Mehr investieren in Kultur!

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Vor allem mit Musik bringt man im Ausland Österreich in Verbindung. In den inländischen Budgetzahlen schlägt sich dies nicht nieder …

Dabei, so der Rektor der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst, Professor Werner Hasitschka, gibt es nichts Effizienteres, als in diesen Bereich zu investieren. Solches hat die öffentliche Hand nicht vor, schon gar nicht, wie es gegenwärtig aussieht, ab 2013.

DIE FURCHE: "Musik ist eine tragende kulturelle Säule und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor“ und "Musik ist Lebensbegleitung und allgegenwärtig“: Beide Sätze stammen von der Parlamentsenquete 2008 "Zukunftsmusik“ - der erste von Bundesministerin Claudia Schmied, der zweite vom früheren Staatssekretär Franz Morak. Magnifizenz, teilen Sie diese Sichtweisen?

Werner Hasitschka: Das ist ein wunderbarer Einstieg. Schauen wir uns einmal die Wichtigkeit der Kultur in gegossenen Zahlen an: Der Anteil an Musikförderung im Bund beträgt insgesamt 1:10.000. Ungefähr ein Prozent der Bundesausgaben geht in den Kulturbereich, davon wiederum nur ein Prozent in Musikförderung. Erinnern wir uns auch an die letzten Wahlkämpfe: Wo ist hier Kultur- oder Musikpolitik vorgekommen? Umgekehrt proportional sagen alle Studien, dass der Tourismus und das Image Österreichs zunächst der Kultur zu verdanken sind. Mit 1:10.000 des Budgets sind wir führend als Imagefaktor für das Ausland. Effizienteres als Kultur und Musik gibt es nicht. Wäre ich Bundeskanzler, würde ich nur mehr in diese Bereiche investieren.

DIE FURCHE: Sie sind die dritte Periode Rektor der Wiener Musikuni, hat sich das Bild der Studierenden geändert?

Hasitschka: Es ist schwierig, von den Studierenden als Aggregat zu sprechen. Tatsache ist, dass sich der Kontext der Musik und der künstlerischen Entwicklung drastisch verändert hat. Die Fragen von Meisterklasse, Meisterschule, Kammermusik, Gruppenunterricht, Musikvermittlung sind andere geworden. Die neue Dynamik des Berufsbildes stellt neue Anforderungen. Es geht nicht nur darum, Weltspitze zu werden, man muss zusätzliches Wissen mitbringen - in Musikvermittlung, Musikmanagement, Kulturjournalismus, Agenturwesen. Wir sind auch bei uns in diesem Diskurs, und die Studierenden ziehen sehr selbstkritisch mit.

DIE FURCHE: Wie sieht das Verhältnis zwischen in- und ausländischen Studierenden aus, gibt es Veränderungen in den letzten Jahren?

Hasitschka: Das ist faszinierenderweise ziemlich gleich: Als ich vor 20 Jahren an das Haus gekommen bin, waren 45 Prozent Ausländer, jetzt liegt der Ausländeranteil bei 46 Prozent.

DIE FURCHE: Warum wollen Ausländer an die Wiener Musikuniversität?

Hasitschka: Aus unseren Erfahrungen wissen wir, es ist - und das macht uns auch stolz - die Attraktivität des Musikstandortes Wien, tatsächlich wollen die Besten der Besten bei uns studieren, um die letzte Perfektion zu erreichen. Es ist einer der wesentlichen - möglicherweise vielfach unterschätzten - Exporte Österreichs, den wir hier leisten.

DIE FURCHE: Der Begriff Ausbildung, nicht zuletzt an einer Kunstuniversität, ist ein sehr vielfältiger. Gemessen wird die Leistung aber immer weniger am Durchschnitt als an den Spitzenleistungen. Hier hinkt Wien gegenüber so manchen anderen ausländischen Ausbildungsstätten doch etwas nach, wenn man Wettbewerbe als Maßstab nimmt …

Hasitschka: Wenn man sich Wettbewerbe, etwa Gradus ad parnassum, ansieht, sind wir exzellent unterwegs. Natürlich könnte man, was die Spitze anlangt, damit argumentieren, dass beispielsweise Amerika oder Russland ein Vielfaches an Einwohnern haben - ca. 450 Millionen zu acht Millionen Österreicherinnen und Österreichern. Wir wissen auch, dass aufgrund der spezifischen Sozialisierung aus dem asiatischen Raum, die Studierenden bereits mit einer unglaublichen Vorbildung zu uns kommen. Man kann sich zu diesem Thema aber auch einmal die Liste erfolgreicher österreichischer Studierender und Absolventen, die mittlerweile zu einem guten Teil auch Lehrende bei uns geworden sind, ansehen, und hier finden sich eine ganze Reihe prominenter Namen. Mit 3200 Studierenden und etwa 800 Lehrkräften sind wir die größte Musikuniversität der Welt. Stärker diskutieren müssen wir, dessen sind wir uns bewusst, das Verhältnis Breite und Spitze, die Frage der Vorbildung, das Zusammenwirken mit den Musikschulen.

DIE FURCHE: Welche Position nimmt Ihr Haus zur gegenwärtigen Bildungsdebatte ein, sollte da nicht auch die Wiener Musikuni ein gewichtiges Wort mitreden?

Hasitschka: Presseaussendungen hat es zu den Diskussionen über Universitätsreform, Universitätspolitik, Sparmaßnahmen immer wieder gegeben. Allerdings muss man sagen, dass hierzulande lieber über eine Sicherheitsdoktrin diskutiert wird als über eine Kulturdoktrin. Wenn man die Bildungsdiskussion freilich auf die Studiengebühren reduziert, ist das so, wie wenn man im Verteidigungsministerium diskutierte über den Selbstbehalt für die Rekruten, die sich den Helm mieten müssen. Auf diesem Niveau wollen wir in die Bildungsdebatte nicht einsteigen. Wir werden aber zu mehreren Fragen deutlich Stellung beziehen, etwa der neuen Lehrerausbildung, und wir werden uns auch in Zukunft verstärkt zu bildungspolitischen Fragen äußern.

DIE FURCHE: Der vielzitierte Satz "Ohne Geld ka Musi“ wird immer wieder vorgebracht, wenn mehr Leistungen gefordert werden. Sie sind Ökonom - hängt tatsächlich alles am Geld, wären nicht auch Strukturänderungen gefragt, um die man sich gerne drückt?

Hasitschka: Kultur und Ökonomie sind wechselseitige Perspektiven, die eine darf die andere aber nicht dominieren, das ist unbestritten. Gerade im Kulturbereich ist ein hoher Grad an Selbstausbeutung dabei, man sollte das aus Sicht der Politik aber nicht überschätzen, sondern sich hier vielmehr immer vor Augen halten, dass es nichts Effizienteres gibt als Kulturinvestitionen. Wenn das Außenministerium weltweit versucht, Aktionen mit dem österreichischen Image, darunter auch unserem Haus, zu machen, dann sind die Gelder, die bei uns angelegt sind, höchst gut angelegt - sicher besser als bei so mancher früheren Finanztransaktion.

DIE FURCHE: Kann man nach wie vor von einem Musikland Österreich sprechen? Sieht man nicht vieles verklärt? Was ist zu tun, um dieses Faktum nicht zum leeren Begriff verlottern zu lassen, wie kann man die Position halten oder ausbauen?

Hasitschka: Das ist tatsächlich die zentrale Frage: Vom Image her, hinsichtlich des Tourismus, sind wir ein Musikland, in den Budgetzahlen schlägt es sich nicht nieder. Die Regierung müsste zumindest die im Nationalrat getroffenen Beschlüsse exekutieren: Zwei Prozent des BIP für die Universitäten und analog für uns, damit würde sich das Budget unseres Hauses fast um 100 Prozent erhöhen. Wir hätten damit nicht 70, sondern 140 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Unsere Aufgabe für die Zukunft - wir haben das auch in unserem Leitbild festgeschrieben - ist eine Balance zwischen Tradition und Innovation. Es gilt, die Wiener Tradition auf höchstem Niveau weiterzuführen und weiterzuentwickeln. Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass sich Märkte und Orchester verändern, weil in allen Bereichen reduziert oder zum Beispiel auf Kammermusik umgestellt wird. Ganz wichtig ist, dass wir simultan führend im Bereich künstlerischer Innovationen bleiben, das heißt ästhetische Grundlagenforschung betreiben. Hier sind wir dank der Größe und Differenziertheit unseres Hauses schon auf einem guten Weg. Sollte es freilich 2013 zu gedeckelten Budgets kommen, bedeutete dies reale Verluste um zehn bis 15 Prozent und entsprechende Einsparungen.

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