Mehr als "typisch katholisch" und "typisch protestantisch"

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Gründlicher könnten die Differenz zwischen katholischer Naturrechtslehre und protestantischer Ethik auf der Basis von Verantwortung, Menschenwürde und Freiheit des Individuums und die aus ihr erfließenden Begründungen ethischer Urteile nicht missverstanden werden." So Michael Bünker vorige Woche an dieser Stelle in einer Replik auf meine Anfrage an Ulrich Körtner von vorvergangener Woche. Es war mir um die zukünftige Position der Kirchen zur embryonalen Stammzellenforschung gegangen, genauer um die Option Körtners für ein Abgehen von der grundsätzlichen Distanz zu dieser Forschungsentwicklung, um diese wenigstens so weit wie möglich ethisch mitgestalten zu können. Kommen werde sie auf Grund der EU-Mehrheitsposition ohnedies, meint Körtner. Und ich hatte die Frage gestellt, ob wir als Kirchen nicht "prophetisch" auf Distanz zu dieser Art von Forschung bleiben sollten.

Nein, es geht mir nicht um "katholische Naturrechtslehre gegen protestantische Ethik der Verantwortung, der Menschenwürde und der Freiheit des Individuums". Eher schon um die Spannung in unserem Auftrag zwischen der Mitgestaltung gesellschaftlicher Entwicklungen (dazu müssen wir uns auf diese Entwicklungen einlassen, d'accord) und der immer wieder notwendigen "prophetischen Distanz", wo es an die Grundlagen einer menschenwürdigen Gesellschaft geht. Bünker zitiert in seiner Replik aus einem Debattenbeitrag evangelischer Ethiker: Das Gemeinsame der Konfessionen sei nicht eine einheitliche Antwort in ethischen Fragen, sondern - auf der gemeinsamen Basis von Grundüberzeugungen - die Möglichkeit unterschiedlicher Antworten, die zur Wahrnehmung der geforderten Verantwortung führen würden. Unterschiedliche Antworten zur Frage der richtigen Wege zu einer menschenwürdigen Gesellschaft kann ich mir vorstellen. Aber unterschiedliche Antworten zu einer Forschung, die menschliche Embryonen verbraucht? Ist diese Frage nur typisch "katholisch-naturrechtlich", oder ist sie nicht doch auch typisch für "protestantische Ethik": gerade wenn diese "auf der Basis von Verantwortung, Menschenwürde und Freiheit des Individuums" steht? Bloß eben jedes Individuums.

Der Autor ist Pfarrer von Probstdorf sowie Universitätsseelsorger an den Universitäten für Wirtschaft und für Bodenkultur in Wien. Er leitet in der Erzdiözese Wien auch die "Ombudsstelle für Opfer sexuellen Missbrauchs durch kirchliche Mitarbeiter".

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