verläuft nicht abrupt. Dennoch haben konservative Strömungen in der katholischen Kirche Oberwasser.

Österreichs katholische Kirche war dieser Tage vielbeschäftigt: Die Bischöfe stellten, wenn auch nicht von allen Medien beklatscht (Österreich: "Chaos um Papst-Besuch"), das Programm für die Visite Benedikts XVI. im September vor, Patriarch Bartholomaios besuchte das Land (vgl. Seite 8), und das Kirchenvolk wählte die Pfarrgemeinderäte - etwa 20 Prozent gingen zur Wahl, etwas weniger wie vor fünf Jahren.

Kirchliche Aufreger waren dagegen außerhalb Österreichs zu finden: Am Mittwoch maßregelte die vatikanische Glaubenskongregation den salvadorianischen Theologen Jon Sobrino, am Tag davor war ein Schreiben des Papstes über die Eucharistie veröffentlicht worden. Beide Ereignisse, eben auch in zeitlicher Koinzidenz, verweisen auf Aspekte des weltkirchlichen Klimas und auch auf Akzente des gegenwärtigen Pontifikats. Im Fall von Jon Sobrino (vgl. Seite 3) lassen sich einmal mehr römische Animositäten gegen die "linke" Befreiungstheologie festmachen. Auf dem Gebiet der Liturgie und der eucharistischen Spiritualität hingegen sind schon länger andere Töne zu orten: Seit einiger Zeit etwa nehmen Gerüchte zu, die von einer generellen Wiederzulassung der Messe im vorkonziliaren Ritus wissen wollen. Gleichzeitig söhnten sich in den letzen Wochen einige traditionalistische Gemeinden in Frankreich oder Deutschland mit Rom aus - und erhielten dafür die Erlaubnis, ihre Messen im tridentischen Ritus zu feiern.

Es ist ein langgehegter Verdacht konzilsbewegter Katholiken, dass Rom mit "Linksabweichlern" streng umgeht, zu den "Ungehorsamen" auf der rechten Seite hingegen Brücke um Brücke baut. Also: Traditionalisten heim in die Kirche und Jon Sobrino raus?

Würde der bislang leise Traditionalisten-Aufschwung aber wirklich unmittelbar bevorstehen, dann hätte Benedikts XVI. Schreiben Sacramentum caritatis anders ausfallen müssen. Dem entgegen ist der Papst auch in seinem bislang längsten theologischen Dokument dabei geblieben, die Argumente werbend, bittend - und nicht fordernd oder strafandrohend vorzubringen. Es sei sehr "freundlich, ja in einem freudigen Ton" gehalten, würdigte Kardinal Schönborn auf Nachfrage der Furche das Schreiben, und schon gar nicht würden darin "Donnerkeile" geschleudert.

Keine "Donnerkeile"

Rudolf Pacik, Liturgiewissenschafter an der Universität Salzburg lenkt im Furche-Gespräch den Blick darauf, dass das päpstliche Schreiben ja die Zusammenfassung der letzten Bischofssynode zum Thema Eucharistie darstellt, die im Oktober 2005 in Rom stattgefand. Und, so Pacik, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, habe Benedikt XVI. darin erkennbar versucht, die Vorschläge der Synodenväter aufzunehmen.

Insgesamt ortet der Liturgiewissenschafter in Sacramentum caritatis nichts Neues, sondern es fasse "zusammen, was momentan gilt". Genau dieser Punkt ist es aber, der den katholischen Reformflügel skeptisch sein lässt. So begrüßt Hans Peter Hurka von der Plattform "Wir sind Kirche" zwar die "Hinweise auf den Zusammenhang zwischen der Eucharistie" und dem Einsatz "für die brennenden sozialen Fragen", kritisiert aber das "Wiederholen alter, längst bekannter Positionen": nur Männer als Priester, keine Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene und die neuerliche Bekräftigung des Pflichtzölibats für Priester, obwohl viele Bischöfe sich auf der Synode für die Zulassung verheirateter Männer zum Priesteramt ausgesprochen hätten, so Hurka.

Rudolf Pacik weist dagegen auf Benedikts klares Bekenntnis zur Liturgiereform des II. Vatikanums hin, was Traditionalisten sicher wenig freuen würde. Gleichzeitig betone der Papst aber die "Hermeneutik der Kontinuität", das heißt, auch die Liturgiereform sei als Weiterentwicklung der alten Liturgie zu sehen und nicht als etwas gänzlich Neues.

Unverständliche Sprache?

In der medialen Bewertung des jüngsten Schreibens hatte es zunächst geheißen, der Papst wolle wieder mehr Latein in der Liturgie haben. Bei genauerem Lesen zeigt sich aber, dass der Gebrauch von Latein vor allem bei Eucharistiefeiern bei internationalen Großveranstaltungen empfohlen wird. Rudolf Pacik kann solchem Vorschlag durchaus etwas abgewinnen (vgl. Interview unten). Sein Grazer Kollege Bert Groen erklärte dagegen in der Kleinen Zeitung, Latein sei "eine den meisten Katholiken völlig unverständliche Sakralsprache". Groen plädiert daher für eine "gehobene, poetische Volkssprache in der Liturgie", mit der die Menschen "auch inhaltliche Vorstellungen" verbinden. Denn, so Groen, heute wisse kaum jemand mit Begriffen wie "Opfer" oder "Heil" etwa anzufangen. Aber gerade die Rede vom "Opfer" durchzieht das ganze päpstliche Schreiben …

Die Sache mit dem Aufschwung der Traditionalisten ist dennoch nicht vom Tisch. Bert Groen spricht im zitierten Interview auch den seit Monaten neu wogenden Streit an, ob das Blut Christi nun "für alle" (sinngemäße Übersetzung) oder nur "für viele" (wörtliche Übersetzung) vergossen wurde. Die liturgischen Bücher verwenden "für alle" und das Gros der deutschsprachigen Theologen will das so beibehalten. Doch nun - es heißt: auf Wunsch des Papstes - soll wieder das "für viele" eingeführt werden. Auch Rudolf Pacik bekräftigt, dass er dies vor allem als Zugeständnis an die Traditionalisten und Konservativen sehen würde: Denn für die ist die Formulierung "für alle" schon seit Jahren ein rotes Tuch.

Dass zur Zeit eine solche Frage ebenso auftaucht wie die Diskussion über Latein oder - wie kürzlich in einer Kirche in Wien - der Volksaltar wieder abgeschafft wird, zeigt wohl deutlich: Es sind die konservativen Kirchenströmungen, die zur Zeit Oberwasser haben.

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