Werbung
Werbung
Werbung

Die Mega-Metropole am Fuße des Vulkans Ixtcihuatl wird allmählich zum Albtraum für die Bewohner. Für die Besucher hingegen bleibt sie unbegreiflich, rätselhaft und faszinierend.

Schon die Geschichte dieses Landes ist voller Geheimnisse. Wie sind die altamerikanischen Hochkulturen entstanden und wie konnten sich Architektur, Kunst und Wissenschaft zu einer solchen Blüte entwickeln? Wie konnten die Spanier dieses Universum innerhalb kürzester Zeit so nachhaltig vernichten? Fest steht, dass Mexiko eines der interessantesten Reiseländer ist. Bunt, faszinierend und in vielerlei Hinsicht noch immer unbegreiflich.

Der Name Mexiko geht auf "Méxica" zurück, die Bezeichnung, die sich die Azteken selbst gaben. Zudem nannten die Spanier die Stadt, die sie auf den Trümmern von Teotihuacán erbauten "Méjico". Die Hauptstadt, auch "Distrito Federal" (D.F.) genannt, liegt auf einer Höhe von 2.240 Metern über dem Meeresspiegel, was manchem Europäer doch zu schaffen macht. Sie weist zahllose Zeugnisse ihrer über 650 jährigen Vergangenheit auf, wobei die präkolumbianische Kunst fast nur noch in Einzelstücken oder Rekonstruktionen in verschiedenen Museen zu sehen ist, da die spanischen Eroberer den neuen Stadtkern direkt auf den Trümmern der von ihnen zerstörten Aztekenmetropole Tenochtitlán errichteten. Erst in den letzten Jahren wurden durch umfangreiche Grabungen die Reste des Haupttempels von Tenochtitlán zutage gefördert. Zahlreich sind hingegen die barocken Kirchen und Paläste aus der Kolonialzeit im Mexiko-Stadt. In den fünfziger und sechziger Jahren entstanden viele wirklich sehenswerte Bauten moderner mexikanischer Architektur.

Das Bevölkerungswachstum, hauptsächlich durch den Zuzug aus den Agrargegenden des Landes, ist immer noch gewaltig. Geschätzte 24 bis 26 MillionenMenschen drängen sich hier, womit der D.F. die am dichtesten bevölkerte Stadt der Welt geworden ist. Die alljährlich zwischen 900.000 und einer Million auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen haben wenig Chancen. Deshalb versuchen viele jüngere Menschen in den benachbarten USA Arbeit zu finden. Dort werden zwischen 4 und 6 Millionen sogenannter "braceros" (die Männer mit den starken Armen) ständig oder vorübergehend meist illegal beschäftigt. Diese "braceros" schicken jährlich fünf bis sechs Milliarden US-Dollar nach Hause, wovon ungefähr zehn Millionen Mexikaner leben. Jene die es nicht schaffen, über den Rio Grande in die USA zu gelangen, versuchen ihr Glück weiterhin in der eigenen Hauptstadt. Sie lassen sich in den Elendsvierteln im Osten der Stadt nieder und leben in Unterkünften aus Karton, Wellblech und Plastikfolien. Auch sie haben ihren Eigennamen bekommen: "Paracaidistas" (Fallschirmspringer). Der durchschnittliche Tourist bekommt von alledem meist nicht allzu viel zu sehen, ihm werden die Prachtstraßen wie der "Paseo de la Reforma", die Kunstschätze in den Museen und die vielen Parks der Hauptstadt mit ihrem alten Baumbestand und den vielen Blumen gezeigt. Einer dieser wunderbaren Parks ist der "Parque de Chapultepec" mit dem Schloss des unglücklichen Kaisers von Mexiko, Maximilian von Habsburg.

Historische Schmach

Der mexikanische Literaturnobelpreisträger Octavio Paz ("Das Labyrinth der Einsamkeit") beschreibt die Mexikaner als unsicher und verschlossen, diese Eigenschaften würden aber oft durch forsches Auftreten und übertriebenen Stolz (Machismo) überspielt. Mexiko leide, so der Schriftsteller, an einer kollektiven Sinnkrise als Ausdruck und Folge der historischen Schmach, die die Indianer durch die Eroberung erlitten haben. Malinche, die Geliebte des Eroberers Hernan Cortés, und Mutter des ersten Mestizen, ist als Verkörperung dieser gewaltsamen Schande zu einer nationalen Negativfigur geworden. Die bis heute existierenden Widersprüche des Landes und seiner Menschen führt Octavio Paz auf die Verleugnung der gemeinsamen indianischen und spanischen Ursprünge zurück. "Der Mexikaner verschließt sich vor der Welt ... zerreißt das Band der Vergangenheit, verleugnet seinen Ursprung und spinnt sich - einsam - in das Leben ein ..."

Doch zurück in die Gegenwart und eines der drängendsten Probleme Mexikos: Die jährliche Zahl der Salmonellenvergiftungen durch Trinkwasser, sowie die Zahl der Infektions- und Augenkrankheiten steigt. Die Verursacher der gravierenden Umweltschäden in Mexiko sind die Kraftfahrzeuge (viele noch ohne Katalysator), die Zementwerke, Ölraffinerien, Wärmekraftwerke, metallurgischen Betriebe, Zellstoff- und Papierfabriken, sowie die zahlreichen chemischen Fabriken. Die Luft- und Wasserverschmutzung in Mexiko-Stadt weist - einer Studie der Vereinten Nationen zufolge, - durchschnittlich das 20fache der entsprechenden Werte von New York auf. Nur etwa ein Drittel der zirka 30.000 umweltbelastenden Betriebe in der Hauptstadtregion verfügen über Umweltschutzanlagen. Durch die zusätzlichen Abgase von vier Millionen Autos ist die einstmals vielgepriesene saubere Luft der Hauptstadt hoffnungslos verpestet.

Touristen kommen meist mit tränenden Augen und einem Husten davon, die einheimischen Kinder bekommen jedoch bereits die Dauerfolgen zu spüren: 80 Prozent gelten als mehr oder weniger krank. Die Verschmutzung der Flüsse, des Meeres und der Luft hat bereits zum Aussterben einzelner Vogel-, Fisch-, Insekten-, und Pflanzenarten geführt. Sogar die zum Weltkulturerbe gehörenden Maya-Stätten auf der Halbinsel Yucatan werden durch den permanenten sauren Regen zunehmend in Mitleidenschaft gezogen.

Um eine Erholungspause von der krankmachenden Hauptstadt einzulegen, fährt man am besten in die 370 Kilometer nordwestlich von Mexiko gelegene Stadt Guanajuato, die Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates. Die fünfstündige Reise in modernsten Bussen führt durch unberührte und großzügige Landschaften, teils bergig, immer grün und unendlich weit. Die Stadt Guanajuato scheint an den umliegenden kahlen Hängen richtig emporzuwachsen, hat buntbemalte Häuser, viele enge Straßen und malerische Gäßchen und natürlich Bauten aus der Kolonialzeit. Das reiche kulturelle Leben macht Guanajuato zu einem der anziehendsten Reiseziele Mexikos. Die UNESCO hat die Stadt zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt.

Prächtige "Mariachis"

Ein weiterer Ausflug in die koloniale Stadt San Miguel de Allende, einer der wenigen Orte die in Mexiko unter Denkmalschutz stehen, ließ uns wieder tief atmen, denn auch dort ist das Klima angenehm, die Luft "atembar". San Miguel gilt als idealer Aussteigerort für Maler, Bildhauer, Musiker und Schauspieler.

Das Wahrzeichen von San Miguel ist die am Hauptplatz gelegene Pfarrkirche (Parroquia), ein origineller, neogotischer Bau, der um 1880 an Stelle einer alten einfachen Kirche errichtet wurde. Sie ist ein Werk des indianischen Baumeisters Ceferino Gutiérrez, der sich einige europäische Kathedralen zum Vorbild genommen hat. In einem der Parks von San Miguel gibt es abends auch Gelegenheit, dem Spiel der "Mariachis" zuzuhören, deren Name ursprünglich aus dem französischen "mariage" (Hochzeit) stammt, da sie zu solchen Anlässen zum Spielen eingeladen wurden. Ihre prächtigen Kostüme und Sombreros sind jedem Touristen ein Begriff, ihre Musik ist fröhlich, stimmt zuweilen aber auch melancholisch. Auf die Bezahlung (pro Lied) darf keinesfalls vergessen werden, die gilt als ehernes Gesetz!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung