Mehr Ehrlichkeit und Mut in der Ökumene!

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"Ökumene besteht aus unserer Erfahrung nicht darin, unterschiedliche Herangehensweisen des Glaubens an Jesus Christus gleichzuhobeln."

Papst Franziskus hat bei einem Besuch der evangelischen Gemeinde in Rom einen Kelch als Geschenk mitgebracht. Man kann davon ausgehen, dass er diesen nicht als Blumenvase gedacht hat, sondern zur Feier des Abendmahls. Dieser Geschenkvorgang charakterisiert den derzeitigen Zustand der katholischen Kirche ganz gut. Der Papst ist offensichtlich der Meinung, dass die Evangelischen das Abendmahl feiern, sonst würde er ihnen nicht einen Abendmahlskelch schenken. Er sagt das aber nicht offiziell, sondern er symbolisiert seine Meinung mit diesem Gastgeschenk.

Die offizielle katholische Lehre lautet ja, dass die Evangelischen gar nicht richtig Abendmahl feiern können, weil sie ein strukturelles Defizit aufweisen, nämlich die nichtvorhandene apostolische Sukzession und das fehlende Priesterweiheamt.

Krause Gedankenkonstruktionen

Viele Katholiken sehen das anders. Sie erleben die Evangelischen als eine Variante des Christentums, die seine Berechtigung und seine Legalität hat. Die Evangelischen agieren etwas anders als die Katholiken, aber nicht schlechter oder minderwertiger. Auch viele katholische Amtsträger sehen das so, sind aber in den Fallstricken des Kirchenrechts, der Kirchengeschichte und ihrer subjektiven Gehorsamsverpflichtung gefangen. Dann werden krause Gedankenkonstruktionen gesponnen, um einerseits die Kurve zu kratzen und andererseits im Team zu bleiben.

Beispiel: Die jetzt in Deutschland diskutierte Zulassung der Evangelischen zur Kommunion wird mit der necessitas gravis begründet. Also: Es darf jemand Nichtkatholischer zur Kommunion gehen, wenn er in großer seelischer Not ist, den katholischen Glauben im Hinblick auf die Kommunion bekundet und keine Möglichkeit hat, die Dienste seines eigenen Seelsorgers in Anspruch zu nehmen.

Im alltäglichen Leben schaut das so aus, dass meine evangelische Partnerin an manchen Sonntagen oder zu speziellen Anlässen mit mir Katholiken in die Messe mitgeht, dort mitfeiert, das wortidente Glaubensbekenntnis mit mir betet und dann das Herrenmahl mitfeiert. Das ist eine bewusste, in voller Freiheit getroffene Entscheidung, die nicht bedeutet, dass sie mit der Feier ihre seelischen Qualen lindern will, dass sie zum Katholizismus konvertiert oder dass ihr eigener Pfarrer unerreichbar gewesen wäre. Nein, es ist der Versuch, in versöhnter christlicher Verschiedenheit eine Gottesbeziehung im Dschungel des alltäglichen Ehelebens zu pflegen.

Es stimmen die durch das Kirchenrecht und das rechtliche Denken geprägten Bilder einfach nicht mehr. Wir wollen eine Beziehung auf Augenhöhe. Ökumene besteht aus unserer Erfahrung nicht darin, unterschiedliche Herangehenswei sen des Glaubens an Jesus Christus gleichzuhobeln, bis keine Ecken und Kanten mehr bestehen, sondern die Diversität zu bejahen. Es gibt mehrere Wahrheiten, die nebeneinander existieren und sich nicht ausschließen, und es gibt unterschiedliche Erfahrenswelten, die diese Wahrheiten mehr oder weniger erschließen. Das Fundament der gemeinsamen Taufe und das Eheversprechen sind tragfähig genug, um diese Unterschiede auszuhalten. Wir gehen soweit, dass wir sie als Bereicherung für unsere Gottesbeziehung erleben.

Im Detail hakt es massiv

Daher sind alle Versuche, Lösungen anzubieten, die die alten Denkmuster bedienen, zum Scheitern verurteilt. Bei der jetzigen Diskussion geht es ja erst um die Zulassung der Evangelischen zur katholischen Kommunion, von der "Erlaubnis", dass ich als Katholik das evangelische Abendmahl empfangen darf (aus katholischer Sicht, nicht aus evangelischer), ist ja noch gar nicht die Rede. Das ist mir -wenn die ökumenischen Entwicklung so weitergeht -sowieso bis lange nach meinem Ableben untersagt.

Ich wundere mich bei all diesen Handreichungen, Hilfestellungen und sonstigen Papieren der katholischen Bischöfe über den Langmut der evangelischen Kirchen, wenn ihnen nach wie vor der Kirchenstatus nicht zuerkannt wird, und wenn von ihren Mitgliedern verlangt wird, dass sie den katholischen Eucharistieglauben bejahen, um der "schweren geistlichen Notlage" in ihren konfessionsverschiedenen Ehen zu entkommen. Unsere evangelischen Ehepartner sehen das nicht ganz so entspannt. (Vielleicht können wir ihnen anbieten, dass wir katholischen Eheparter dafür beim nächsten evangelischen Abendmahlsempfang dem Nachlassglauben abschwören?)

Wo immer man ins Detail geht, hakt es. Da wird etwa gefordert, man soll sich zuerst mit einem Seelsorger besprechen. Gut, mach ich gerne, aber mit welchem? Mit einem Vertreter jener Generation, die noch im Geist des II. Vatikanums aufgewachsen und ökumenisch aufgeschlossen ist, oder gerate ich an einen Vertreter der jüngeren Generation, die den Katholizismus neu erfinden und hier wenig Möglichkeiten offen lassen? Und gilt diese Zulassung dann nur für meinen Ehepartner, für die Kinder und Verwandten aber nicht? Und im Urlaub das Ganze wieder von vorne?

Im normalen Kirchenleben, an der vielzitierten Basis, läuft es Gott sei Dank ohnehin schon anders. Ganze Gemeinden feiern miteinander Abendmahl, nicht aus Trotz oder revolutionären Gedanken, sondern aus der jahrelangen Entwicklung der Beziehungen und des Dialogs und der tiefen Überzeugung, dass wir einander diesen Respekt schuldig sind: hörend und sehend in die Spiritualität des anderen einzutauchen und auf der Ebene des Geheimnisses zu begegnen, das ohnehin keiner abschließend ergründen und darlegen kann.

Unter den Augen der Bischöfe

Das sind durchaus positive Entwicklungen, die unter den Augen der Bischöfe ablaufen. Ihr Schweigen dazu wird diese Entwicklung nicht aufhalten, es wird eher die Frage laut werden lassen, welche Rolle sie beim "Kirchenvolk" überhaupt noch spielen, wenn sie sich nicht als Dialogpartner und Versteher der Sorgen und Hoffnungen vor Ort anbieten.

Ich würde mir in dieser ganzen Problematik mehr Ehrlichkeit und mehr Mut wünschen. Wir haben uns als konfessionsverschiedene Familien in den letzten 30 Jahren intensiv um Lösungen bemüht, die dem Leben in Konfessionsverbundenheit entsprechen und die von den Kirchen mitgetragen werden. Wir haben den zweiten Teil dieses Vorhabens zu Grabe getragen und uns auf die private Ebene zurückgezogen, in die lokalen kleinen Gemeinschaften mit wohlwollenden Seelsorgern. Die Hoffnung, dass die katholische Kirche den entscheidenden Schritt schafft, nämlich die evangelische Kirche als Geschwisterkirche anzuerkennen, wird sich in unserem absehbaren Lebensabschnitt nicht mehr erfüllen.

Aber alles andere ist Murks (Zitat Ulrich Körtner).

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