Minarett und Kreuz – zwei Störfälle?

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Die FURCHE-Herausgeber

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Sultan Said bin Taimur, bis 1970 Herrscher über den Oman, wusste noch genau, wie alles Neue – alles Andere und Fremde – zu verhindern war: Er verbot seinem Volk Radios und Lesebrillen – und allabendlich ließ er die Stadttore seiner Metropole Muscat sperren. Aber das Neue war und ist nicht aufzuhalten – nicht im Oman und nicht anderswo. Hunderttausende Fremde – Muslime zumeist – sind auch in unser Land gekommen. Oft genug von uns herbeigeholt, um unseren Wohlstand auf Touren zu halten.

Jetzt haben wir die Bescherung – und erkennen, dass Kulturen auch in der globalisierten Postmoderne nicht alle gleich sind und sein wollen. Dass sie uns fremd sind und oft auch lästig. Dass die Multikulti-Romantik ihre Grenzen hat – und „Integration“ ihr eigenes, schwerfälliges Tempo.

Soziale Schieflagen

Drei Abwehrmechanismen sind spürbar:

1. Gegen soziale „Randgruppen“ allgemein, Migranten zuerst. Nicht wenige Fachleute sagen uns, dass sich fast hinter aller Ablehnung eine soziale Schieflage verbirgt.

2. Gegen Muslime im Besonderen. Viele längst Gottferne unter uns entdecken an der islamischen Herausforderung plötzlich wieder ihre „christliche“ Beheimatung – zumindest kulturell. Vielleicht auch nur, weil das Christentum für sie so angenehm unauffällig geworden ist.

3. Gegen die viel zitierte „Wiederkehr des Religiösen“. Hinter dem „Nein“ zum Minarett (oder Kopftuch) lauert auch die Angst vor einer Wiederkehr des „Irrationalen“. Blaue Slogans wie „Pummerin statt Muezzin“ sind ebenso nur Wahltaktik wie manch grün-liberale Sympathie für Minarette. Der Trend heißt: „Keine Minarette – und weg mit dem Kreuz!“ Einer der Granden unserer Rechtsstaatlichkeit hat es vor der TV-Kamera präzisiert: „Ohne Wertrelativismus gibt es keine Demokratie.“

Natürlich steckt hinter dem Streit um Minarette das Ringen um Sichtbarkeit, nicht um Machtansprüche. Sichtbarkeit als Zeichen einer ehrlichen Akzeptanz des Islam als Teil unserer Alltagsrealität. „Integration braucht Religion“ hat es Otto Friedrich in der FURCHE auf den Punkt gebracht. Was im Umkehrschluss heißt: Religionsangst ist auch Integrationsangst. Angst vor Koexistenz, Teilnahme und Teilhabe.

Weg in die Selbstaufgabe

Natürlich hat diese Angst auch mit 9/11 und der rasch wachsenden islamischen Präsenz zu tun. Sie aber an muslimischen Mitbürgern abzuarbeiten – durch ständige Junktimierung mit der schlimmen Lage von Christen in der islamischen Welt oder durch Preisgabe unserer Menschenrechtsstandards – ist der Weg in die Selbstaufgabe. Übrigens: sieben von zehn Forderungen von Jörg Haiders Anti-Ausländer-Volksbegehren („Österreich zuerst“, 1993) sind inzwischen gesetzlich weitgehend umgesetzt …

Integration ist immer mühselig – für alle. Unverzichtbar aber sind auf beiden Seiten: Respekt vor dem Anderen. Ehrfurcht vor seinem Glauben. Interesse an seiner Lebenswelt. Dazu das klare Bekenntnis zu Österreich und seiner Rechtsordnung. Und enorm viele ehrliche Gespräche – auch zwischen jenen, die einander misstrauen.

Weder Schönreden noch Abgrenzung helfen da weiter.

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