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Burkina Faso hat am 21. November seinen Präsidenten gewählt. Doch von Demokratie spüren die Menschen wenig. Die Politik führt den Staat wie ein Familienunternehmen, Regimegegnern drohen Gewalt und Tod.

"Wahlen? Demokratie? Staat? Alles leere Worte", sagt Christine Bambata. Sie ist Anfang vierzig, trägt ihre Haare kurz, ist westlich gekleidet und arbeitet als Sekretärin in einem Unternehmen in der Hauptstadt Ouagadougou. "Ich lebe hier ohne den Staat. Ohne Arbeitslosengeld, Fürsorge, Krankenkasse, Versicherung oder gar Pension. Jeder arrangiert sich auf seine Weise und versucht zu überleben." Das "Sich-selbst-Arrangieren" funktioniert in Burkina Faso, einem der ärmsten Länder der Welt, nur sehr bedingt. An die Hälfte der 16 Millionen Menschen leben unter der Armutsgrenze mit weniger als einem Dollar pro Tag. Jedes dritte Kind unter fünf Jahren ist unterernährt. Rund 70 Prozent der Menschen sind ohne Arbeit. Mit einem Bevölkerungswachstum von jährlich knapp über drei Prozent wird sich die Bevölkerung in den nächsten 25 Jahren verdoppeln. Die Versorgung mit Wasser, Energie, Nahrung und sozialen Diensten wird zum großen politischen und sozialen Nadelöhr.

Waffenhandel und Diamanten ?

"Wen wir zum Präsidenten wählen, spielt kaum eine Rolle. Es sind alles Politiker, die den Staat als Familienunternehmen führen und sich am System bereichern", kommentiert Christine die Situation. Auf dem aktuellen Korruptionsindex liegt die Präsidialrepublik Burkina Faso auf dem 98. Rang. Direkt hinter Swasiland. Sich in die Korruptionsgeschäfte des westafrikanischen Staates einzumischen, kann fatale Folgen haben. Der regierungskritische Journalist Norbert Zongo, der Korruptionsskandale aufdeckte, wurde 1998 von der Präsidentengarde ermordet. Zongo machte publik, dass ausgerechnet die Schwiegermutter des Bruders des Präsidenten das Exportmonopol für Leder besaß. Seine Ermordung löste landesweite gewalttätige Proteste und Streiks aus. Der Präsident war gezwungen, eine Untersuchungskommission einzusetzen, welche den Mord als eine geplante und politisch motivierte Tat deklarierte.

Doch nicht nur der nationale, sondern auch der internationale Ruf von Präsident Blaise Compaoré, der seit 1987 an der Macht ist, ist ramponiert. Er zählte zu den engsten Verbündeten von Charles Taylor, Liberias Ex-Präsidenten, der sich wegen Kriegsverbrechen vor dem Sondergerichtshof in Den Haag verantworten muss. UN-Berichten zufolge diente Burkina Faso als Drehscheibe für Waffenhandel und Diamantenschmuggel.

Die letzten Wahlen 2005 gewann der heute 59-Jährige mit über 80 Prozent der Stimmen. Das definitive Wahlresultat von vergangenem Sonntag ist noch ausstehend. Lokale Medien berichten über einen möglichen Triumph Compaorés mit über 90 Prozent Stimmenanteil. Die Chancen der sechs Herausforderer werden als minimal eingeschätzt. Denn die Opposition ist gespalten und kann dem Präsidenten in keiner Hinsicht die Stirn bieten.

Rein rechtlich müsste Compaoré 2015 endgültig zurücktreten - doch schon 2005 änderte er die Verfassung und sicherte sich damit nochmals die Macht. Oppositionspolitiker haben bereits eine Koalition gebildet, um dies zu verhindern. Mit welchem Erfolg bleibt fraglich, denn Compaoré und der "Congrès pour la Démocratie et le Progrès" (CDP) dominieren das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben im Land.

Entwicklung, aber wie?

Ein Parteikollege des Präsidenten ist Sandaogo Henri Kaboré. Er ist Bürgermeister von Bogodogo, des größten und ärmsten Bezirks der Hauptstadt Ouagadougou. "Zwei Drittel der schätzungsweise über 300.000 Einwohner in Bogodogo leben unter, ländlichen' Bedingungen. Keine Straße, kein Strom, kein Wasser", erklärt der Bürgermeister und fügt hinzu. "Wir müssen für diese Menschen Arbeitsplätze auf dem Land schaffen, damit sie zurück in ihre Dörfer gehen." Wer dieses Vorhaben bezahlen soll, weiß auch Kaboré nicht genau. Er hofft auf Gelder aus dem Ausland. Denn das Steueraufkommen von Burkina Faso betrug 2008 gerade mal 824 Millionen Euro. Der Staat hängt am Tropf der westlichen Staaten. An die 500 Millionen Euro pumpten diese 2008 anhand von niedrig verzinsten Krediten und Budgetbeihilfen ins Land.

"Zurück ins Dorf? Nur über meine Leiche." Kalifa betreibt seit mehr als 14 Jahren in Ouagadougou den Straßenimbiss "Boucherie Kalifa & Frères". Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen auf dem Land suchte der heute 38-Jährige Mitte der 90er Jahre sein Glück in der Hauptstadt. Kalifa hat nie eine Schule besucht. Der Familienvater kann, wie über 70 Prozent seiner Landsleute, weder lesen noch schreiben. Hühner töten, Fleisch präparieren und grillen hat er als Kind von seinem Nachbarn, einem Metzger, gelernt. In der 1,4-Millionen-Stadt Ouagadougou hat er dieses Wissen nun zu seinem Beruf gemacht.

An guten Tagen verkauft Kalifa bis zu 100 gebratene Hühnchen pro Tag. Mit seinem Verdienst kann er knapp die Schulbildung seiner vier Kinder finanzieren. Sie sollen studieren und einen richtigen Beruf erlernen. "Auf dem Land fehlen diese Möglichkeiten. Es gibt weder genügend Nahrung und Arbeit noch Bildung oder medizinische Hilfe", erklärt Kalifa. "Im Dorf gibt es keinen Ausweg aus der Armut. In der Stadt kannst du dir ihn wenigstens erkämpfen."

Burkina Faso

Burkina Faso ist ein Binnenland in Westafrika, in dem rund 16 Millionen Menschen leben. Seine Fläche ist sechsmal so groß wie die Schweiz. Die ehemalige Kolonie Frankreichs wurde 1960 unabhängig und wird von Präsident Blaise Compaoré als Präsidialrepublik geführt. An die 90 Prozent der Bewohner sind in der Landwirtschaft tätig. Qualifizierte Arbeitskräfte fehlen weitgehend. Muslime (50 Prozent), Anhänger der traditionellen afrikanischen Religionen (40 Prozent) und Christen (zehn Prozent) leben in Burkina Faso friedlich zusammen. (cw)

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