Ein besonderes Land feiert dieser Tage sein 60-jähriges Bestehens. Am 14. Mai 1948 verlas David Ben-Gurion die Unabhängigkeitserklärung Israels übers Radio. Am selben Tag endete das Völkerrechtsmandat der Briten über Palästina.
Die Vision einer Heimstatt für alle Juden in der Welt nahm schon auf dem Ersten Zionistenkongress 1897 Gestalt an. Der Wiener Journalist Theodor Herzl hatte sie 1896 in seinem Buch "Der Judenstaat" skizziert. Unter dem Eindruck der Affäre Dreyfus in Frankreich war ihm klar geworden, dass Juden einen Nationalstaat bräuchten, weil ihnen andere Länder stets die Gleichberechtigung versagen würden. Das jüdische Gemeinwesen im Land Israel entwickelte sich somit lange vor der Unabhängigkeitserklärung: Tel Aviv wird 2009 bereits hundert Jahre alt. Die Balfour-Deklaration verbriefte 1917 das Recht auf nationale Erneuerung; 1947 kam es zum UN-Teilungsplan für Palästina.
Die Unabhängigkeitserklärung Israels verbürgt soziale und politische Gleichberechtigung ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht. Ziel sind die Glaubens- und Gewissensfreiheit und freie kulturelle Entfaltung aller Bürger. Entstanden ist die erste und einzige Demokratie im Nahen Osten, ein Experiment ohne sichere Grenzen, das seine Existenz seit 1948 immer wieder verteidigen muss. Juden in aller Welt feiern diesen 60. Geburtstag freudig mit.
Aber das Verhältnis zu Israel ist nicht ohne Belastungen: Aus der Diaspora wird gefordert, Israel müsse endlich die Trennung von Staat und Religion forcieren und die Zivilehe einführen. Es stört die liberal-konservative Mehrheit des Diasporajudentums, dass der Staat Israel ein orthodoxes Oberrabbinat unterhält, dessen Hegemonieanspruch die Autonomie aller jüdischen Gemeinden in Frage stellt. Auch die nächsten 60 Jahre werden spannend. Mazal tov, Israel!
Der Autor ist Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs, Potsdam.
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