Mahl der Sieben mit dem Auferstandenen

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Auf das Mahl des Auferstandenen mit sieben Jüngern, wovon das 21. Kapitel des Johannesevangeliums berichtet, beziehen sich auch die ältesten Bilddarstellungen der Eucharistie in den Katakomben. Der Neutestamentler Peter Trummer interpretiert das für heute.

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Auf das Mahl des Auferstandenen mit sieben Jüngern, wovon das 21. Kapitel des Johannesevangeliums berichtet, beziehen sich auch die ältesten Bilddarstellungen der Eucharistie in den Katakomben. Der Neutestamentler Peter Trummer interpretiert das für heute.

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Johannes 21 gibt sich nach dem feierlichen Schluss von Kapitel 20 deutlich als Nachtrag zu erkennen: In Galiläa, am Meer von Tiberias, wie der See Gennesaret im Johannesevangelium genannt wird (6,1; 21,1), lädt Jesus nach einer erfolglosen Nacht - das Fischereigewerbe wird in der Nacht ausgeübt - sieben namentlich genannte Jünger zu einem Frühstück am See ein, mit Brot und Fisch, die über einem Kohlenfeuer liegen. Zuvor hatte er den reichen Fischfang angeregt, bei dem auch der Redaktor des Evangeliums Gelegenheit findet, darauf hinzuweisen, dass das von Petrus an Land gezogene Netz, voll der mysteriösen Menge von 153 großen Fischen, nicht gespalten wurde (Joh 21,11), womit er Petrus als Menschenfischer und Kirchenführer vorstellt, der eine große Menschenmenge ohne Spaltung sammeln kann.

Auf dieses nachösterliche Mahl der Sieben beziehen sich die ältesten Bilddarstellungen der Eucharistie in den römischen Katakomben. Offensichtlich wird die Mahlgemeinschaft in nachösterlicher Zeit als die intensivste leibhaftige Begegnung mit dem Auferstandenen erlebt, wobei die Siebenzahl einerseits ein Symbol der Vollkommenheit darstellt, anderseits aber keine numerische Einschränkung oder gar Ausschließlichkeit vorgibt. Deswegen können auch die sieben Körbe mit den übrig gebliebenen Brotstücken aus der Speisung der Viertausend (Mt 15,38; Mk 8,8) oder auch mehr davon ins Bild kommen. Doch würde die Speisung der Fünftausend mit den zwölf Körben des Überflusses (Mt 14,20; Mk 6,43; Lk 9,17; Joh 6,13) jeden bildlichen Rahmen sprengen.

Fisch als Allegorie für Jesus

Doch auch wenn die Erzählungen von der wunderbaren Speisung (und nicht Brotvermehrung) vorösterlich lokalisiert werden, sie geben ihren tieferen Sinn erst von Ostern her frei und vermitteln die Botschaft: Immer wenn Christinnen und Christen zum Mahl versammelt sind, ist Jesus in ihrer Mitte. Und selbst da, wo erstmals das Abendmahl dargestellt wird, wie in San Apollinaro Nuovo in Ravenna um das Jahr 500, befinden sich am Tisch noch Brot und Fisch, nicht Brot und Wein. Das heißt: Die gesamte frühchristliche Ikonographie deutet Jesus als Gastgeber, nicht vordergründig als Speise. Doch kann auch der Fisch (ichth´ys) als Akronym für "Jesus Christus Gottes Sohn Erlöser" allegorisch so verstanden werden, dass Jesus im Fisch sich selbst als geistige Nahrung reicht, etwa im Sinne von: Ich bin das Brot des Lebens (Joh 6,35.48). Vom dinghaften bis magischen Verständnis späterer Zeiten ist eine solch geistliche Deutung noch weit entfernt.

Was die frühe Ikonographie jedoch zeigt: Es gibt nicht nur die uns bekannte Art, Eucharistie als Abendmahl zu feiern. Und wenn sich eine solche Feier an den wunderbaren Speisungen orientiert, braucht sie nicht unbedingt einen Einsetzungsbericht mit den so überfrachteten Abendmahlsworten: Das ist mein Leib (Mt 26,26 u.a.), worauf sich das römisch-katholische Amtspriestertum fast ausschließlich bezieht und in Zeiten des Priestermangels auch damit lähmt.

Das frühe Christentum benötigte für sein Brotbrechen (Lk 24,35; Apg 2,42) noch kein spezielles Weihepriestertum, um als Sakrament, als ein Heil und Heilung wirkendes Zeichen, wahrgenommen zu werden. Es feierte die Eucharistie auch ohne Einsetzungsbericht. Stattdessen sprach es vom heiligen Weinstock Davids, deines Knechtes, den du uns kundgemacht hast durch Jesus, deinen Knecht oder von der Einheit des Gebrochenen, das auf den Bergen zerstreut war und zusammengebracht eins wurde (Didache 9,2ff), und lebt dabei noch ganz aus den Wurzeln der jüdischen Mahlgemeinschaft, die sie mit der jesuanischen Idee der Grenzüberschreitung auflädt, was zum Erfolgsrezept des Christentums in der römischen Welt wird. Und selbst dort, wo Paulus gegen die in Korinth sich breitmachende Rücksichtslosigkeit bei den gottesdienstlichen Zusammenkünften angeht, spricht er nicht von Priestern, die den Gottesdienst besser leiten sollten, sondern von der gesamten Gemeinde, welche die Feier trägt (1 Kor 11,26).

Der Weg zur "heiligen Herrschaft"

Doch schon in der frühesten Zeit, wo der Gottesdienst noch von allen gestaltet wird (1 Kor 14,26-40), braucht es eine inhaltliche Ausrichtung, eine klare Struktur, Ordnung und Rücksichtnahme, um wirklich im Sinne Jesu miteinander zu handeln. Und dazu wiederum bedarf es konkreter Menschen. Es braucht Für- oder Vorsorgende (proïstámenoi: 1 Thess 5,12) bzw. Führende (h¯egoúmenoi: Hebr 13,7.17), jedoch noch lange keine Vorsteher oder Gottesdienstleiterinnen, wie wir heute vielleicht meinen möchten, und schon gar keine Priester, weil es nach Jeus nichts mehr zu opfern gab. Doch gerade dieser Umstand war offensichtlich schwer auszuhalten, denn Religion schien in der Außensicht der Antike ohne Opfer und dazugehörige Priester nahezu undenkbar. Auch wollten die zum Christentum konvertierten Priester jedweder Provenienz (Apg 6,7) irgendwie integriert werden. Also lag es nahe, auch in der neuen Religion nach Anknüpfungspunkten zu suchen, welche den alten Erwartungen entsprechen konnten. Und in der Idee des Opfertodes Jesu und eines heiligen Kultmahles eröffneten sich ungeahnte Möglichkeiten, die geschwisterliche Gemeinschaft Jesu wieder in einer "heiligen Herrschaft" hierarchisch zu strukturieren und zu verwalten.

Die Rückkehr heidnischer Ideen

Doch diese Kompromisse hatten ihren Preis. Denn mit ihnen fassten viele nichtchristliche, um nicht zu sagen heidnische Ideen in der Gemeinschaft der Jesusgläubigen wieder Fuß. Das mittelalterliche Standesdenken ermöglichte bzw. verlangte auch innerhalb der Kirche einen gestuften Aufbau, wonach das in der Regel ziemlich ungebildete Volk von der Obrigkeit anzuleiten und religiös zu versorgen war. Jetzt wurde die Eucharistie vor allem als Mittel zur Vergebung von Sünden (Mt 26,28) verstanden und praktiziert. Allein der Priester war als "zweiter Christus" oder "anstelle Christi" in der Lage, die Wandlung zu vollziehen, an der Erneuerung des Kreuzesopfers und der Verteilung seiner Gnaden mitzuwirken, während das Volk sich mit dem Anschauen und Verehren der Hostie begnügen sollte.

All diese Vorstellungen scheinen heute bei gut 90 Prozent auch der Gläubigen nicht mehr zu greifen. (Das zeigen neueste Evaluierungen des deutschen Erstkommunionunterrichtes bei Kindern und Eltern überdeutlich.) Und das nicht aus dem Grund, weil sich der Unglaube immer mehr breitmacht. Es ist höchste Zeit, auch in Bezug auf die Eucharistie die Sprache der Verkündigung grundlegend zu überdenken und Strukturen und Formen zu finden, welche den ursprünglichen jesuanischen Intentionen mehr entsprechen und den Menschen von heute verständlich und angemessen sind. Wir sind nicht nur Nachlassverwalter einer sterbenden bzw. vielfach schon gestorbenen Kirche, wir sind auch für ihre Auferstehung mit verantwortlich. Jeder Gottesdienst muss ein überzeugender Ostergottesdienst sein.

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