Mehr als ein Kirchenliedtext

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Buchtipp von FURCHE, Stube und Institut für Jugendliteratur

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Der Leser muss vergessen, was kommt." Dieser deutlichen Absage an die Versuchung, eine Biografie von ihrem aus der zeitlichen Distanz heraus bekannten Ende her zu erzählen, folgt Alois Prinz in seinen Biografien, deren Bandbreite so unterschiedliche Personen wie Hannah Arendt, Ulrike Meinhof und Joseph Goebbels umfasst.

Aus seiner eigenen christlichen Sozialisierung heraus nahm Prinz in den letzten Jahren vermehrt Figuren aus dem christlichen Kontext in den Blick - nach dem Apostel Paulus, Jesus und Teresa von Avilá ist es nun Dietrich Bonhoeffer, heutzutage vielen durch seine Zeilen "Von guten Mächten wunderbar geborgen" bekannt, die vor allem in der Vertonung von Siegfried Fietz als Lied für Gottesdienste ungemein populär wurden.

Es ist bezeichnend für den reflektierten und wohlüberlegten Umgang des Autors mit seinem Thema, wie unprätentiös er mit diesem Text im Kontext eines ganzen Lebens umgeht: Er kommentiert ihn nicht, sondern berichtet nur nüchtern, wie Bonhoeffer diese Zeilen einem Brief aus der Haft an seine Verlobte beigelegt hat.

Verständlich erzählt

Viel umfangreicher und ausdeutender geht Prinz hingegen auf Bonhoeffers theologische Schriften und Überlegungen ein, die er auf faszinierend verständliche Weise wiedergibt. Wie in all seinen Büchern bezieht er dabei eine Vielzahl an historischen Quellen mit ein, ohne den Text damit zu überfrachten.

So erhält auch der scheinbar widersprüchliche Untertitel des Buches seinen Sinn: Auch wenn jemand, der nach zwei Jahren Gestapo-Haft kurz vor Kriegsende qualvoll hingerichtet wurde, weit von Freiheit entfernt zu sein scheint, liegt darin doch eine Freiheit der anderen Art: "Das Recht zu leben wird zur Verantwortung für andere. Es wird zur Freiheit, auf dieses Recht für sich zu verzichten, um für den Nächsten, den ,Bruder Mensch', da zu sein. Mit anderen Worten: Wer diese Verantwortung erkennt und lebt, der opfert sich. Und das größte Vorbild für ein solches Opfer ist für Bonhoeffer Jesus von Nazaret, der sein Leben hingegeben hat, um uns Menschen zu einem wahrhaften Leben zu befreien."

Dass sein eigenes Leben mit nicht einmal 40 Jahren enden sollte, konnte Bonhoeffer zu jenem Zeitpunkt, als er diese Überlegungen formulierte, noch nicht wissen. Die Lesenden wissen gerade bei einer Figur wie ihm, was kommt -und erfahren doch durch die kluge Erzählweise von Alois Prinz wie (s)ein Leben nicht nur durch das bekannte Ende bedeutsam wurde, sondern vielmehr durch den kompromisslosen Weg, der ihm voranging.

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