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Mehr Seelen und weniger Hirten

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Die Redaktion der „Furche“ lenkt im folgenden die Aufmerksamkeit ihrer Leserschaft auf „Oberösterreich und seine Diözese“. Sie setzt damit die Übersicht fort, die schon im Juli 1959 in der „Furche“ eine wohlwollende Aufnahme gefunden hat.

Hauptsorge der Diözese Linz ist der Priester-mangel. Gewiß ist das Fehlen der nötigen Priester nicht so, daß die Seelsorge in weiten Gebieten nicht mehr bewältigt werden könnte. Es sind kaum fünf Pfarreien, die von der Nachbarschaft mitprovidiert werden müssen. Aber den Pfarreien mit größerer Seelenzahl steht nicht die nötige Zahl von ' Priestern zur' Verfügung.' So' muß gewöhnlich eine Pfarre mit 2500 Seelen noch mit einem Seelsorger das Auslangen finden, wobei Einmannpfarren mitunter auch 3000 und 40ÖO Seelen erreichen. Tradition, geographische Verhältnisse und besondere Umstände gestatten auch in sehr vielen .Fällen keine bessere Verteilung des Klerus. Die Diözese hat immerhin 20 Pfarreien unter 500 Seelen und 113 unter 1000 Seelen.

Noch schwerwiegender ist das Fehlen der jungen Priester als Kooperatoren. Die Groß-pfärren der Städte mit 8000 bis 15.000 Seelen verlangen dringend mehrere Kooperatoren. Erst Pfarreien von 5000 Seelen und mehr haben zwei Kooperatoren. Pfarreien von 10.000 Seelen und mehr müssen sich gleichfalls mit zwei Kooperatoren begnügen. Es ist ersichtlich, daß der Seel-sorge solcher Gebiete, besonders in industriellen Aufbaugebieten, große Behinderung auferlegt ist. Sehr oft könnte die Behinderung des Seelsorgers durch Alter, Kränklichkeit, bei vorübergehender besonderer Belastung durch einen Ifooperator behoben werden. Dieser Priester steht jedoch nicht zur Verfügung. Das Fehlen jeder Reserve bereitet bei der Versorgung mit Priestern die größte Problematik. Manche kirchliche Stelle und der Großteil der Laien sind sich dieser Situation kaum bewußt.

Die gezeigten Schwierigkeiten werden überwunden durch größeren Einsatz der einzelnen Priester, durch den vollen Dienst auch der Senioren im Klerus und durch den Dienst der Laienkatecheten; ferner durch größere Verwendung von Ordenspriestern in der regulären Seelsorge. Eine Reihe von Pfarreien wurde seit dem Krieg von den Orden übernommen.

Wie ist es nun mit dem Priesternachwuchs bestellt? Vor dem Krieg wurden durchschnittlich im Jahr 20 Priesterweihen im Säkularklerus nicht voll erreicht. Die Weihen seit dem Krieg erreichen die Zahl der Vorkriegsweihen. Es ist ersichtlich, daß damit die Ausfälle in den Reihen der Weltpriester, die der Krieg durch die gefallenen Priester, Theologen und verhinderten Berufe bereitete, nicht ausgeglichen werden können. Die nachfolgende Statistik der Seelsorgegebiete und der Priester seit dem Jahre 1914 gibt wichtige Aufschlüsse.

In dieser Zeit haben sich die Seelsorgegebiete (Pfarren und Exposituren) um 48 vermehrt. Die aktiven Weltpriester sind nun um 73 weniger. Die. Ordenspriester in der Diözese haben von 463 auf 519 zugenommen. Von diesen stehen 206 in der allgemeinen Seelsorge.

Die Gegenwart verlangt eine immer größere Zahl von Priestern zum Religionsunterricht an Berufsschulen und Mittelschulen. Der Einsatz des Laienapostolates wird unmöglich, wenn nicht auch die nötige Zahl von Priestern für die religiöse Betreuung gegeben ist. Die Schulung der Laien in den Schulungsheimen, die Aufgaben des Bildungswerkes, der Ausbau und die Erweiterung kirchlicher Schulen kann nicht geschehen, wenn nicht auch Priester mitwirken. Diesem Plus an Forderungen steht ein Minus an Personen entgegen.

Die Meldungen für das Priesterseminar erreichen in letzter Zeit 30 bis 35 pro Jahr, wobei der größere Teil der Maturanten aus dem diözesanen Knabenseminar Petri.num kommt. Aber auch aus vielen kirchlichen Mittelschulen der Orden oder ihren Konvikten melden sich Berufe. Sie reichen aber nicht zur notwendigen Zahl der Weltpriester. Es müßten jährlich mindestens 25 Priesterkandidaten zum Weihealtar schreiten, also um fünf mehr, als in den letzten Jahren immer zur Verfügung standen, damit die von der Gegenwart geforderten Aufgaben erfüllt werden könnten.

Die Regel, die in einer anderen Diözese vertreten wurde, gilt auch für die Diözese Linz: Pfarreien mit einem Seelsorger müssen jedes 20. Jahr einen. Primizianten stellen, solche mit zwei Seelsorgern jedes zehnte Jahr, mit drei Seelsorgern jedes fünfte Jahr. In der Diözese stehen 475 Weltpriester in der Seelsorge und 92 in der Schule und im kirchlichen Verwaltungsdienst. Die Schule wird noch bedeutend mehr Kräfte fordern, wenn das neunte Schuljahr eingerichtet wird und der Religionsunterricht in den Berufsschulen eine rechtliche Grundlage bekommt, wie im neuen Schulgesetz vorgesehen ist.

Eigenartig ist, daß viele Priester aus bestimmten Gebieten und Pfarreien kommen, so daß Pfarreien 1.0, ; 15 und mehr Priester gestellt haben, während andere seit 50, ja manche sogar seit 100 Jahren und mehr keine Primiz erlebten. Es darf wohl auch darauf hingewiesen werden, daß auch in dieser Frage Ausgleich zwischen Leistung und Empfang bestehen muß. Pfarreien, die nie Priester stellen, verlieren jedes Recht auf einen Seelsorger.

Zur Weckung von Priesterberufen sind sicher die Priester die ersten, die zur Förderung der Berufe verpflichtet sind. Jedes Versagen in unseren Reihen ist sicher ein Rauhreif auf mögliche Berufe.

Problematisch machen die Priesterberufe die Erziehung zum Konsum in der Familie und in der Jugend. Wenn Nachfolge Christi und Bergpredigt nichts mehr bedeuten, können Priesterberufe nicht mehr gedeihen. Auch Laien und besonders Laienapostel müssen sich die Frage vorlegen, was sie zur Weckung von Priesterberufen in ihrer Familie tun. Das Ersticken der Priesterberufe in einem zur Majorität katholischen Volk wäre zugleich ein bedenkliches Barometerzeichen über, die fehlende Tiefenwirkung von Glaube und Gnade in unserem Lande.

Vermerken darf ich noch, daß sich die Meldungen zum Ordenspriesterberufe sehr vermehrt haben. Sie erreichten in den letzten Jahren immer das Doppelte der Eintritte in das Priesterseminar der Diözese. Gerne buche ich es als ein gutes Zeichen. Da jedoch nur der kleinere Teil der Ordenspriester in der Seelsorge steht und viele Orden ihre Kräfte in die Missionen entsenden, wird dadurch die Not an Weltpriestern nicht behoben. Beim Einsatz aller Kräfte müßte es möglich sein,, die. Berufe zum Weltpriester zu vermehren, ohne die Qrdens-berufe zu vermindern.

Ich habe an den Anfang dieser Übersicht über die Diözese Linz bewußt diese erste und größte Sorge gestellt. Wenn die folgenden Ausführungen beredtes Zeugnis über Leistungen und Erfolge ablegen, dann sei betont, wie notwendig es sein wird, in den nächsten Jahren dieses erste Anliegen zu beheben. Sollte dies nicht gelingen, wäre nicht Aufstieg und religiöse Erneuerung in dem Maße'zu erhoffen, wie es die Gegenwart verlangt.

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