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Macht euch die Erde Untertan...

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Wenn icn von einer vorienaung des Menschen in der Gesellschaft sprechen soll, so können Sie mir sofort die Frage stellen, ob ich damit nicht ein marxistisches Anliegen aufgreife — was manche dem Wiener Erzbischof nicht nur zutrauen, sondern vielleicht sogar in die Schuhe schieben möchten. Hieße das nicht, so könnten Sie vielleicht weiter fragen, den Menschen von wesentlichen Dimensionen abschneiden, die weit über die Welt und die Gesellschaft hinausreichen, das jenseitige Ziel des Menschen und seine Bestimmung meinen?

Aber wenn Sie mich so fragen, darf ich die Gegenfrage stellen: Gehen Sie nicht von der falschen Voraussetzung aus, indem Sie das mir gestellte Thema — vielleicht unbewußt — mit einem Rufzeichen versehen, ihm eine imperative Form geben, so als ob damit gesagt sein sollte, der Mensch solle, ja müsse sich in der Gesellschaft vollenden, nur in und durch die Gesellschaft seine höchste Erfüllung finden?

Könnte man anderseits dieses Thema nicht auch mit einem Fragezeichen versehen? Das würde dann heißen, kann es überhaupt eine Vollendung in der menschlichen Gesellschaft geben? Ist das nicht überhaupt eine Gefahr, eine gefährliche Utopie unserer Zeit? Soll ich daher mit dem mir gestellten Thema warnen vor der uns allen drohenden Gefahr, im Gesellschaftlichen aliein das Heil zu suchen?

Die Vorstellung vom Menschen

Das Thema des Vortrages selbst umschließt mcht wenige Fragen und lenkt uns auf die Polarität, auf die Spannweite unserer Vorstellung vom Menschen, denn davon haben wir auszugehen. Ich meine jene Polarität, die sich dadurch ergibt, daß ich den Menschen einerseits bloß als Individuum, anderseits als Teil eines Kollektivs auffassen kann. Davon hängt es schließlich ab, welche Bedeutung die Gesellschaft für den Menschen hat.

Bevor wir also feststellen können, inwiefern es eine Vollendung des Menschen in der Gesellschaft gibt, müssen wir die Relation des Einzelmenschen zwt Gesellschaft untersuchen. Dazu aber müssen wir unseren christlichen und abendländischen Personbegriff kurz beleuchten.

Der Begriff der Person, wie wir Ihn heute verstehen, ist durch das Christentum weitgehend geprägt worden. Erst im und durch das Christentum erhält der einzelne seine menschliche Würde, seine unveräußerliche Individualität. Erst durch die Erlösungstat Christi bekommt der einzelne eine so überragende Bedeutung. Jedem einzelnen geht der Herr nach. Er wird nicht müde, es in immer neuen Gleichnissen zu erzählen. Für jeden einzelnen stirbt Er, ihn zu erlösen, gibt Er Sein Leben hin. Was ist aber der einzelne Mensch, der Mensch, den der Sohn Gottes sucht, dessen Gestalt Er angenommen hat, um ihm gleich zu sein, für den Er lebte und starb? Ist er das „animal wesen, als das ihn — auf Boethius zurückgehend — die spätere Scholastik definiert? Durch diese spät-scholastische Terminologie würde der Akzent fast ausschließlich auf das individuelle und rationale Element verlegt. Der gesellschaftliche Bezug wurde damit außer acht gelassen. In etwas einseitiger Weise wurde der Akzent verlegt auf die

Tatsache, daß der vernünftige Mensch zu einem selbständigen Menschen wird, was dazu führt, daß der selbständige manchmal auch zu sinem selbstherrlichen Menschen wird.

Die soziale Dimension

Durch die Einengung des Menschenbildes auf das animal ratioaale wurde die volle Wirklichkeit des Menschen nicht ausgeschöpft, sie wurde verkürzt. Zu dieser vollen Wirklichkeit gehört die soziale Dimension des Menschen unlösbar dazu. Die Gesellschaftslehre unserer rage, vor allem die christliche, betont die Tatsache, daß der Mensch erst voll Mensch wird durch seine Einwurzeliung in das Soziale, in das Mitmenschliche. Das „Ich“ braucht das „Du“. Gott hat den Menschen für die Welt geschaffen; Er hat ihn aus der Welt geschaffen, aus der Materie und aus der Erde.

Die semitische Philologie hat früher Wert darauf gelegt, im Namen „Adam“ den Bezug zum Ackerboden herauszuhören. Ohne die Elemente der Welt könnte der Mensch gar nicht existieren, denn sr bedarf der Welt zum Sein, Gott hat den Menschen für die Welt geschaffen, durch seine Arbeit soll der Mensch sie zu einer Welt machen, in der er als Mensch leben kann. Ohne seine Umwelt kann der Mensch gar nicht bestimmt werden. Mensch und Umwelt gehören zusammen.

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