Medjugorje
DISKURSMaria: Heimliche Königin des "Brat Girl Summers"
Der Sommer steuert mit Mariä Himmelfahrt am 15. August auf seinen Höhepunkt zu. Gedanken über die heimliche Königin des „Brat Girl Summer“, der in diesem Jahr in aller Munde ist.
Der Sommer steuert mit Mariä Himmelfahrt am 15. August auf seinen Höhepunkt zu. Gedanken über die heimliche Königin des „Brat Girl Summer“, der in diesem Jahr in aller Munde ist.
Am 15. August steht mit Mariä Himmelfahrt ein katholischer Feiertag an, mit dem der Großteil der Menschen heute vor allem geschlossene Geschäfte und die Chance auf ein verlängertes Wochenende inmitten des Hochsommers verbindet. Tatsächlich haben selbst gläubige Menschen oft Schwierigkeiten, die Bedeutung des Feiertags zu erklären – dabei handelt es sich um das älteste Marienfest der Kirche. Entsprechende Feiern zu Mariä Aufnahme in den Himmel, wie das Fest offiziell heißt, sind bereits seit dem siebten Jahrhundert bekannt.
Maria also Königin des Hochsommers, in diesem Jahr des „Brat Girl Summer“, also des Onlinetrends, den die britische Sängerin Charli xcx mit ihrem in Neongrün gehaltenen Album „Brat“ – im Deutschen am ehesten mit „Göre“ zu übersetzen – angestoßen hat? Der „Brat Girl Summer“ ermutigt Frauen und Mädchen zu weniger Angst vor dem vermeintlich Unperfekten. Weniger Stress, mehr Spontaneität: So kann man die Bewegung subsumieren. Auf den ersten Blick passt das so gar nicht mit dem Bild Mariens zusammen, an dem die mächtigen Männer an den Schalthebeln der Kirche seit Jahrhunderten gefeilt haben: Maria als passives Ideal der Frau und Mutter. Die feministische Theologie ist heute darum bemüht, dieses Klischee der „Himmelskönigin“ aufzubrechen. Anders als die offizielle Kirchenlinie, die Maria in eine passive Haltung des Hörens, des Aufnehmens, der Demut, der Treue und des Lobpreises gerückt hat, geht es darum, Maria als Symbol der Befreiung und Selbstbestimmung von Frauen zu beschreiben.
Selbstbewusste Gottesmutter
Die Grundannahme ist, dass Maria als starkes weibliches Symbol frauenbefreiend wirken könnte, dies aber bisher nicht durfte, weil sie in männlich einseitiger Weise verkündet worden sei. In Bezug auf die Bibeltexte lässt sich eine feministische Sicht auf Maria jedenfalls absolut argumentieren, erklärt die evangelische Theologin Julia Schnizlein. So habe Maria „viele Eigenschaften in sich vereint, die heute unter dem Begriff brat zusammengefasst sind. Sie war mutig, unkonventionell und selbstbestimmt. Sie war eine Frau, die ihren eigenen Weg auch gegen alle Widerstände ging, die sich von den Erwartungen ihrer Umwelt frei machte, gegen Normen verstieß und die die Konsequenzen ihrer Entscheidungen trug.“
So wird Maria im Lukas-Evangelium als Frau charakterisiert, die selbstbewusst in das Vorhaben Gottes einwilligt und anfängt, ein revolutionäres Lied zu singen. Dieses erzählt nicht nur vom Lobpreis Gottes, sondern kündigt eine Zeit an, in welcher denen, die Unrecht und Unterdrückung ausgesetzt sind, Recht und Gerechtigkeit zuteilwerden werden (Lk 1,46-55). In einer Zeit, die streng patriarchal geprägt war, kann man diese Worte aus dem Mund einer jungen Frau durchaus als revolutionär ansehen.
„Als Maria mit Jesus schwanger wird, ist sie ein Teenager, unverheiratet, und noch dazu war ihr Verlobter nicht der Vater des Kindes“, so Schnizlein. Für die patriarchale Gesellschaft ihrer Zeit, die großen Wert auf eheliche Reinheit und familiäre Ehre legte, war das ein absoluter Tabubruch. „Maria war eine Schande. Mehr noch: Unverheirateten schwangeren Frauen drohte die Steinigung, ihren Familien die Verstoßung aus der Gemeinschaft“, erklärt die Pfarrerin in der lutherischen Stadtkirche in Wien. All das habe Maria vor Augen, als sie sich „ganz bewusst und mutig einverstanden erklärt, das große Wagnis einzugehen und Mutter des Gottes-Sohnes zu werden“, ist die Theologin überzeugt.
Maria heiratet dann den deutlich älteren Josef, mit dem sie weitere Kinder bekommt. Vermutlich wird Maria früh Witwe. „Die Kindererziehung in der Patchworkfamilie ruht auf ihren Schultern, und auch dies dürfte nicht immer einfach gewesen sein“, so Schnizlein.
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