Loslassen ist eine Kunst

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In diesen Tagen feierte er gerade seinen 50er. Bei einem Glas Wein resümierten seine Freunde - alle zwischen 50 und 60 - über die kommenden Zeiten. Er zählt zu den Topmanagern. Geschäftliche Fernostflüge gehören zu seinem Alltag. Kann einer wie er überhaupt je ans Aufhören denken? Die Meinungen gehen auseinander. Freilich, da gibt es jede Menge Hobbys und vielleicht auch noch gewisse Ziele für das Danach, jenseits des Pensionsantritts. Aber wartet da nicht doch das große Loch der Angst, nicht mehr gebraucht zu werden und nicht mehr gestalten zu können? Da kann es auch nicht helfen, wenn das Pensionsantrittsalter um einige Jahre angehoben wird. Der Schnitt passiert in jedem Fall.

Und was ist, wenn einem eine Krankheit oder ein Unfall unvermittelt alles aus der Hand nimmt? Oder wenn eines Tages die Firma den Konkurs anmeldet?

Vielleicht sollte ja das Loslassen schon viel früher eingeübt werden, nicht erst dann, wenn man dazu gezwungen wird, meinte eine aus der Geburtstagsrunde.

Ein Wort ergab das andere. Über Eltern wurde gesprochen, die ihre erwachsen gewordenen Kinder nicht freigeben, und über Menschen, die sich von ihrer beruflichen Position nicht verabschieden können. Auch an jene wurde gedacht, die zwar gerne loslassen würden, aber in Wahrheit keine Wahl haben. Alle waren sich einig: Loslassen gehört zu den großen Künsten des Lebens.

Andere wieder waren voller Ideen, was alles geschehen könnte, wenn Beruf und Familie nicht mehr so viel Zeit und Kraft in Anspruch nehmen würden; wie viel mehr an Freiheit und Selbstbestimmung das Loslassen bringen würde.

Nachdenklich ging ich heim. Warum bleiben wir bloß beim Loslassen so oft im Konjunktiv stecken und probieren es nicht einfach aus?

Die Autorin ist evangelische Oberkirchenrätin A.B.

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