Luther und der Islam

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Am 31. Oktober 2017 jährt sich zum 500. Mal die Veröffentlichung der 95 Thesen, die Martin Luther, der Überlieferung nach, an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg schlug. Für Muslime ergibt sich die Frage, warum es sich auch für sie lohnt, sich mit Luther heute noch zu beschäftigen.

Ich möchte zwei Aspekte als Antwort auf diese Frage anführen. Der erste Aspekt betrifft den Mut Luthers, sich gegen die Autorität der Kirche zu stellen. Der Islam kennt zwar keine kirchliche Autorität, jedoch inzwischen viele autoritäre Strukturen bzw. Gelehrte und Imame, die als unhinterfragbare Instanzen gelten und die Menschen bewusst oder unbewusst in religiösen Fragen bevormunden. Luther erinnert auch uns Muslime daran, dass der Islam die Menschen von jeglicher Bevormundung befreien will. Sich mit Luther auseinanderzusetzen, soll auch Muslimen Mut machen, ihre Religiosität selbst in die Hand zu nehmen. Jeder soll seine eigene Religiosität selbst bestimmen, um diese dann selbst zu verantworten.

Dies führt aber auch zum zweiten Aspekt, der sich auf die Bedeutung der heiligen Schrift für Muslime bezieht. Luthers Aufruf "sola scriptura" (alleine durch die Schrift) klingt in den Ohren vieler Muslime verlockend: alleine durch den Koran. Hier muss man aber vorsichtig sein, denn dies ist auch der Aufruf muslimischer Fundamentalisten und Salafisten, die dadurch die islamische Tradition verwerfen wollen, um der Schrift ihre Autorität zurückzugeben. Sie lesen den Koran wortwörtlich und wollen den Wortlaut ins Hier und Heute übertragen.

Man kann den Aufruf Luthers aber auch islamisch im Sinne der Selbstbestimmung verstehen: Der Koran soll jeden Muslim angehen, jeder soll sich damit auseinandersetzen und nach einer zeitgemäßen Lesart suchen, aber vor allem sich von ihm spirituell berühren lassen.

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