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Mahner zur Einheit im Osten

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Wir stehen zweifellos an dei Schwelle eines neuen Abschnittes der Kirchengeschichte. Das erste Jahrtausend ihrer Geschichte wai eine Zeit östlicher Prägung: das Jahrtausend der sieben trinita-rischen und christologischen Konzilien, die Zeit der konziliarer Ekklesiologie aus der Apostelgeschichte und dem Buch dei Apokalypse. Im zweiten Jahrtausend kam der Westen zum Zug mit dem römischen Primat und auch mil seiner Reformation, und während der letzten Jahrhunderte dieses zweiten Jahrtausends entwickeln sich christliches Leben und Denken in Orient und Okzident, ohne mehr wirklich voneinander Kenntnis zu nehmen. An der Schwelle des dritten Jahrtausends bemühte sich das Zweite Vatikanische Konzil, wieder an das erste Jahrtausend anzuknüpfen, es ging sogar noch weiter und entdeckte von neuem Jerusalem. Man kann freilich noch nicht voraussehen, in welcher Weise dieser vielversprechende Anfang von der orthodoxen und katholischen Kirche weitergeführt werden wird; es steht aber außer Zweifel, daß der sich auftuende ökumenische Weg zu einem lebendigeren Austausch der Reichtümer des gemeinsamen, aber bis dahin getrennt gehüteten Erbes einlädt.

Der Wendepunkt waren die Ereignisse, die sich zu Beginn des Jahres 1964 im Raum Rom — Istanbul — Jerusalem abgespielt haben und mit einem bis dahin unerhörten Aufwand an Publicity als Pilgerreise Pauls VI. und als Begegnung von Papst und Patriarch bekannt wurden. Dieses mit viel Mühen verbundene Eintreten in die Ökumene als konkrete Wirklichkeit bedeutete am Rande eine Wiederentdeckung christlicher Minderheiten in den Ländern des vorderen Orients. Viele dieser christlichen Gemeinschaften befinden sich derzeit in einer akuten Krise, deren Auswirkungen uns fast täglich Schlagzeilen für die Weltpresse liefern. Bei weitem das größte Problem der christlichen Kirchen in diesen Ländern stellen die Trennung und die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten dar. Nicht wenig trägt natürlich die Problematik der „unierten“ — mit Rom in Gemeinschaft stehenden — orientalischen Kirchen dazu bei.

Nach Abschluß des Konzils darf es sich der Kirchenhistoriker erlauben, das Problem des Unierten-tums kritisch zu untersuchen. Ohne daß wir hier die Geschichte des Uniatismus wiedergeben, müssen wir uns doch mit der Darstellung seiner wichtigsten Merkmale beschäftigen. Die „unierten“ Kirchen sind Zweige, die sich vor relativ kurzer Zeit von den verschiedenen östlichen Kirchen losgelöst haben, um sich wieder mit der römischen Kirche zu vereinigen. Es handelt sich also um einen orientalischen „Neokatholizismus“, denn trotz der hier und dort angestrengten Bemühungen, die geschichtlichen Gegebenheiten zu „beschwichtigen“, kann sich keine dieser Gemeinschaften rühmen, immer mit dem Sitz von Rom in Gemeinschaft verblieben zu sein. Die orthodoxe Kirche ist die einzige Brücke, die es ihnen gestattet, sich mit der Kirche ihrer Väter wieder zu verbinden und in lebendiger Beziehung zur alten Überlieferung zu bleiben. Ferner sind sie gegenüber den religiösen Gruppen, aus denen sie hervorgegangen sind, meistens Minderheiten: Auf jeden Fall stellen säe gegenüber dem lateinischen Katholizismus oder der Orthodoxie kleine Kirchen dar. Schließlich bedeutet ihre „Wiedervereinigung“ mit Rom im Hinblick auf das Problem der Trennung eine empirische Lösung. Allem Anschein nach nahm der Uniatismus seinen Anfang unter dem Einfluß der lateinischen Missionare (Franziskaner, Dominikaner und Jesuiten zugunsten katholischer Mächte wie Frankreich, Österreich oder Polen) und Dank des Ansehens eines auf Grund seiner Technik und seines geistlichen Lebens damals höher stehenden Westens.

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